OGH 2Ob55/97w

OGH2Ob55/97w10.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr.Gerda H*****, vertreten durch Dr.Thomas Mader, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei ***** Versicherungs-AG, ***** vertreten durch Dr.Heinrich Kellner, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 7,173.557 sA und Feststellung, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 27.November 1996, GZ 16 R 205/96a-75, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 19.Mai 1996, GZ 24 Cg 107/93v-64, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung

Am 22.11.1989 ereignete sich ein Verkehrsunfall, an dem der Vater der Klägerin mit einem Mofa und ein bei der beklagten Partei haftpflichtversicherter PKW beteiligt waren; der Vater der Klägerin starb an der Unfallstelle.

Die Klägerin begehrt für den Zeitraum vom Tod ihres Vaters bis Ende 1995 S 7,173.557 sA an Ersatz für entgangene Pflegeleistungen sowie die Feststellung der Haftung der beklagten Partei für künftige Unfallsfolgen. Sie sei seit Kindheit an behindert und auf Hilfe und Pflege Dritter angewiesen, diese Pflegeleistungen habe ihr Vater in den Jahren vor seinem Tod erbracht. Infolge seines Ablebens sei sie auf die Hilfestellung Dritter angewiesen, für die sie Zahlungen zu leisten habe. Ihrem Anspruch liege der Stundensatz für eine Altenhelferin nach den Richtlinien der sozialmedizinischen Dienste in Niederösterreich zugrunde, wobei von einem täglichen Aufwand von 11 Stunden an den Arbeitstagen bzw 14 Stunden während des Urlaubs und an Wochenenden auszugehen sei.

Die beklagte Partei wendete ein, daß ihren Versicherungsnehmer kein Verschulden treffe, er sei auch im Strafverfahren rechtskräftig freigesprochen worden. Vielmehr habe der Vater der Klägerin den Unfall allein verschuldet, weil er mit seinem Mofa von seiner Fahrbahnhälfte nach links abgekommen sei. Dadurch sei es zur Kollision mit dem auf seiner Fahrbahnhälfte fahrenden PKW gekommen. Die Ansprüche der Klägerin nach § 1327 ABGB seien nicht berechtigt, weil sie den Beruf eines Richters ausübe und überdies Pflegegeld beziehe.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, wobei es Feststellungen über die Unfallsörtlichkeit, die am Unfall beteiligten Fahrzeuge, den Unfallshergang und die Erkrankung der Klägerin traf. Es stellte fest, daß die Klägerin mit Rücksicht auf ihre körperliche Behinderung Tag und Nacht auf fremde Hilfe angewiesen sei, um ihr tägliches Dasein überhaupt bewältigen zu können; die Klägerin müsse in den Rollstuhl und vom Rollstuhl heraus gehoben werden, wenn sie eine örtliche Veränderung haben wolle. Alle diese Tätigkeiten seien durch ihren Vater durchgeführt worden; dieser sei von robuster Gesundheit gewesen und hätte statistisch bis 31.5.1999 leben und der Klägerin zur Seite stehen können. Der Vater der Klägerin habe diese vom Beginn ihrer Berufstätigkeit an immer vom Dienstort zu ihrer Wohnstätte und zurück gebracht. Dabei sei sie bis 1993 immer vom Rollstuhl in das Auto gehoben worden. Erst 1993 habe sie ein Fahrzeug angeschafft, das ihr den Verbleib im Rollstuhl auch während der Fahrt ermöglicht habe. Die Mutter der Klägerin sei zu den vom Vater erbrachten Hebeleistungen körperlich nicht in der Lage gewesen. Das Erstgericht stellte detailliert die vom Vater der Klägerin erbrachten Pflegeleistungen fest. Weiters wurden die Stundenlöhne aufgelistet, die für eine Hilfskraft, die jene Tätigkeiten verrichten muß, die vormals der Vater erbracht hatte, zu entrichten sind. Abschließend wurde festgestellt, daß die Klägerin für jene Hilfestellungen, die ihr Vater vom Ableben bis zum 31.12.1995 erbracht hätte, mindestens den Klagskapitalsbetrag für fremde Hilfe aufwenden hätte müssen, um nur annähernd einen Ausgleich, einen Ersatz zu finden.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, daß den Versicherungsnehmer der beklagten Partei das Verschulden am Unfall treffe, der Einwand eines Mitverschuldens sei nicht erhoben worden. Gemäß § 1327 ABGB sei der Klägerin das zu ersetzen, was ihr durch den Tod ihres Vaters entgangen sei. Dieser Anspruch sei ein originärer Schadenersatzanspruch. Die Pflegeleistungen seien teilweise als Unterhaltsanspruch anzusehen. Unter Berücksichtigung des Umstandes, daß der Vater der Klägerin umfassende Hilfestellungen geleistet habe, die die Klägerin auch mit ihrem gesamten Richtergehalt nicht durch Dritte finanzieren hätte können, sei sie nicht selbsterhaltungsfähig gewesen.

Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht änderte die angefochtene Entscheidung dahin, daß es das Klagebegehren abwies. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, daß die Rechtssache ohne Prüfung der Frage, ob den Versicherungsnehmer der beklagten Partei ein Verschulden treffe, spruchreif im Sinne einer Klagsabweisung sei; es äußerte zwar Bedenken gegen die Beweiswürdigung des Erstgerichtes, vermeinte aber, auf diese nicht eingehen zu müssen, weil die Klägerin keinen Anspruch auf Ersatz der ihr durch den Tod ihres Vaters entgangenen Pflegeleistungen habe. Das Berufungsgericht vertrat auch die Ansicht, daß das Erstgericht die Bestimmung des § 273 ZPO sehr willkürlich ausgelegt und nicht berücksichtigt habe, daß die Klägerin sich den Hilflosenzuschuß bzw das Pflegegeld anrechnen lassen müsse. Der Entgang von Pflegeleistungen begründe keinen Anspruch mit selbständigem-rechtlichen Schicksal, sondern stelle nur einen Posten eines gesamten Entganges einer Waise dar, auf die die kongruenten Leistungen der Sozialversicherungsträger anzurechnen seien. Ein näheres Eingehen auf diese Argumente könne aber im Hinblick darauf, daß der Anspruch der Klägerin schon dem Grunde nach nicht berechtigt sei, unterbleiben:

Gemäß § 1327 ABGB müsse nämlich im Falle der Tötung einer Person den Hinterbliebenen, zu deren Unterhalt der Getötete nach dem Gesetz zu sorgen hatte, ersetzt werden, was ihnen dadurch entgangen sei. "Nach dem Gesetz" bedeute, daß der Getötete unmittelbar aufgrund eines Gesetzes zur Unterhaltsleistung verpflichtet war bzw werden konnte. Ein vertraglicher Anspruch verschaffe keinen solchen gegen den Schädiger nach § 1327 ABGB. Dies sei sowohl der Standpunkt der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (8 Ob 79/87; SZ 11/144 ua) als auch jener der Lehre (Reischauer in Rummel**2 Rz 16 zu § 1327; Wolff in Klang VI**2, 150) sowie bei vergleichbarer Rechtslage (§ 844 Abs 2 BGB) der deutschen Judikatur und Literatur. Die gegenteilige Ansicht Koziols (Haftpflichtrecht**2 II 152) sei von der Rechtsprechung abgelehnt worden (2 Ob 12/91 = JBl 1992, 44). Die Unterhaltspflicht des Vaters bzw der Eltern dauere so lange, bis die Ausbildung im Beruf beendet sei. Das Maß der Bedürfnisse des Kindes richte sich nach dem Stand oder Beruf, zu dem es durch die bisherige Erziehung vorbereitet wurde und nach seiner äußeren Lebensführung, soweit sie nach dem Willen des Vaters geregelt sei. Der Unterhaltsberechtigte habe keinen Anspruch auf Unterhalt zur Deckung einer seiner Berufswahl und dem damit verbundenen Lebensstandard nicht entsprechenden besseren Lebensführung. Allfällige Naturalzuwendungen trotz Selbsterhaltungsfähigkeit erfolgten nicht in Erfüllung einer gesetzlichen Unterhaltsverpflichtung und könnten daher nicht nach § 1327 ABGB gegen den Schädiger geltend gemacht werden; Zuwendungen des Vaters an ein bereits selbsterhaltungsfähiges Kind seien grundsätzlich nicht als Unterhaltsleistungen anzusehen und daher vom Schädiger nicht zu ersetzen (2 Ob 229, 230/70).

