OGH 7Ob2400/96h

OGH7Ob2400/96h2.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Gerhard M*****, vertreten durch Dr.Michael Ambrosch, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Susanne H*****, und 2. Judith H*****, beide vertreten durch Dr.Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Nichtigkeit eines Vergleiches, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 30.Jänner 1996, GZ 41 R 137/95 (neu: 41 R 1057/95k)-21, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom 14.Dezember 1994, GZ 5 C 836/94z-17, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien haben die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Erstbeklagte war zunächst Alleineigentümerin des Hauses in Wien, M*****gasse *****. Mit Schenkungs- und Wohnungseigentumsvertrag vom 3.12.1991 schenkte sie 24/914-Anteile der Zweitbeklagten. Zugleich wurde Wohnungseigentum dahin begründet, daß mit dem Anteil der Zweitbeklagten das Wohnungseigentum an der Wohnung Nr 17 und mit dem Anteil der Erstbeklagten das Wohnungseigentum an den anderen Wohnungen verbunden ist. Der diesbezügliche Grundbuchsantrag langte am 16.4.1992 bei Gericht ein und wurde am 21.4.1992 bücherlich vollzogen.

Die Erstbeklagte schloß zunächst mit dem Kläger hinsichtlich der Wohnung Nr 8 einen Mietvertrag für den Zeitraum vom 15.4.1991 bis 14.4.1992 ab. Am 9.4.1992 schlossen dieselben Parteien abermals einen Mietvertrag für die Dauer vom 15.4.1992 bis 14.4.1994 ab, wobei festgehalten wurde, daß der Mietvertrag zu Studienzwecken geschlossen und bei Ablauf des 14.4.1994 ohne Kündigung erlöschen werde; sollte aber das Studium frühzeitig beendet oder abgebrochen werden, werde gleichzeitig auch der Mietvertrag erlöschen. Dem Kläger wurde bei Abschluß des Vertrages eine Kopie desselben ausgehändigt. Der Mietvertrag wurde am 10.4.1992 beim Finanzamt zur Vergebührung angezeigt. Am 29.4.1992 schlossen die Erstbeklagte und der Kläger einen gerichtlichen Räumungsvergleich, in dem sich der Kläger verpflichtete, die Wohnung bis 14.4.1994 zu räumen. Dem Kläger war damals nicht bekannt, daß die im Mietvertrag enthaltene Befristung auf zwei Jahre nicht dem MRG entsprach. Er war der Meinung, daß er die Wohnung zum vereinbarten Mietvertragsende ohnehin räumen müsse, weshalb er sich auch gerichtlich hiezu verpflichtete. Bei oder nach der Unterfertigung des gerichtlichen Räumungsvergleiches erhielt er eine weitere Ausfertigung des Mietvertrages, der inzwischen vergebührt worden war. Das aufgrund des Räumungsvergleiches von der Erstbeklagten eingeleitete Räumungsverfahren ist derzeit aufgeschoben.

Der Kläger begehrte die Feststellung, daß der gerichtliche Räumungsvergleich vom 29.4.1992 nichtig sei. Die Ausfertigung des Vertrages an den Kläger und auch die Verlängerung des ursprünglichen Mietvertrages seien davon abhängig gemacht worden, daß der Kläger einen Räumungsvergleich schließe. Die Mietvertragsurkunde sei dem Kläger erst nach Abschluß des Räumungsvergleiches ausgefolgt worden. Überdies sei der Räumungsvergleich vom Kläger nur deshalb unterfertigt worden, weil er sich in einem Rechtsirrtum befunden habe. Er habe nämlich nicht gewußt, daß eine Mietvertragsverlängerung auf weitere zwei Jahre nach den damaligen mietrechtlichen Bestimmungen nicht zulässig gewesen sei. Weiters sei der Vertrag auf die Dauer des Studiums abgeschlossen worden, das der Kläger noch nicht beendet habe.

