OGH 11Os17/97 (11Os18/97)

OGH11Os17/97 (11Os18/97)15.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.April 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ebner, Dr.Schmucker, Dr.Habl und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Brandstätter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Michael U***** wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB über den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Rechtsmittel sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Schöffengericht vom 12. September 1996, GZ 11 Vr 55/96-30, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Wiedereinsetzung wird verweigert.

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michael Josef U***** des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt sowie seine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 2 StGB verfügt, weil er am 5. Februar 1996 in Garsten den Christian S***** durch zwei Stiche mit einem stilettartig zugeschliffenen Messer in den Unterbauch vorsätzlich am Körper verletzt hatte, wobei die Tat den Tod des Christian S***** zur Folge hatte. Das Urteil wurde in der Hauptverhandlung vom 12.September 1996 in Anwesenheit des Angeklagten und seiner gemäß § 41 Abs 2 StPO bestellten Verteidigerin Dr.Heidemarie W***** (ON 13) verkündet. Der Angeklagte meldete noch in der Hauptverhandlung "Nichtigkeit und Berufung für alles" an (S 362), worauf der Verteidigerin Dr.W***** eine Urteilsausfertigung zugestellt wurde. Diese übernahm sie persönlich am 17.Dezember 1996 im Postamt Steyr (S 376 im Zusammenhang mit S 403).

Mit dem am 24.Jänner 1996 zur Post gegebenen Schriftsatz ON 34 beantragte Dr.W***** die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Ausführung der Rechtsmittel und führte diese zugleich aus.

Die Verteidigerin brachte dazu vor, daß sie im Dezember 1996 und Jänner 1997 unvorhergesehen einige Wochen krank war. Da sie auch keine Sekretärin hatte, konnte die Frist zur Ausführung der angemeldeten Rechtsmittel nicht gewahrt werden.

Die zum Wiedereinsetzungsantrag durchgeführten Erhebungen (ON 41) haben ergeben, daß Dr.Heidemarie W***** seit 1996 an leichten psychischen Störungen und Depressionen litt. Erst am 20.Jänner 1997 begab sie sich deswegen in ärztliche Behandlung. Ab dieser Zeit wurde ihre Kanzlei von einem befreundeten Rechtsanwalt kontrolliert und mitbetreut. Dieser hatte allerdings von der Fristsache keine Kenntnis (die Rechtsmittelfrist war zudem bereits am 17.Jänner 1997 abgelaufen), weil Dr.W***** die Urteilsausfertigung am 17.Dezember 1996 persönlich am Postamt Steyr übernommen, diese in ihrer Aktentasche verwahrt und die Rechtsmittelfrist weder in ihrem Tagsatzungs- noch ihrem Fristenbuch vermerkt hatte.

Rechtliche Beurteilung

Der Wiedereinsetzungsantrag ist nicht berechtigt.

Nach § 364 Abs 1 Z 1 StPO ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einem Beschuldigten/Angeklagten zu bewilligen, soferne er nachweist, daß ihm die Einhaltung der Frist durch unvorhersehbare oder unabwendbare Ereignisse unmöglich war, es sei denn, daß ihm oder seinem Vertreter ein Versehen nicht bloß minderen Grades zur Last liegt. Die Strafprozeßordnung macht also keinen Unterschied, ob ein zur Fristversäumnis führendes Versehen dem Angeklagten oder seinem Verteidiger unterlaufen ist.

Die Verteidigerin hat zum Wiedereinsetzungsantrag lediglich behauptet, aber nicht nachgewiesen, daß sie sich während der gesamten Rechtsmittelfrist vom 18.Dezember 1996 bis 17.Jänner 1997 in einem derartigen psychischen Ausnahmezustand befand, der sie daran hinderte, die Rechtsmittel fristgerecht auszuführen oder für eine Vertretung zu sorgen. Ein Nachweis erfolgte nämlich nur dafür, daß sie am 20. und 22.Jänner sowie am 6. und 10.März 1997 ambulant in ärztlicher Behandlung war, jedoch ergibt sich aus den vorgelegten Urkunden keine Behinderung in der Berufsausübung für den fraglichen Zeitraum.

Da Dr.W***** nach dem eigenen Vorbringen bereits seit 1996 an leichten psychischen Störungen und Depressionen litt, wäre sie im übrigen verpflichtet gewesen, die Organisation ihres Kanzleibetriebes so zu ändern, daß ein wirksames Kontrollsystem die Wahrung von Fristen überwacht (Mayerhofer StPO4 § 364 E 33). Da sie trotz Kenntnis ihrer Krankheit und dem dadurch bewirkten zeitweisen Ausfall ihrer Arbeitskraft den Aufbau eines derartigen Kontrollsystems unterließ, liegt ein Versehen minderen Grades nicht mehr vor. Ihre gesundheitliche Beeinträchtigung hätte vielmehr von vornherein zu besonderer Sorgfalt dahin Anlaß geben müssen, für eine entsprechende Kontrolle und Vertretung zu sorgen.

Die begehrte Wiedereinsetzung war daher zu verweigern.

Die verspätet ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war, zumal bei der Anmeldung keiner der in § 281 Abs 1 Z 1 bis 11 StPO angegebenen Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt bezeichnet wurde, zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 StPO iVm § 285 a Z 2 StPO).

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem zuständigen Oberlandesgericht Linz zugeleitet (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.

Stichworte