OGH 8ObA67/97d

OGH8ObA67/97d17.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer und Dr.Rohrer und die fachkundigen Laienrichter Dr.Reinhard Drössler (Arbeitgeber) und ADir Winfried Kmenta (Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Marlene A*****, vertreten durch Dr.Gerhard Kucher, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei Hans A*****, vertreten durch Dr.Wolfgang Flächer, Rechtsanwalt in Villach, wegen S 1,866.358 sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 8.Jänner 1997, GZ 8 Ra 260/96h-27, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 29.August 1996, GZ 35 Cga 33/94z-22, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Im ersten Rechtsgang hob der Oberste Gerichtshof mit Beschluß vom 23.5.1996, 8 ObA 250/95, die Entscheidung der Vorinstanzen im Umfang der Abweisung eines Betrages von S 1,541.586,-- sA auf und verwies die Rechtssache zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurück.

Er führte aus, daß die Lohnforderungen der Klägerin gegen ihren Gatten noch aufrecht bestünden und weder verjährt noch verfallen seien; gemäß § 1495 ABGB könne hinsichtlich von Ansprüchen zwischen Ehegatten, solange diese in ehelicher Verbindung stünden, mit Ausnahme des erst später eingeführten Anspruches auf Abgeltung der Mitwirkung im Erwerb des anderen, die Verjährung weder anfangen noch fortgesetzt werden. Die Lohnansprüche der Klägerin gegen ihren Gatten seien somit, auch wenn sie teilweise bereits vor über einem Jahrzehnt entstanden seien, weder nach § 1486 Z 5 ABGB verjährt, noch unterlägen sie einer kürzeren gesetzlichen oder kollektivvertraglichen Ausschlußfrist. Im ergänzenden Verfahren seien Feststellungen über die "kompensando" eingewandten Privatentnahmen der Klägerin zu treffen.

Im fortgesetzten Verfahren dehnte die Klägerin das Klagebegehren um weitere offene Gehaltsforderungen, die noch nicht verjährt seien, auf S 1,866.358,-- netto aus.

Der Beklagte replizierte, alle Ansprüche der Klägerin seien verfallen, weil diese eine Scheidungsklage eingebracht habe und mit dieser die Verjährungshemmung ende.

Das Erstgericht wies das noch offene Klagebegehren zur Gänze ab. Es stellte ergänzend fest, daß die Klägerin im Oktober 1991 aus der gemeinsamen Ehewohnung ausgezogen ist und am 9.12.1991 die Ehescheidung aus dem Alleinverschulden des Beklagten begehrt hat. Mit Urteil vom 8.3.1996 wurde die Ehe aus gleichteiligem Verschulden rechtskräftig geschieden. In rechtlicher Hinsicht meinte das Erstgericht, die Gehaltsansprüche der Klägerin seien präkludiert, da sie diese erst lange nach Einbringung der Scheidungsklage, nämlich am 8.2.1994 gegen den Beklagten konkret geltend gemacht habe. Ihr sei nämlich ab Einbringung der Scheidungsklage auch die klageweise Geltendmachung ihrer Gehaltsansprüche zumutbar gewesen, sodaß mit diesem Zeitpunkt auch die Hemmung der Verjährungsfrist bzw von Präklusivfristen geendet habe.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Die in § 511 Abs 1 ZPO normierte Bindung an die rechtliche Beurteilung des Revisionsgerichtes sei nicht verletzt worden, weil sich der festgestellte Sachverhalt verändert habe. Die Rechtsansicht des Erstgerichtes sei zutreffend, daß der der Bestimmung des § 1495 Satz 1 ABGB innewohnende Zweck, eine den Familienfrieden beeinträchtigende Klagsführung zu vermeiden, nach Einbringung der Ehescheidungsklage durch jenen Ehegatten, der auch andere Ansprüche stelle, nicht mehr erkannt werden könne. Die Revision an den Obersten Gerichtshof ließ es zu, weil, soweit erkennbar, die Frage des Beginnes des Laufes einer Verfallsfrist bei aufrechtem Eheband, aber Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft und Einbringung einer Scheidungsklage durch den Forderungsberechtigten nicht dezidiert geschieden worden sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der Klägerin wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag auf Abänderung im Sinn der Klagsstattgebung, hilfsweise im Sinn der Aufhebung und Rückverweisung zur Verfahrensergänzung.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinn des Aufhebungsantrages berechtigt.