Die Beklagten beantragten Klagsabweisung und bestritten das Vorbringen.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Der Kläger sei zwar bei Abschluß des Räumungsvergleiches nicht unter Zwang gestanden. Der Vergleich sei aber wegen des vorliegenden Irrtums des Klägers, nämlich der irrigen Rechtsmeinung, daß der Mietvertrag wirksam auf zwei Jahre befristet werden könne, nichtig.

Das Gericht zweiter Instanz änderte dieses Urteil im Sinn einer Klagsabweisung ab und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Die Befristung des Mietverhältnisses auf zwei Jahre widerspreche an sich dem Wesen eines "Studentenmietvertrages" im Sinn des § 29 Abs 2 MRG. Die vereinbarte Befristung sei jedoch nicht unwirksam, sondern könne nur nicht seitens des Mieters durchgesetzt werden. Die einvernehmliche Auflösung des Bestandverhältnisses durch gerichtlichen Vergleich sei wirksam, zumal der sich im Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses im Besitz der Mietrechte befindliche Mieter nicht unter wirtschaftlichem Druck gestanden sei. Die vergleichsweise Regelung betreffe die Bereinigung des Streitpunktes, welche einer Irrtumsanfechtung nicht zugänglich sei. § 29 MRG stehe daher der einvernehmlichen Auflösung des Mietverhältnisses nicht entgegen. Gegen die Zweitbeklagte sei das Klagebegehren überdies deshalb unberechtigt, weil die Erstbeklagte zunächst Alleineigentümerin gewesen sei und in weiterer Folge Wohnungseigentum an der vom Kläger gemieteten Wohnung erworben habe.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Klägers ist entgegen dem diesbezüglichen Ausspruch des Gerichtes zweiter Instanz mangels erheblicher Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes steht der Kündigungsschutz des MRG der einverständlichen Auflösung nur insoweit entgegen, als es der Schutzzweck verlangt. Daher ist die während des Bestandverhältnisses bzw nach Übergabe der Sache an den Mieter (8 Ob 501/91) abgegebene Erklärung der einverständlichen Auflösung in der Regel wirksam (MietSlg 23.477, 30.166, 34.508), auch wenn sie erst zu einem späteren Zeitpunkt wirksam werden soll (MietSlg 30.166; Würth in Rummel2 I, Rz 3 vor § 1112 ABGB mwN). § 29 Abs 1 Z 3 und Abs 3 MRG schließen nicht aus, daß der Mieter vor Ablauf des Mietvertrages die Verpflichtung übernimmt, das Mietobjekt zu einem bestimmten Termin zu räumen und damit auf die ihm zustehenden Vorteile verzichtet. Die Absicht des Gesetzes geht nur dahin, den Mieter gegen eine einseitige willkürliche Auflösung des Mietvertrages durch den Vermieter sowie gegen alle Umgehungshandlungen, mit denen dasselbe Ergebnis erreicht wird, wie zB den Abschluß eines Räumungsvergleiches vor Abschluß des Mietvertrages oder gleichzeitig mit diesem zu schützen. Eine Auflösungsvereinbarung ist auch dann gültig, wenn sie nicht sofort realisiert wird. Der Mieter darf dabei nur nicht unter Druck gestanden sein. Unter einem solchen Druck steht er solange, als der Mietvertrag nicht in allen seinen Teilen perfekt ist (1 Ob 760/83, 2 Ob 580/87; SZ 63/42 ua).

Im vorliegenden Fall war das Mietobjekt im Zeitpunkt des Abschlusses des Räumungsvergleiches bereits übergeben und die Bestandzeit des ersten Mietvertrages abgelaufen. Die Behauptung des Klägers, daß die Erstbeklagte den Abschluß und die Ausfolgung des Mietvertrages bzw die Verlängerung des ersten Mietvertrages davon abhängig gemacht habe, daß der Kläger den Räumungsvergleich abschließe, ist durch die Feststellungen der Vorinstanzen widerlegt, daß der zweite Mietvertrag vor dem Vergleichsabschluß in allen Details geschlossen wurde und dem Kläger auch eine Kopie dieses Vertrages ausgehändigt wurde. Letztere Feststellungen wurden in der Berufungsbeantwortung des Klägers nicht bekämpft. In seiner Revision weist der Kläger zwar darauf hin, daß er nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes eine Bekämpfung der erstgerichtlichen Feststellungen noch in der Revision nachtragen könne, führt aber nicht aus, welche konkrete Feststellung er bekämpft, infolge welcher unrichtiger Beweiswürdigung sie getroffen wurde und aufgrund welcher Beweisergebnisse und Erwägungen allenfalls anderslautende Feststellungen zu treffen gewesen wären, sodaß eine Beweisrüge nicht zulässig ausgeführt wurde (vgl Kodek in Rechberger, ZPO, Rz 8 zu § 471 ZPO).

