OGH 11Os26/97

OGH11Os26/9715.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.April 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ebner, Dr.Schmucker, Dr.Habl und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Brandstätter als Schriftführerin, im Verfahren gegen Herbert B***** wegen seiner Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 15.Jänner 1997, GZ 20 y Vr 2747/96-117, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil wurde Herbert B***** gemäß § 21 Abs 1 StGB in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, weil er am 5.März 1996 in Wien unter dem Einfluß eines seine Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes, der auf einer geistig-seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruht,

A/ durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89 StGB) sowie unter Verwendung einer Waffe anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz abgenötigt, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, nämlich

1. Dr.Susanne R***** Medikamente, indem er nach Abgabe von zwei Schüssen aus einem Schreckschußrevolver gegen die Wand ihr diese Waffe an der Brust ansetzte und äußerte, er werde sie umbringen, wenn sie ihm keine Medikamente gebe,

2. Karin G***** 200 S Bargeld, indem er einen Schreckschußrevolver gegen sie richtete und Bargeld forderte;

B/ Karin G***** durch gefährliche Drohung mit dem Tod, indem er einen Schreckschußrevolver gegen sie richtete, zu einer Handlung, und zwar zum Einsperren der Dr.Susanne R***** in der Waschküche der Drogenberatungsstelle "G*****" genötigt;

C/ Dr.Susanne R***** durch die zu Punkt B angeführte Tathandlung für die Dauer von rund einer halben Stunde widerrechtlich gefangengehalten,

mithin Taten, die mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedroht sind, begangen hat, die ihm außerhalb dieses Zustandes als Verbrechen des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 Satz 1 zweiter Fall StGB (A 1 und 2) und der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB (B) sowie als Vergehen der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (C) zugerechnet würden, und nach seiner Person, nach seinem Zustand sowie nach der Art der Tat zu befürchten ist, daß er sonst unter dem Einfluß seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen werde.

Rechtliche Beurteilung

Diese Entscheidung bekämpft der Betroffene mit auf die Gründe der Z 5, 10 a, 12 und 13 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie mit Berufung.

Die Verfahrensrüge (Z 5) wendet sich gegen die Abweisung des in der Hauptverhandlung vom 15.Jänner 1997 gestellten Antrages auf Einvernahme des ärztlichen Leiters der Justizanstalt Göllersdorf Dr.S***** als Zeugen und Beiziehung des Sachverständigen Prim.Dr.G***** jeweils zum Beweis dafür, daß "sich der Angeklagte zum Zeitpunkt der Tatbegehung nicht in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand befunden habe" (S 503). Zur Begründung des Antrages führte der Verteidiger aus, Dr.S***** habe ihm telefonisch mitgeteilt, daß im Falle der Einweisung gemäß § 21 Abs 1 StGB in seiner Anstalt keine richtige Therapie für den Betroffenen erfolgen könne. Da in der Justizanstalt Göllersdorf nur Täter nach Einweisung gemäß § 21 Abs 1 StGB untergebracht seien, ergebe sich aus der Aussage des Leiters der Anstalt "zwangsläufig oder mit großer Wahrscheinlichkeit", daß der Betroffene im Tatzeitpunkt zurechnungsfähig gewesen sei (S 503). Dr.G***** habe auf Grund einer Reihe von Begutachtungen in früheren Verfahren genaue Kenntnis über den Geisteszustand des Betroffenen und sei daher dieser Sachverständige "am ehesten geeignet, zu klären, in welchem Zustand sich der Angeklagte im Tatzeitpunkt befunden habe" (S 504). Zweifel am Vorliegen der Unzurechnungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt ergeben sich aus der Aussage der Zeugin Dr.R*****, "weil diese die Bewußtseinslage des Angeklagten als klar und orientiert beschrieben habe und eine ganze Reihe von Verhaltensweisen des Angeklagten geschildert wurden, die mit der Annahme der Zurechnungsunfähigkeit nicht in Einklang zu bringen sind" (S 505).

Erst nach Stellung der Beweisanträge erstattete der vom Erstgericht bestellte Sachverständige Univ.Doz. Dr.Georg P***** sein Gutachten, in dem er zum Ergebnis kam, daß der Betroffene im Tatzeitpunkt zwar diskretions-, nicht jedoch dispositionsfähig gewesen sei. In seiner Expertise setzte sich der Sachverständige auch mit der Aussage der Zeugin Dr.R***** sowie den verlesenen Vorgutachten des Sachverständigen Dr.G***** auseinander (S 506 ff).

Durch die Abweisung der Beweisanträge wurden Verteidigungsrechte des Betroffenen nicht beeinträchtigt. Der Antrag auf Vernehmung des Zeugen Dr.S***** ist nicht schlüssig. Aus seiner angeblichen Aussage, die in der Justizanstalt Göllersdorf mögliche Therapie sei für den Betroffenen nicht geeignet, ist nicht der zwingende Schluß auf dessen Zurechnungsfähigkeit im Tatzeitpunkt möglich, sondern nur darauf, daß allenfalls eine Unterbringung in einer anderen Anstalt mit anderen Therapiemöglichkeiten sinnvoller wäre. Auf den Zustand des Betroffenen im Tatzeitpunkt ergibt sich aus dem behaupteten Gespräch kein Hinweis. Dieser Beweisantrag verfiel daher zu Recht der Ablehnung durch den Schwurgerichtshof.

