OGH 15Os43/97

OGH15Os43/9724.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.April 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Brandstätter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl V***** wegen Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht St.Pölten vom 28.Jänner 1997, GZ 24 Vr 524/96-58, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin des Generalprokurators, Generalanwältin Dr.Bierlein, jedoch in Abwesenheit des Betroffenen und seines Verteidigers zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden angefochtenen Urteil, das auch eine in Rechtskraft erwachsene Abweisung des Unterbringungsantrages in Ansehung einer weiteren, dem Betroffenen angelasteten Tat enthält, wurde die Unterbringung des Karl V***** in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet, weil er unter dem Einfluß eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades beruht, in Tulln (in insgesamt drei Angriffen) teils unter Verwendung einer Waffe (1) versucht hat, anderen mit Gewalt (gegen ihre Person) bzw durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) Bargeld mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung abzunötigen, indem er

(zu 1) Mitte April 1996 Manfred H***** und Gerald H***** unter Vorhalten eines Messers zur Ausfolgung von Bargeld aufforderte,

(zu 2) um die Mittagszeit des 6.Mai 1996 von Gerald H***** den Betrag von 20.000 S verlangte, ihn zu Boden schlug und ihm Fußtritte versetzte,

(zu 3) am Abend des 6.Mai 1996 Gerald H***** (zunächst) zur Ausfolgung von 20.000 S aufforderte, ihm Schläge versetzte, dem flüchtenden Opfer nachlief, es mit beiden Händen zu Boden drückte, ihm mehrere Fußtritte versetzte und die Ausfolgung von 200 S verlangte,

mithin (jeweils) mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Taten begangen hat, die ihm, wäre er zurechnungsfähig gewesen, als Verbrechen des versuchten schweren Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1, 143 (Satz 1 zweiter Fall) StGB (1) sowie (zu ergänzen:) als Verbrechen des versuchten Raubes nach §§ 15, 142 Abs 1 StGB (2 und 3) zuzurechnen gewesen wären.

Rechtliche Beurteilung

Die Geschworenen bejahten - soweit im Nichtigkeitsverfahren relevant - die Hauptfrage nach versuchtem schweren Raub (Z 1 des Fragenschemas) - mit einer (zulässigen - Mayerhofer StPO4 § 330 E 6 a) nicht entscheidungswesentlichen Einschränkung - sowie die beiden Hauptfragen nach unqualifiziertem Raubversuch (Z 2 und 3) - ebenso wie die (ua) diesen drei Hauptfragen zugeordnete (zusammengefaßt formulierte) Zusatzfragen nach Zurechnungsunfähigkeit des Betroffenen zur jeweiligen Tatzeit (Z 6). Sonstige Fragen wurden den Geschworenen (in bezug auf die hier maßgeblichen Raubfakten) nicht vorgelegt.

Der Betroffene bekämpft das Urteil mit einer ausschließlich auf die Z 6 und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, ist damit aber nicht im Recht:

Der Auffassung des Beschwerdeführers zuwider war nämlich nach den Beweisergebnissen der Hauptverhandlung die in der Fragestellungsrüge (Z 6) unter dem Blickwinkel des § 313 StPO vermißte Zusatzfrage nach Rücktritt vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) in bezug auf keine der drei Raubtaten indiziert.

Soweit der Nichtigkeitswerber den ins Treffen geführten Strafaufhebungsgrund aus dem Umstand abgeleitet wissen will, daß er von den Tatopfern keine Geldzahlungen erhalten habe, übersieht er, daß diesem Vorbringen schon durch den Inhalt der ohnehin (jeweils) in Richtung Versuch formulierten Hauptfragen Rechnung getragen wurde.

Im übrigen läßt sich weder aus seiner Verantwortung noch aus sonstigen in der Hauptverhandlung vorgeführten Beweismitteln ein konkretes Tatsachensubstrat entnehmen, das die Annahme freiwilligen Rücktritts vom Versuch (in bezug auf eine oder mehrere der Raubtaten) in eine den Schwurgerichtshof zur Vorlage der begehrten Zusatzfrage verpflichtende Nähe gerückt hätte (Mayerhofer aaO § 313 E 13 f).