Soweit in der Revision ausgeführt wird, es lägen sekundäre Feststellungsmängel vor, weil nicht festgestellt worden sei, daß der Kläger bei Abschluß des Räumungsvergleiches unter Druck gestanden sei, ist darauf hinzuweisen, daß der hiefür behauptungs- und beweispflichtige Kläger nichts anderes vorgebracht hat als die - nicht erwiesene - Behauptung, es sei die Vertragsverlängerung und die Ausfertigung der Vertragsurkunde vom Abschluß des Vergleiches abhängig gemacht worden.

Abgesehen davon, daß der Kläger im Verfahren erster Instanz den Mietvertrag offenbar selbst als Studentenmietvertrag qualifiziert hat (AS 49), kann nach den dargestellten Rechtsgrundsätzen dahingestellt bleiben, ob ein solcher vorliegt oder nicht, weil die einvernehmliche Auflösung auch nicht durchsetzbar befristeter Mietverträge ohne Rücksicht darauf zulässig ist, ob es sich um einen Mietvertrag im Sinn des § 29 Abs 2 MRG handelt oder nicht.

Das Gericht zweiter Instanz hat ebenfalls zutreffend dargelegt, daß ein Irrtum gerade über die streitigen Punkte - den Fall der arglistigen Irreführung ausgenommen, für den es im vorliegenden Fall keinerlei Anhaltspunkte gibt - nicht zur Anfechtung eines Vergleiches führen kann. Es ist auch die Anfechtung wegen Rechtsirrtums einer Partei ausgeschlossen (Ertl in Rummel2 II, Rz 1 zu § 1385 ABGB; JBl 1990, 333 mwN). Der Irrtum des Klägers über die Gesetzeslage betreffend die Unwirksamkeit der Befristung des Mietvertrages ist daher kein geeigneter Grund, den Räumungsvergleich anzufechten, bei dem es ja gerade um die von der Bereinigungswirkung des Vergleiches umfaßte Frage des Endtermines des Bestandverhältnisses ging.

Der zweite Mietvertrag und damit die Verlängerung der im ersten Mietvertrag vereinbarten Mietdauer über ein Jahr hinaus war längst perfektioniert, als der Räumungsvergleich geschlossen wurde. In 7 Ob 731/88 = WoBl 1987/31 wurde zwar dargelegt, daß der in ständiger Rechtsprechung judizierte Satz, die Kündigungsbeschränkungen des MRG könnten nicht durch eine vor oder mit Mietvertragsabschluß vom Mieter übernommene Räumungsverpflichtung umgangen werden, auch dann gelte, wenn die Räumungsverpflichtung zugleich mit der Verlängerung eines gemäß § 1 Abs 2 Z 3 MRG von der Anwendung des MRG gänzlich ausgenommenen Mietverhältnisses vereinbart werde. Anders als in dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall war hier aber der zweite Mietvertrag und damit die Verlängerung der im ersten Mietvertrag vereinbarten Dauer über ein Jahr hinaus längst perfektioniert, als der Räumungsvergleich geschlossen wurde, sodaß die in der zitierten Entscheidung zum Tragen kommenden Erwägungen auf den vorliegenden Fall nicht übertragen werden können.

Da die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes entspricht, war die Revision zurückzuweisen.

Gemäß §§ 40 und 50 ZPO haben die beklagten Parteien die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen, weil auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen wurde.

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