OGH 9ObA2309/96s

OGH9ObA2309/96s30.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr.Steinbauer und die fachkundigen Laienrichter Dr.Christoph Kainz und Karl Lewisch als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Anita R*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Markus Orgler und Dr.Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei U***** GmbH, Geschäftsführerin Ulrike F*****, vertreten durch Dr.Andreas Widschwenter, Rechtsanwalt in Wörgl, wegen 65.895,52 S brutto sA (Rekursinteresse 6.098,02 S brutto sA) und Feststellung (Streitwert 200.000 S), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 10.September 1996, GZ 15 Ra 121/96y-19, womit infolge Berufung der Klägerin das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 2.April 1996, GZ 48 Cga 235/95i-14, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Text

Begründung

Die Klägerin war seit 19.April 1993 im Reisebüro der beklagten Partei als Angestellte beschäftigt, wobei nach Ablauf der Probezeit eine Kündigungsfrist von drei Monaten jeweils zum Quartal vereinbart war. Mit Schreiben vom 6.Juli 1995 setzte die Klägerin die Geschäftsführerin der beklagten Partei von ihrer Schwangerschaft in Kenntnis. Ungeachtet einer mit beabsichtigter Betriebsstillegung mit 1. August 1995 begründeten Kündigung vom 24.Juli 1995 setzte die Klägerin unter Hinweis auf die Unwirksamkeit dieser Kündigung ihre Arbeitstätigkeit bis zum 14.August 1995 fort. Bis dahin wurden neue Aufträge entgegengenommen und bearbeitet, Angebote erstellt und Buchungen durchgeführt. Am 14.August 1995 begab sich die Geschäftsführerin der beklagten Partei zur Gewerbebehörde, teilte mit, daß der Betrieb am nächsten Tag geschlossen würde und veranlaßte die Löschung der Firma im Gewerberegister. Anschließend kehrte die Geschäftsführerin der beklagten Partei wieder in den Betrieb zurück und übergab der Klägerin das Kündigungsschreiben. Die Firma der beklagten Partei wurde im Gewerberegister tatsächlich mit Wirksamkeit vom 14.August 1995 gelöscht.

Die Klägerin begehrt, die beklagte Partei zur Zahlung ihrer Bezüge bis einschließlich Jänner 1996 im Betrage von 65.895,52 S brutto sA zu verpflichten und festzustellen, daß das Dienstverhältnis weiterhin aufrecht sei; zum Zeitpunkt der Kündigung sei der Betrieb noch nicht stillgelegt gewesen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wandte ein, der Betrieb sei zum 14.August 1995 stillgelegt worden.

Mit Schreiben vom 18.März 1996 sprach die beklagte Partei vorsichtshalber eine weitere Kündigung des Arbeitsverhältnisses aus.

Das Erstgericht gab dem Leistungsbegehren mit 59.797,50 S brutto sA statt und wies das Feststellungsmehrbegehren sowie das Leistungsmehrbegehren von 6.098,02 S brutto sA ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, mit der Zurücklegung der Gewerbeberechtigung am 14. August 1995 sei der Betrieb noch vor Ausspruch der Kündigung stillgelegt worden; der Klägerin stünden im Hinblick auf die vereinbarte Kündigungsfrist daher Entgeltansprüche nur mehr bis 31. Dezember 1995 zu.