Der Einwand der Klägerin, die Vorinstanzen hätten die ihnen überbundene Rechtsansicht mißachtet, ist unrichtig. Wie die Revisionswerberin selbst ausführt, sind die Untergerichte an die Rechtsansicht des Rechtsmittelgerichtes nur insofern gebunden, als nicht im fortgesetzten Verfahren eine Änderung des Tatbestandes eintritt. Dies ist hier der Fall. Im ersten Rechtsgang war nicht aktenkundig, daß die Klägerin bereits Ende 1991 eine auf Verschulden des Beklagten gestützte Ehescheidungsklage eingebracht hatte.

Dies ändert aber an der rechtlichen Beurteilung nichts, daß die Lohnansprüche der Klägerin weder verfallen, noch verfristet sind. § 1495 Satz 1 ABGB stellt eindeutig hinsichtlich der Verjährungs- (und der hier gleichzuhaltenden Verfalls-)Hemmung nur darauf ab, ob die Ehe noch aufrecht ist, nicht aber darauf, ob sie der Forderungsberechtigte beenden will und dies bereits durch Einbringung einer Scheidungsklage unmißverständlich zum Ausdruck gebracht hat, oder durch andere Klagen gegen seinen Gatten demonstriert hat, ihm die Klagsführung ausnahmsweise trotz aufrechter Ehe zumutbar ist.

Es kann hier als ohnedies nicht entscheidungserheblich dahingestellt bleiben, ob die vom erkennenden Senat im ersten Rechtsgang obiter dictum ausgesprochene Beschränkung der Hemmung auf sechs Jahre nach Aufhebung der ehelichen Gemeinschaft überzeugender als die dies verneinende Entscheidung des dritten Senates vom 13.4.1994, SZ 67/62, ist.

Der genannten Entscheidung des dritten Senates lag ein Sachverhalt zugrunde, in dem die Streitteile zwar in aufrechter Ehe, aber bereits nahezu zwei Jahrzehnte getrennt lebten und die Gattin bereits vor nahezu zwei Jahrzehnten ihren Mann auf Unterhalt geklagt und Exekution geführt hatte; dennoch lehnte der genannte Senat in ausführlicher rechtsvergleichender und rechtstheoretischer Begründung, auf die verwiesen wird, eine teleologische Reduktion des § 1495 Satz 1 ABGB unter dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der Klags- oder Exekutionsführung ab: Auf die Zumutbarkeit oder Unzumutbarkeit der Geltendmachung der Ansprüche, weil noch oder nicht mehr auf familienrechtliche Beziehungen Rücksicht zu nehmen sei, komme es nicht an. Das vorrangige Interesse der Rechtssicherheit gebiete die strikte Einhaltung der Vorschrift.

Dieser Rechtsansicht, daß es bei der Verjährungshemmung des § 1495 Satz 1 ABGB auf die Zumutbarkeit der Klagsführung nicht ankommt, schließt sich der erkennende Senat an, zumal zu bedenken ist, daß Ehescheidungsklagen zurückgezogen werden können, und es vereinzelt auch Fälle gibt, in denen der Kläger eine solche Klage mit dem "Hintergedanken", auf diese Art die Ehe noch zu retten, einbringt.

Das Erstgericht wird daher im Sinn der im Aufhebungsbeschluß vom 23.5.1996 ergangenen Aufträge ergänzende Feststellungen zu treffen und sodann neuerlich zu entscheiden haben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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