OGH 12Os34/97 (12Os35/97)

OGH12Os34/97 (12Os35/97)24.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.April 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Rzeszut, Dr.Schindler, Dr.E.Adamovic und Dr.Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Holzmannhofer als Schriftführer, in der Strafsache gegen Milan S***** wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1 und 15 StGB über die vom Generalprokurator erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Jugendgerichtshofes Wien vom 4.Juli 1994, GZ 15 a U 228/91-15, und gegen den Vorgang, daß zu AZ 3 a Vr 13.589/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien die unverzügliche Verständigung des Jugendgerichtshofes Wien zu AZ 15 a U 228/91 (§ 494 a Abs 8 StPO aF) unterblieb, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Generalprokurators Dr.Strasser und des Verteidigers Dr.Meixner, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Es verletzen das Gesetz

1. im Strafverfahren AZ 3 a Vr 13.589/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien der Vorgang, daß der Vorsitzende nicht unverzüglich den Jugendgerichtshof Wien zum AZ 15 a U 228/91 von dem zugleich mit dem Urteil gefaßten Beschluß auf Widerruf der bedingten Strafnachsicht verständigte, in der Bestimmung des § 494 a Abs 8 StPO in der vor dem Strafrechtsänderungsgesetz 1993 in Geltung gestandenen Fassung;

2. im Strafverfahren AZ 15 a U 228/91 des Jugendgerichtshofes Wien der Beschluß vom 4.Juli 1994 (ON 15) auf Feststellung der endgültigen Strafnachsicht in dem in § 494 a Abs 4 StPO in Verbindung mit dem im XX.Hauptstück der Strafprozeßordnung verankerten Grundsatz der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen. Dieser Beschluß wird aufgehoben.

Text

Gründe:

Mit - gemäß § 458 Abs 2 und Abs 3 StPO in gekürzter Form ausgefertigtem - Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 23.Mai 1991, GZ 15 a U 228/91-4, wurde der am 13.Jänner 1970 geborene Milan S***** des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB schuldig erkannt und zu einer - gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen - Freiheitsstrafe von zwei Wochen verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 26.April 1993, GZ 3 a Vr 13.589/92-121, wurde Milan S***** des im Oktober 1992 (sohin in der mit der Vorverurteilung bestimmten Probezeit) begangenen Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch, teils als Beteiligter nach §§ 127, 128 Abs 2, 129 Z 1, 15 und 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt und zu dreieinhalb Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Zugleich erging gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO der Beschluß auf Widerruf der mit der Vorverurteilung gewährten bedingten Strafnachsicht.

Die in § 494 a Abs 8 StPO in der Fassung bis zum Strafrechtsänderungsgesetz 1993 (nunmehr in § 494 a Abs 7 StPO) vorgeschriebene unverzügliche Verständigung des mit dem Ausspruch der bedingten Strafnachsicht befaßt gewesenen Gerichtes - hier des Jugendgerichtshofes Wien - unterblieb im konkreten Fall. In Unkenntnis der Entscheidung über den Widerruf der bedingten Strafnachsicht - entschied der Jugendgerichtshof Wien in der Folge - dem Antrag der Staatsanwaltschaft entsprechend - mit rechtskräftigem Beschluß vom 4.Juli 1994, GZ 15 a U 228/91-15, auf endgültige Strafnachsicht.

Rechtliche Beurteilung

Dieser Beschluß steht - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend geltend macht - mit dem Gesetz nicht im Einklang. Der im Verfahren 3 a Vr 13.589/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien gefaßte und mittlerweile in Rechtskraft erwachsene Widerrufsbeschluß vom 26.April 1993 entfaltete (auch schon vor Rechtskraft) eine Bindungswirkung, derzufolge kein Gericht ohne vorangegangene Aufhebung des Beschlusses berechtigt war, über den Entscheidungsgegenstand neuerlich abzusprechen. Der Jugendgerichtshof Wien hat daher durch seine Beschlußfassung vom 4.Juli 1994 im Verfahren AZ 15 a U 228/91 eine Entscheidungskompetenz rechtswidrig in Anspruch genommen (ua EvBl 1989/64).

Dieser Beschluß konnte weder den schon vorher (wenn auch nicht rechtskräftig) beschlossenen Widerruf der bedingten Strafnachsicht beseitigen noch sonst für den Verurteilten irgendwelche Rechtsfolgen nach sich ziehen; die konstitutive Wirkung des Widerrufsbeschlusses blieb vielmehr hievon unberührt.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes war daher gemäß § 292 StPO spruchgemäß zu erkennen.

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