OGH 14Os13/97

OGH14Os13/9722.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. April 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer, Dr. E.Adamovic, Dr. Holzweber und Dr. Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Hofbauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Eddy K***** wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der gesetzlichen Vertreterin des Angeklagten, Christine B*****, gegen das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien als Schöffengericht vom 23. September 1996, GZ 8 Vr 301/96-74, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Eddy K***** der Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 18. April 1996 in Wien dem Ashraf A***** *****

I. eine fremde bewegliche Sache, nämlich 25.000 S Bargeld, mit dem Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung weggenommen und

II. im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit dem abgesondert verfolgten Oliver S*****, indem sie auf A***** zugingen und Oliver S***** auf ihn einschlug, vorsätzlich eine Rißquetschwunde an der Unterlippe zugefügt.

Rechtliche Beurteilung

Die von der gesetzlichen Vertreterin des Angeklagten aus § 281 Abs 1 Z 5, 5 a, 8 und 9 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht gerechtfertigt.

Zu Unrecht reklamiert (Z 5) sie zunächst eine Undeutlichkeit der Feststellungen zur subjektiven Tatseite der Körperverletzung. Denn aus den Ausführungen in Spruch und Gründen (US 1, 4, 6 f) ergibt sich deutlich genug, daß das Erstgericht bei seiner Entscheidung von der Annahme ausging, daß der Angeklagte den unmittelbaren Täter S***** durch gemeinsames Zugehen auf das Tatopfer vorsätzlich psychisch unterstützte und so einen Tatbeitrag im Sinne des § 12 dritter Fall StGB leistete. Von einem inneren Widerspruch über die Art der Tatbeteiligung des Angeklagten kann demzufolge gleichfalls keine Rede sein.

Die Urteilsannahme eines erst nach der Gewaltanwendung gefaßten Bereicherungsvorsatzes dient nach dem Zusammenhang erkennbar der Abgrenzung des von der Staatsanwaltschaft in der Anklage erhobenen Raubvorwurfes und steht durchaus im Einklang mit der Konstatierung, wonach dem Opfer, als es auf den Schlag hin taumelte, das Kuvert mit dem Bargeld zu Boden fiel. Die Feststellung eines zum Zeitpunkt der Geldwegnahme vorhandenen Bereicherungsvorsatzes wird dadurch nicht in Frage gestellt.

Urteilsfremd ist der Einwand, die Tatrichter hätten sich nicht mit der Aussage des Zeugen D***** in der Hauptverhandlung auseinandergesetzt, er habe den Angeklagten am Tattag um ca 20 Uhr oder 5 bis 6 Minuten später in der Küche des Lehrlingsheimes in Wien-Liesing beim Kochen (womit dieser "fast fertig" gewesen sei) gesehen. Diese Aussage wird in ihrem wesentlichen Inhalt im Urteil mit dem einwandfreien Ergebnis erörtert, daß der Angeklagte nach einer Fahrt mit der U 3 von der Johnstraße zur Tatzeit um 21 Uhr 15 am Tatort (U 3 - Station Stephansplatz) gewesen sein kann. Indem die Beschwerdeführerin diese Schlußfolgerung des Erstgerichtes in Zweifel zu ziehen sucht, ficht sie in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Schöffensenates an.

Im übrigen gingen die Tatrichter auf die Zeugenaussage des Tatopfers A***** zur Identität des Angeklagten mit dem einen der beiden Täter unter ausführlicher Würdigung aller Angaben dieses Zeugen in den verschiedenen Verfahrensstadien (US 5, 6) ein. Dem Zeugen waren auch die Aussagen des Agro N***** (S 289) und des Bosekota E***** (S 241 f) ausdrücklich vorgehalten worden, die behaupteten, sich am Tatabend gemeinsam mit S***** ein Fußballspiel im Fernsehen angesehen zu haben. Indem das Schöffengericht dem Zeugen A***** trotz dieser Verfahrensergebnisse uneingeschränkte Glaubwürdigkeit darin zubilligte, daß er den Angeklagten als Täter richtig wiedererkannt hatte, setzte es sich implizit auch mit den Aussagen der genannten mittelbaren Alibizeugen auseinander, deren ausdrückliche Erörterung in den Urteilsgründen daher unterbleiben konnte.