Im vorliegenden Fall stehe fest, daß die 1950 geborene Klägerin am 1.1.1979 zur Richterin ernannt wurde, ein Richtergehalt der Gehaltsstufe 10 und darüber hinaus ein Pflegegeld in der Höhe von über S 11.000 beziehe. Da der Gehalt einer österreichischen Richterin beim Bezirksgericht deutlich über dem Existenzminimum liege, sei davon auszugehen, daß die Klägerin die Selbsterhaltungsfähigkeit erreicht habe und allfällige Pflegeleistungen ihres Vaters freiwillig, wenn auch aufgrund einer sittlichen Verpflichtung, erfolgt seien. Diese freiwilligen Zuwendungen begründeten aber keinen Anspruch nach § 1327 ABGB gegen einen allfälligen Schädiger.

Das Berufungsgericht erachtete die ordentliche Revision für nicht zulässig, weil seine Entscheidung mit der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes übereinstimme.

Gegen dieses Urteil des Berufungsgerichtes richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, es dahin abzuändern, daß dem Klagebegehren stattgegeben werde, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt, dem Rechtsmittel der Klägerin keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig, weil das Berufungsgericht - wie im folgenden noch darzulegen sein wird - von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abgewichen ist; sie ist im Sinne ihres Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Die Klägerin rügt in ihrem Rechtsmittel, daß das Berufungsgericht davon ausging, sie beziehe zusätzlich zu ihrem Gehalt als Richterin noch ein Pflegegeld in der Höhe von S 11.000 monatlich. Ein Pflegegeld hätte ihr aber frühestens mit 1.7.1993 überhaupt zur Verfügung stehen können. Für einen klagsgegenständlichen Zeitraum von mehr als 3 1/2 Jahren habe sie ein solches nicht erhalten können, das Berufungsgericht habe aber nicht erhoben, ob sie in dieser Zeit staatliche Leistungen erhalten habe oder nicht. Mit ihrem Einkommen als Richterin allein hätte sie keinesfalls Pflegeleistungen Dritter und auch noch ihre Lebenshaltungskosten tragen können. Das Berufungsgericht habe auch nicht berücksichtigt, daß sie erst 1995 in die Gehaltsstufe 10 aufgerückt sei. Schließlich sei es auch unrichtig, die Selbsterhaltungsfähigkeit mit dem formalen Kriterium des Endes der Berufsausbildung anzunehmen; sie trete erst dann ein, wenn das Kind in der Lage sei, die Mittel zur Bestreitung seines standesgemäßen Unterhalts durch Arbeit zu verdienen. Die Selbsterhaltungsfähigkeit sei nicht schon dann gegeben, wenn das Kind zur Ausübung eines Berufes fähig sei, sondern erst dann, wenn ihm die wirtschaftlichen Verhältnisse auch die Möglichkeit zur Ausübung des Berufes gäben. Dies sei hier nicht der Fall, weil die Klägerin ohne finanziell aufwendige Pflegeleistungen nicht in der Lage sei, ihren Beruf auszuüben. Es hätten auch erwachsene, aber noch nicht selbsterhaltungsfähige Kinder einen Anspruch auf Betreuung. Der Verweis des Berufungsgerichtes, daß das Einkommen der Klägerin deutlich über dem Existenzminimum liege, reiche ohne nähere Überprüfung nicht aus, um die Frage der Selbsterhaltungsfähigkeit richtig zu beurteilen, weil die Klägerin ein besonders hohes Ausmaß an Pflegeaufwand zu finanzieren und daher andere Bedürfnisse und finanzielle Aufwendungen habe, um ihr Auskommen zu bestreiten. Die durchschnittlichen Ausgaben eines körperlich Gesunden könnten nicht mit jenen eines Schwerstbehinderten verglichen werden. Auch das Pflegegeld stelle nur einen Beitrag zu den pflegebedingten Mehraufwendungen dar. Die Tatsache, daß mit dem Pflegegeld nicht der tatsächliche Aufwand zur Gänze abgedeckt werden könne, sei auch dem Gesetzgeber bewußt gewesen. Inwieweit der Umfang der Pflegeleistungen über jenen Umfang, der durch das Pflegegeld gedeckt sei, hinausgehe, hätte festgestellt werden müssen. Ein auch aus persönlichen und sittlichen Erwägungen reichlich bemessener Unterhalt bleibe Unterhalt und damit Grundlage für eine Schadenersatzpflicht nach § 1327 ABGB. Überdies sei es unverständlich, warum über die gesetzliche Verpflichtung hinaus freiwillig geleisteter Unterhalt vom Schädiger ersetzt werden solle, nicht aber jene Leistungen, die zur Gänze freiwillig erbracht werden. Dies führe zu einer unbilligen Entlastung des Schädigers, die mit den Regeln der Drittschadensliquidation nicht in Einklang zu bringen sei. Es komme nicht auf eine gesetzlich bestehende Unterhaltsverpflichtung an, sondern darauf, ob der Getötete seine Leistungen als Unterhalt verstanden habe. Schließlich sei die Klägerin mittelbar Geschädigte, weil ihr Vater nunmehr nicht in der Lage sei, jene Pflegeleistungen, die er bis zum Unfall verrichtet hatte, weiterhin zu erbringen. Es liege ein Fall einer bloßen Schadensverlagerung vor, was dazu führe, daß die Klägerin die gesamten entgangenen Pflegeleistungen von der beklagten Partei verlangen könne.

