OGH 11Os37/97

OGH11Os37/9729.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 29.April 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Ebner, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Sturmayr als Schriftführer, in der Strafsache gegen Gerhard B***** wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Wr.Neustadt vom 19.November 1996, GZ 5 U 705/91-9, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Staatsanwalt Dr.Jenny, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluß des Bezirksgerichtes Wr.Neustadt vom 19.November 1996, GZ 5 U 705/91-9, auf Feststellung der endgültigen Strafnachsicht verletzt das Gesetz in dem im § 498 StPO und im XX.Hauptstück der Strafprozeßordnung verankerten Grundsatz der materiellen Rechtskraft.

Dieser Beschluß wird (ersatzlos) aufgehoben; der Antrag des Bezirksanwaltes auf endgültige Strafnachsicht wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Gerhard B***** wurde mit in gekürzter Form (§ 458 Abs 3 StPO) ausgefertigtem Urteil des Bezirksgerichtes Wr.Neustadt vom 4.Februar 1992, GZ 5 U 705/91-4, wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine dreijährige Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt.

Mit dem ebenfalls in gekürzter Form ausgefertigten Urteil des Einzelrichters des Landesgerichtes Wr.Neustadt vom 10.Juni 1994, GZ 9 b E Vr 312/94-47, wurde Gerhard B***** wegen des in der Probezeit begangene Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 2 und Z 4, 129 Z 1 und 15 StGB sowie des zum Teil in der Probezeit begangenen Vergehens der Zuhälterei nach § 216 Abs 1 und Abs 2 erster und zweiter Fall StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Zugleich faßte der Einzelrichter gemäß §§ 494 a Abs 1 Z 4 StPO, 53 Abs 1 StGB den Beschluß auf Widerruf der mit dem angeführten Urteil des Bezirksgerichtes Wr.Neustadt gewährten bedingten Strafnachsicht.

Von dieser in Rechtskraft erwachsenen Widerrufsentscheidung verständigte der Einzelrichter des Landesgerichtes Wr.Neustadt das Bezirksgericht Wr.Neustadt zum AZ 5 U 705/91 durch Übermittlung einer Ausfertigung des Protokollvermerkes mit der gekürzten Urteilsausfertigung, welcher unjournalisiert im Akt des Bezirksgerichtes erliegt.

Mit Beschluß des Landesgerichtes Wr.Neustadt als Vollzugsgericht vom 22. August 1994, GZ BE 456/94-6, wurde Gerhard B***** gemäß § 46 Abs 1 StGB aus beiden Freiheitsstrafen bedingt entlassen. Auch dieser Beschluß wurde dem Bezirksgericht Wr.Neustadt zum AZ 5 U 705/91 übermittelt (dort ON 6).

Ungeachtet dieser Verständigungen sprach das Bezirksgericht Wr.Neustadt - dem Antrag des Bezirksanwaltes entsprechend - nach Einholung einer Strafregisterauskunft, aus der sich der Widerruf ebenfalls ergibt (ON 10), mit rechtskräftigem Beschluß vom 19. November 1996, GZ 5 U 705/91-9, im Sinne der §§ 43 Abs 2 StGB, 497 Abs 1 StPO aus, daß die bedingte Nachsicht der Strafe endgültig geworden sei.

Inzwischen hat das Landesgericht Wr.Neustadt als Vollzugsgericht mit rechtskräftigem Beschluß vom 20.Jänner 1997, GZ BE 456/94-19, im Sinne der §§ 48 Abs 3 StGB, 16 Abs 2 Z 12 StVG die mit Beschluß vom 22. August 1994 gewährte bedingte Entlassung für endgültig erklärt.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluß des Bezirksgerichtes Wr.Neustadt vom 19.November 1996 auf Feststellung der endgültigen Strafnachsicht verletzt - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - den in § 498 StPO und im XX.Hauptstück der Strafprozeßordnung verankerten Grundsatz der materiellen Rechtskraft.

Das Bezirksgericht Wr.Neustadt hat nämlich durch seine Beschlußfassung am 19.November 1996 unter Verletzung des Grundsatzes "ne bis in idem" seine Entscheidungskompetenz rechtswidrig in Anspruch genommen (EvBl 1989/64 = JBl 1989, 400).

Dieser Beschluß konnte weder den schon vorher rechtskräftig beschlossenen Widerruf der bedingten Strafnachsicht beseitigen, noch sonst für Gerhard B***** irgendwelche rechtserheblichen Wirkungen nach sich ziehen. Die konstitutive Wirkung des Widerrufsbeschlusses blieb vielmehr hievon unberührt.

Der Beschluß des Bezirksgerichtes Wr.Neustadt vom 19.November 1996 war daher ersatzlos aufzuheben und im übrigen wie im Spruch zu erkennen.

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