Die Darstellung des Betroffenen, der sich in der Hauptverhandlung zu sämtlichen Raubvorwürfen - wie schon im Vorverfahren (13, ON 5, 191 f) - leugnend verantwortete oder auf Erinnerungslücken berief (374 f), enthält keine Tatsachenbehauptung in Richtung einer auf Eigeninitiative beruhenden Aufgabe weiterer Ausführungshandlungen, wie es das Gesetz für das Kriterium der Freiwilligkeit voraussetzt (Leukauf/Steininger Komm3 § 16 RN 2). Für die in der Beschwerde (hypothetisch) relevierte Möglichkeit, dem Betroffenen sei die (jeweilige) Tatvollendung noch möglich gewesen, und er hätte diese Möglichkeit freiwillig ungenützt gelassen, findet sich aber auch in den übrigen Verfahrensresultaten kein Hinweis: Scheiterte die Deliktsvollendung darnach doch in allen drei Fällen daran, daß der (jeweils) tatbetroffene Gerald H***** kein Bargeld mit sich führte, Mitte April 1996 überdies an der Weigerung des (weiteren) Opfers Manfred H*****, Bargeld auszufolgen, ferner am Abend des 6.Mai 1996 (zunächst) auch am (mißlungenen) Fluchtversuch des Gerald H*****, der im Zuge des Weglaufens gegen einen fahrenden LKW rannte, sowie (schließlich) am Dazwischentreten der Insassen dieses LKWs, Christian E***** und Werner Ha***** (s 381 ff iVm 15 f und ON 13; 385 ff iVm ON 12 und 69; 379 f iVm 19 f und ON 14 sowie 380 f iVm 21), sohin stets an äußeren Tatumständen, die autonome Rücktrittsmotive des Karl V***** geradezu ausschließen (s ähnlich EvBl 1996/54).

Die Subsumtionsrüge (Z 12), in welcher der Nichtigkeitswerber die (jeweilige) Tatbeurteilung als Raub- versuch abermals unter dem Aspekt freiwilligen Rücktritts mit der Behauptung bekämpft, zufolge Verwirklichung dieses Strafaufhebungsgrundes könne sein Verhalten bloß dem (wegen der gesetzlichen Strafdrohung des § 107 Abs 1 StGB als Anlaßtat für die Anstaltseinweisung nach § 21 Abs 1 StGB nicht in Betracht kommenden) Tatbestand der gefährlichen Drohung unterstellt werden, entbehrt der prozeßord- nungsgemäßen Ausführung. Denn mit diesem Vorbringen geht der Beschwerdeführer nicht vom im Verdikt festgestellten maßgeblichen Tatsachensubstrat aus, sondern von einer Bejahung der von ihm (zu Unrecht) vermißten Zusatzfrage.

Dem Urteil haftet daher hinsichtlich der Erfüllung der ersten Einweisungsvoraussetzung des § 21 Abs 1 StGB kein Rechtsirrtum an.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.

Soweit der Betroffene in der Berufung wiederum die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher mit der Argumentation bekämpft, er habe keine Anlaßtat verwirklicht, welche mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist, ist er auf die Erledigung dieses Einwandes in der Nichtigkeitsbeschwerde zu verweisen.

Abgesehen davon, daß sich aus dem Sachverständigengutachten - ausgehend von der beträchtlichen Kritikverminderung, der gestörten Affektivität und der Insuffizienz der Steuerungs- und Kontrollmechanismen unter Berücksichtigung der tristen sozialen Situation des Betroffenen - die Disposition des Karl V***** zu weiteren Straftaten auf dem Niveau der bisherigen bzw die Befürchtung erheblicher Gewalteinwirkungen ergibt (205 ff) und der Rückfall in die Alkoholprobleme unter Nicht-Haftbedingungen mit Sicherheit prognostiziert wird (388), bietet die vom Beschwerdeführer aufgezeigte Möglichkeit einer freiwilligen stationären (psychiatrischen) Behandlung keinen Grund, von der nach dem Gesetz gebotenen Anstaltsunterbringung abzusehen (15 Os 26/90, 15 Os 62/90).

Bei der gebotenen Gesamtbetrachtungsweise aller aktenmäßig getroffenen und einwandfrei begründeten Feststellungen (US 7 und 8) kann - der Berufung zuwider - kein Zweifel bestehen, daß das Erstgericht alle für die Erstellung der Gefährlichkeitsprognose im Sinn des § 21 Abs 1 StGB erforderlichen Tatsachenkomponenten angeführt und daraus auch gesetzeskonforme rechtliche Konsequenzen gezogen hat.

Sohin war auch der Berufung der Erfolg zu versagen.

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