Soweit die Beschwerdeführerin im Urteil auch eine Auseinandersetzung damit vermißt, daß A***** in der Hauptverhandlung von S***** lediglich angeben konnte, er habe Zöpfe und eine goldene Brille getragen, wogegen eine genaue Personsbeschreibung des Angeklagten K***** überhaupt nicht erfolgt sei, ist ihr zu entgegnen, daß A***** nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolles den Angeklagten jedenfalls wiederkannt hat, sodaß es einer Erörterung bestimmter Erkennungsmerkmale nicht bedurfte.

Aktenwidrig ist der Einwand, der Polizeibeamte Inspektor Friedrich R***** habe bestätigt, daß lediglich einer der beiden Angeklagten der Täterbeschreibung entsprochen habe, weist dieser Zeuge doch ausdrücklich darauf hin, daß die Täterbeschreibung "auf die beiden gepaßt" habe.

Mit dem Beschwerdevorwurf, daß die Bekleidung des Angeklagten nicht erhoben worden sei und keine Wahlkonfrontation, sondern nur eine Gegenüberstellung der beiden Verdächtigen mit A***** stattgefunden habe, verkennt die Beschwerdeführerin das Wesen einer Urteilsanfechtung wegen formeller Begründungsmängel. Damit werden lediglich Mängel der Sachverhaltserhebung (vgl Mayerhofer StPO4 E 82 ff zu § 281 Abs 1 Z 5) und solcherart - ebenso wie mit den weiteren Ausführungen - nur die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung bekämpft.

So konnte eine Erörterung der Tatsache, daß der Angeklagte K***** bei seiner Festnahme zwei Tage nach der Tat lediglich über einen Bargeldbetrag von 1.820 S verfügte, und daß er damals berufstätig gewesen sei, als irrelevant ebenso unterbleiben wie jene des Umstandes, daß bei der Hausdurchsuchung im Zimmer des Angeklagten keine ihn belastenden Gegenstände gefunden wurden. Das gilt auch für den Einwand, die Tatrichter hätten den Bericht der Bundespolizeidirektion Wien vom 20. April 1996 nicht erwähnt, wonach die von S***** angegebenen Zeugen E***** und N***** unter der Adresse Nußdorferstraße 23 nicht hätten ausfindig gemacht werden können.

Das Beschwerdeargument, das Erstgericht habe sich mit Widersprüchen in den Aussagen des Zeugen A***** vor der Polizei und in der Hauptverhandlung zu der Frage, ob die Täter das Bankkuvert mit den 25.000 S ihm unmittelbar aus dem Sakko wegnahmen oder erst an sich brachten, nachdem es ihm aus dem Sakko gefallen war, nicht auseinandergesetzt und ferner unberücksichtigt gelassen, daß der Zeuge A***** auch angegeben hat, daß das Kuvert mit dem Geld vor dem Herausfallen aus dem Sakko "für niemanden erkennbar war", muß deshalb fehlschlagen, weil die Tatrichter eben deshalb im Zweifel zugunsten des Angeklagten von der vorgeworfenen Raubversion abgingen und den für ihn günstigeren Tatablauf einer erst nach dem Herausfallen des Geldkuverts erfolgten diebischen Wegnahme dem Schuldspruch zugrundelegten. Daß die Tatrichter aus den eingewendeten Aussagedivergenzen keine Beeinträchtigung der Glaubwürdigkeit des Zeugen abgeleitet haben, kann als Akt freier Beweiswürdigung im gegebenen Rahmen nicht bekämpft werden. Das trifft auch auf die in der Beschwerde relevierte Ungenauigkeit der Angaben des Zeugen A***** darüber zu, ob er die 25.000 S am Tattag oder schon früher abgehoben hatte.

Als irrelevant erweist sich auch der Einwand einer Unvollständigkeit der Urteilsgründe, weil im Zusammenhang mit der Aussage A*****s, die beiden Angeklagten hätten ihn auf Englisch zu beschimpfen begonnen, nicht erörtert worden sei, daß die Muttersprache der beiden Angeklagten Französisch ist, sie sich auch auf Deutsch verständigen können, und daß A***** in der Hauptverhandlung behauptet hat, die Angeklagten hätten ihn "auf Österreichisch geschimpft".

Dem Beschwerdeeinwand, daß aus angeblichen Widersprüchen in den Angaben des Zeugen A***** über den Beginn der Auseinandersetzung, die schließlich zum inkriminierten Schlag gegen ihn und zu seiner Verletzung führte, der Schuldspruch wegen Körperverletzung nicht ableitbar sei, kann gedanklich nicht gefolgt werden.