Über Berufung der Klägerin hob das Berufungsgericht das Urteil des Erstgerichtes im Umfang der Klageabweisung auf und verwies die Sache diesbezüglich zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Das Erstgericht sei von einem bloß formalen, allein aus der Zurücklegung der Gewerbeberechtigung abgeleiteten Begriff der Betriebsstillegung ausgegangen. Eine Betriebsstillegung sei aber nur dann anzunehmen, wenn die betriebliche Organisationseinheit als solche nicht mehr fortbestehe. Es sei daher nicht entscheidend, daß die Geschäftsführerin der beklagten Partei noch vor Ausspruch der Kündigung bei der Gewerbebehörde die Betriebsstillegung gemeldet habe, zumal sie die Meldung dahin abgegeben habe, daß der Betrieb erst am nächsten Tag geschlossen werde. Da im Betrieb bis 14.August 1995 gearbeitet worden sei und die Geschäftsführerin der Gewerbebehörde mitgeteilt habe, daß der Betrieb erst am nächsten Tag geschlossen werde, erscheine es naheliegend, daß der Betrieb im Zeitpunkt der Kündigung noch nicht geschlossen gewesen sei, sondern sich nur in der Stillegungsphase befunden habe. Es sei daher eine ergänzende Verhandlung erforderlich, um mit den Parteien zu erörtern, ob der Betrieb im Zeitpunkt der Kündigung bereits stillgelegt gewesen sei, also keinerlei Arbeiten zur endgültigen Stillegung mehr offen gewesen seien, etwa zum Abschluß der in Bearbeitung befindlichen Geschäftsfälle oder zur technischen Abwicklung des Betriebsgeschehens, was die Betriebseinrichtung oder die Betriebsräumlichkeiten betreffe. Erst wenn die zur Stillegung des Betriebes erforderlichen Arbeiten abgeschlossen seien, sei von einer dauernden Betriebstillegung auszugehen. Überdies werde im Hinblick auf den Wortlaut des Klagebegehrens auch noch zu erörtern sein, ob der Betrieb zum Zeitpunkt der Kündigung vom 18.März 1996 bereits stillgelegt gewesen sei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich der Rekurs der beklagten Partei aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, "den Beschluß des Berufungsgerichtes aufzuheben und dem Berufungsgericht die sachliche Entscheidung über die Berufung aufzutragen".

Die Klägerin beantragt, dem Rekurs keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist gemäß § 47 Abs 2 ASGG iVm § 46 Abs 3 Z 1 ASGG ohne Rücksicht auf das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG zulässig, weil der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses der Klägerin strittig ist.

Der Rekurs ist aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Wie der Oberste Gerichtshof zu § 10 Abs 3 MSchG sowie zum rechtsähnlichen Ende des besonderen Kündigungsschutzes nach § 120 Abs 3 ArbVG iVm § 62 Z 1 ArbVG wiederholt ausgesprochen hat, ist eine dauernde Betriebsstillegung nur dann anzunehmen, wenn sich die Absicht, den Betrieb dauernd stillzulegen, anhand konkreter Maßnahmen objektivieren läßt. Eine Betriebsstillegung ist ein äußerst komplexer Vorgang, der sich auch zeitlich meist länger hinzieht. Maßnahmen, die die Betriebsstillegung indizieren, sind in der Regel die Auflösung der Arbeitsverhältnisse, die Zurücklegung der Gewerbeberechtigung, die Veräußerung der sachlichen Betriebsmittel, der Abverkauf der Produkte und der Verkauf der Rohstoffe sowie der Abbruch der Geschäftsverbindungen zu den Kunden und Lieferanten, also die Liquidierung der Betriebsmittel. In der Regel werden mehrere dieser Maßnahmen mit der Einstellungsabsicht zusammentreffen müssen, um den Tatbestand der dauernden Betriebsstillegung zu erfüllen. Es ist allein auf die faktische Betriebseinstellung abzustellen, die meistens nach Beginn des Liquidierungsprozesses, jedoch unter Umständen vor seinem Ende liegen kann (SZ 59/97; ZAS 1994/15; 8 Ob 2092/96x; Floretta in Floretta/Strasser, HandKomm ArbVG 349; vgl auch Arb 9927 sowie 10.099). Die Frage, ob und wann eine dauernde Betriebsstillegung erfolgt ist, kann nur im Einzelfall entschieden werden (SZ 59/97; ZAS 1994/15; Floretta aaO).

Dem Berufungsgericht ist daher darin beizupflichten, daß die getroffenen Feststellungen zur Beurteilung der Frage, ob zum Zeitpunkt der Kündigungen vom 14.August 1995 bzw 18.März 1996 der Betrieb der beklagten Partei bereits stillgelegt war, nicht ausreichen, andererseits kann aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichtes ohne Kenntnis der Umstände des Einzelfalles nicht im vorhinein beurteilt werden, wann der Liquidationsvorgang soweit fortgeschritten war, daß von der dauernden Einstellung des Betriebes auszugehen ist.

Dem Rekurs der beklagten Partei war daher im Ergebnis ein Erfolg zu versagen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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