Diese Ausführungen sind zum Teil zutreffend:

Gemäß § 1327 ABGB ist im Falle einer Tötung den Hinterbliebenen, für deren Unterhalt der Getötete "nach dem Gesetze zu sorgen hatte", das, was ihnen dadurch entgangen ist, zu ersetzen. Zutreffend hat das Berufungsgericht dargelegt, daß die Worte "nach dem Gesetze" dem Willen des Gesetzgebers entsprechend bedeuten, daß der Getötete unmittelbar aufgrund eines Gesetzes zur Unterhaltsleistung verpflichtet war; insoweit kann gemäß § 510 Abs 3 ZPO auf die Ausführungen des Berufungsgerichtes hingewiesen werden. Die gegenteilige Ansicht von Koziol (Haftpflichtrecht**2 II 152), wurde von der Rechtsprechung bereits abgelehnt (JBl 1992, 44). § 1327 ABGB ist nach herrschender Ansicht eine Sondernorm, die einen nach den sonstigen Regeln bloß mittelbaren Geschädigten Ersatzansprüche einräumt (Koziol aaO 146; Reischauer in Rummel**2, Rz 2 zu § 1327 jeweils mwN). Bei dem der Klägerin durch den Tod ihres Vaters entstandenen Schaden (entgangene Pflegeleistungen) handelt es sich aber nicht um einen Fall bloßer Schadensverlagerung, weil ja das Unterbleiben der Pflegeleistungen keinen Schaden des Vaters darstellt, der nunmehr bei der Klägerin eintritt.