Es versagt die Mängelrüge auch, indem sie Widersprüche in den Angaben des Zeugen A***** als Aktenwidrigkeit geltend macht. Sie verkennt dabei das Wesen einer solchen, das darin liegt, daß das Urteil den eine entscheidende Tatsache betreffenden Inhalt einer Aussage oder Urkunde in seinen wesentlichen Teilen unrichtig oder unvollständig wiedergibt.

Insoweit die Beschwerdeführerin Feststellungen über die Ausführung der Körperverletzung durch den Angeklagten K***** sowie über die Höhe des Schadensbetrages (des gestohlenen Geldbetrages) vermißt, wird sie auf die gegenteiligen Urteilskonstatierungen in Urteilstenor und -gründen sowie die obigen Ausführungen bezüglich des festgestellten Tatbeitrages zur Körperverletzung verwiesen.

Mit dem Einwand, das Erstgericht hätte sich auch mit der körperlichen Statur von K***** und S***** sowie des Zeugen A*****, mit der "Persönlichkeit" des Zeugen und mit der Frage der Gewaltbereitschaft der Genannten befassen müssen, macht die Beschwerdeführerin keinen formellen Begründungsmangel geltend, sondern ficht einmal mehr nur unzulässigerweise die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes an.

Ein Widerspruch zwischen der Feststellung einer zunächst wörtlichen Auseinandersetzung einerseits, die dann bis zur Handgreiflichkeit eskaliert ist, und andererseits der Annahme einer vorsätzlichen Körperverletzung, ist ebensowenig erkennbar, wie zwischen der Feststellung, daß der Angeklagte gemeinsam mit S***** auf A***** zuging und dadurch "auch seinen Willen ausdrückte, nötigenfalls selbst in den Ereignisablauf einzugreifen" (US 6), und mit der Konstatierung andererseits, daß der Angeklagte sich damit (in tatsächlicher Hinsicht) am Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB beteiligt (§ 12 dritter Fall StGB) hat.

Als bloße Anfechtung der Beweiswürdigung erweist sich auch der Einwand, daß der Vorsatz des Angeklagten sich nicht auf das Geld bezogen haben könne, weil der Inhalt des Kuverts ihm nicht bekannt sein konnte.

Die weitestgehend unter Verkennung der formellen Anfechtungsvoraussetzungen ausgeführte Mängelrüge mußte daher zur Gänze erfolglos bleiben.

Aus den Akten ergeben sich aber auch keine erheblichen Bedenken (Z 5 a) gegen die Richtigkeit der den Schuldspruch tragenden Feststellungen, die das Erstgericht hauptsächlich auf die Angaben des Tatopfers gestützt hat.

Zu Unrecht moniert die Beschwerdeführerin eine Anklageüberschreitung (Z 8), weil der Schuldspruch wegen des Vergehens der Körperverletzung vom Anklagevorwurf wegen des unter Anwendung körperlicher Gewalt begangenen Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB umfaßt ist (§ 262 StPO).

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) schließlich orientiert sich mit ihrem Vorbringen, für den Schuldspruch wegen Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB fehle es an den erforderlichen Feststellungen zur objektiven und subjektiven Tatseite, nicht am gesamten Urteilssachverhalt, in dem ein bewußtes und gewolltes Zusammenwirken von K***** und S***** mit dem Ziel festgestellt ist, den A***** zu verletzen, wobei S***** den verletzenden Schlag führte, und K***** - wie schon erwähnt - ihn darin unterstützte, indem er durch das gemeinsame Zugehen auf das Tatopfer seinen Willen zum Ausdruck brachte, nötigenfalls selbst in den Ereignisablauf einzugreifen (US 7). Die Beschwerde ist damit nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt.

Dasselbe gilt hinsichtlich des weiteren Einwandes, zum Diebstahlsfaktum fehlten die Feststellungen zur subjektiven Tatseite, geht doch das angefochtene Urteil von der Annahme aus, daß der Angeklagte den Bargeldbetrag von 25.000 S mit dem Vorsatz, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, an sich nahm.

Die somit teils offenbar unbegründete, teils nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war folglich bereits in nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285 d Abs 1 Z 1 und 2, 285 a Z 2 StPO).

Zur Entscheidung über die Berufung der gesetzlichen Vertreterin des Angeklagten ist demnach das Oberlandesgericht Wien berufen (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO (Mayerhofer StPO4 E 4 a zu § 390 a).

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