Mit den zu anderen Verfahren erstatteten Vorgutachten hat sich der Sachverständige Dr.Georg P***** auseinandergesetzt (S 510) und dargetan, warum er entgegen der Begutachtung im Jahre 1991 nun zu einem anderen Ergebnis kam. Einwände gegen dieses Gutachten im Sinne der §§ 118 Abs 2, 125, 126 StPO hat der Verteidiger aber nicht vorgebracht, sodaß für den Schwurgerichtshof kein Anlaß bestand, einen weiteren Experten beizuziehen.

Wenn nun in der Beschwerdeschrift darauf hingewiesen wird, daß der Sachverständige Dr.P***** von einem Grenzfall gesprochen habe und daher auch daraus die Notwendigkeit der Beiziehung eines weiteren Sachverständigen abgeleitet wird, so ist dieses Argument verspätet vorgebracht, weil bei der Prüfung der Berechtigung eines Antrages stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Stellung und den dabei vorgebrachten Gründen auszugehen ist (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 41).

Die Tatsachenrüge (Z 10 a) vermag keine erheblichen sich aus den Akten ergebende Zweifel gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen aufzuzeigen. Der Beschwerdeführer versucht vielmehr lediglich unter Hinweis auf einzelne Verfahrensergebnisse die Beweiswürdigung der Geschworenen und das schlüssige und widerspruchsfreie Gutachten des Sachverständigen Dr.P*****, auf das sich die Geschworenen bei Beantwortung der Zusatzfrage (lfd Nr 5) unter anderem stützten, zu erschüttern. Zwar hat der Experte die Zurechnungsunfähigkeit des Betroffenen im Tatzeitpunkt als grenzwertig bezeichnet, aber auch angeführt, daß die überwiegenden Argumente für eine solche sprechen. Die endgültige Beurteilung blieb somit prozeßordnungsgemäß den Geschworenen vorbehalten. Diese aber kamen zu den denkmöglichen und im (gesamten) Beweisverfahren auch gedeckten Schluß, daß der Betroffene im Tatzeitpunkt wegen eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustandes, der auf einer geistig-seelischen Abartigkeit von höherem Grade beruht, nicht fähig war, das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln.

Wie bereits zur Verfahrensrüge ausgeführt, hat der Umstand, ob der Betroffene in der Justizanstalt Göllersdorf optimal therapiert wird, keinen Einfluß auf seinen Zustand im Tatzeitpunkt, sondern bestünde diesfalls Anlaß für eine Antragstellung zur Verlegung des Eingewiesenen in eine andere Anstalt.

Mit seiner Subsumtionsrüge (Z 12) strebt der Beschwerdeführer eine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 2 StGB an, weil nach dem Beweisverfahren Zurechnungsfähigkeit im Tatzeitpunkt vorgelegen habe. Damit bringt er aber den materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund, der ein Festhalten an der sich aus dem Verdikt ergebenden Tatsachengrundlage verlangt, nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung, weil er in Abweichung vom Wahrspruch der Geschworenen davon ausgeht, daß eine Zurechnungsunfähigkeit im Tatzeitpunkt nicht vorgelegen sei.

Unter der Z 13 des § 345 Abs 1 StPO bekämpft der Betroffene neuerlich die Anordnung der vorbeugenden Maßnahme nach § 21 Abs 1 StGB, indem er die im Wahrspruch festgestellte Begehung der Taten in einem die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustand in Abrede stellt und dem Sachverständigengutachten einen "Begründungs- und Feststellungsmangel" vorwirft, weil dort nicht ausgeführt sei, warum die Dispositionsfähigkeit nicht gegeben gewesen sein soll, obwohl andere Beweise nach Meinung des Beschwerdeführers gegen diese Annahme sprechen.

Dabei übersieht der Rechtsmittelwerber aber, daß im geschworenengerichtlichen Verfahren die Beweiswürdigung allein den Laienrichtern obliegt und daß deren Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren unzulässig ist. Damit stellen aber die vorgebrachten Argumente keine gesetzmäßige Ausführung des Nichtigkeitsgrundes dar.

Soweit der Beschwerdeführer unter diesem Nichtigkeitsgrund auch gegen die Gefährlichkeitsprognose remonstriert, werden damit keine Verfahrens- oder Rechtsmängel in bezug auf die rechtlichen Grundvoraussetzungen der Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt nach § 21 Abs 1 StGB behauptet, sondern nur eine dem Ermessen des Gerichtes unterliegende Entscheidung angefochten. Einwände gegen Ermessensentscheidungen stellen aber nach ständiger Judikatur nur einen Berufungsgrund dar (SSt 57/23, 15 Os 53/95 uvam).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht gesetzmäßig ausgeführt gemäß §§ 344, 285 d Abs 1 StPO schon in nichöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.

Daraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufung des Betroffenen das Oberlandesgericht Wien zuständig ist (§§ 344, 285 i StPO).

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