Da die im Fall der Tötung zustehenden Schadenersatzansprüche in § 1327 ABGB erschöpfend aufgezählt sind, kommt ein Ersatz für den Entgang dieser Leistungen nur im Rahmen des entgangenen Unterhalts in Betracht. Es ist daher nur insoweit Schadenersatz zu leisten, als die entgangenen Leistungen Unterhaltscharakter haben (SZ 42/3; ZVR 1971/102; ZVR 1976/271 uva). Dabei ist aber nicht nur auf die gesetzliche Unterhaltspflicht abzustellen, sondern sind vielmehr die tatsächlichen Unterhaltsleistungen maßgebend, wenn sie nur einigermaßen mit der gesetzlichen Unterhaltspflicht in Verhältnis gesetzt und gerechtfertigt werden können (ZVR 1994/129 mwN); es sind also die tatsächlich erbrachten, Unterhaltscharakter aufweisenden Leistungen maßgeblich, sofern sie nicht auffallend über das gesetzliche Maß des Unterhalts hinausgehen, also noch einigermaßen im Verhältnis zu diesen stehen (2 Ob 62/94 mwN).

Der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch ist daher davon abhängig, ob sie zum Zeitpunkte der Tötung ihres Vaters bereits selbsterhaltungsfähig war. Die Selbsterhaltungsfähigkeit tritt unabhängig vom Kindesalter dann ein, wenn das Kind die bei selbständiger Haushaltsführung für eine Deckung des angemessenen Lebensbedarfes erforderlichen Mittel entweder aus Vermögenserträgnissen besitzt, selbst erwirbt oder aufgrund zumutbarer Beschäftigung zu erwerben imstande ist. Solange das Kind auf die elterliche Unterkunftsgewährung oder Betreuung angewiesen bleibt, ist es noch nicht selbsterhaltungsfähig, insbesondere dann nicht, wenn es krankheitsbedingt besonders intensiver Pflege bedarf, die es selbst zu finanzieren nicht imstande ist (s Schwimann, Unterhaltsrecht, 68 mwN). Die fehlende Selbsterhaltungsfähigkeit kann ihren Grund auch darin haben, daß das Kind weiterhin auf elterliche Betreuung oder auf spezielle Erziehungshilfen angewiesen ist. Auch die Betreuungsleistungen der Eltern stellen nämlich gemäß § 140 Abs 2 ABGB einen Teil des dem Kind zustehenden Unterhalts dar. Selbsterhaltungsfähig ist daher ein Kind nur dann, wenn es - auf sich allein gestellt - mit seinen Einkünften auch den fiktiven Geldaufwand zur Erlangung notwendiger Pflege- und Erziehungsleistungen decken könnte (EFSlg 68.475 ua). Reichen die eigenen Einkünfte des Kindes zur vollen Deckung seiner Bedürfnisse in diesem Sinn nicht aus, dann kommt gemäß § 140 Abs 3 erster Halbsatz ABGB nur eine Minderung der Unterhaltsverpflichtung in Frage (ÖA 1995, 152 U 128 mwN). Es kann daher - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes - trotz der abgeschlossenen Berufsausbildung der Klägerin und trotz des weit über dem Existenzminimum liegenden Einkommens noch nicht beurteilt werden, ob die Klägerin selbsterhaltungsfähig ist. Hiezu bedarf es vielmehr einer Gegenüberstellung aller Lebensbedürfnisse der Klägerin, also auch des fiktiven Geldaufwandes zur Erlangung notwendiger Pflegeleistungen, mit ihren eigenen Einkünften. Dazu gehört insbesondere auch das Pflegegeld, zumal es gemäß § 1 BPGG gerade zur Abdeckung pflegebedingter Mehraufwendungen bestimmt ist. Insoweit das eigene Einkommen zur Deckung der Bedürfnisse der Klägerin nicht ausreicht, ist davon auszugehen, daß ihr der Vater "nach dem Gesetze" im Sinne des § 1327 ABGB Unterhalt leistete.

Der vom Berufungsgericht für die Klagsabweisung allein herangezogene Umstand, daß die Klägerin aufgrund ihres notorischen Einkommens selbsterhaltungsfähig sei, ist sohin nicht zutreffend, sodaß dessen Entscheidung aufzuheben und ihm eine neuerliche Entscheidung aufzutragen war. Eine Sachentscheidung durch den Obersten Gerichtshof ist noch nicht möglich, weil das Berufungsgericht die Tatsachenfeststellungen des Erstgerichtes nicht übernommen hat.

Die Entscheidung über die Kosten gründet sich auf § 52 ZPO.

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