OGH 7Ob2343/96a

OGH7Ob2343/96a2.4.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dr.Gabriela K*****, 2. Dr.Roland N*****, beide vertreten durch Dr.Peter Scheichelbauer und Dr.Alois Eichinger, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagten Parteien 1. Ernestine P*****, 2. Karin P*****, beide vertreten durch Dr.Hubert Sacha, Rechtsanwalt in Krems, wegen S 73.009,02 sA und Räumung, infolge außerordentlicher Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 29.Mai 1996, GZ 41 R 342/96i-14, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 23.Februar 1996, GZ 44 C 336/95d-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind wie Kosten des Verfahrens erster Instanz zu behandeln.

Text

Begründung

Die Kläger sind Mehrheitseigentümer des Hauses Wien *****. Mit den Beklagten wurde am 22.12.1987 ein Mietvertrag über die Wohnung top 16 und 17 in diesem Haus abgeschlossen. § 12 des Mietvertrages lautet:

1. Der Mieter ist berechtigt, auf eigene Kosten und unter Einhaltung der Bestimmungen der Bauordnung für Wien in den Mietgegenstand ein Badezimmer und sogar eine Toilette einzubeziehen.

2. Für den Zeitraum der Sanierung des Mietgegenstandes, jedoch längstens bis 31.3.1988 sind für das Objekt keine Mieten zu entrichten.

3. Dem Mieter wird für das Objekt ein Weitergaberecht im Sinne der einschlägigen Bestimmungen des Mietrechtsgesetzes eingeräumt.

Die Beklagten beabsichtigten, die Wohnung zu adaptieren und die Mietrechte an Peter L***** weiterzugeben. Am 29.9.1992 teilten sie und Peter L***** der Hausverwalterin Inge K***** mit, daß die Beklagten die Mietrechte aufgrund des Weitergaberechts laut § 12 Punkt 3 dieses Mietvertrags Peter L***** übertragen hätten, welcher das Mietverhältnis mit Wirkung vom 1.9.1992 fortsetze.

Der Klagevertreter antwortete Peter L***** darauf, daß er als Nachmieter nicht akzeptiert werde und die Kläger nicht bereit seien, das Mietverhältnis mit ihm fortzusetzen. Die Beklagten seien bereits darauf aufmerksam gemacht worden, daß das Weitergaberecht ohne Rücksprache und Zustimmung der Hauseigentümer in den Mietvertrag aufgenommen worden sei. Als unübliche Bedingung sei es daher nicht wirksam vereinbart worden.

Peter L***** zahlte ab Oktober 1992 den Zins an die Hausverwaltung K*****, der allerdings zurückgewiesen wurde. Nachdem ihm mitgeteilt worden war, daß Zahlungen von ihm als Benützungsentgelt angenommen werden könnten, wurden die darauffolgenden Zahlungen bis einschließlich November 1993 angenommen. Seit Dezember 1993 entstanden Zahlungsrückstände.

Am 17.11.1994 ergingen Mahnschreiben an beide Beklagte, mit denen ein Mietzinsrückstand von S 25.662,52 geltend gemacht wurde. Darin wurde den Beklagten auch mitgeteilt, daß in einem Prozeß gegen den Nachmieter (44 C 19/93h des Erstgerichts) überraschenderweise ausgeführt worden sei, daß die Beklagten noch immer als Mieterinnen der Wohnung zu betrachten seien. Diese Mahnungen sind den Beklagten zugekommen. Am 20.2.1995 mahnte die Hausverwaltung neuerlich den Zinsrückstand von nunmehr S 27.078 ein. Da eine Postsendung an die Erstbeklagte in der Zwischenzeit wegen Adreßänderung nicht zustellbar war, wurde das an die Erstbeklagte gerichtete zweite Mahnschreiben an die Anschrift der Zweitbeklagten gerichtet. Auch auf diese Mahnungen erfolgten keine Zahlungen. Der Zinsrückstand bis einschließlich Jänner 1996 beträgt nunmehr S 70.009,52.

Gegen die Beklagten wurde bisher keine Kündigung oder Räumungsklage eingebracht; das Bestandverhältnis zu den Beklagten wurde auch nicht einvernehmlich aufgelöst.

Die Kläger begehren von den Beklagten die Zahlung des Zinsrückstandes von S 70.009,52 sA und die Räumung der Wohnung gemäß § 1118 ABGB.

Die Beklagten beantragen die Abweisung beider Klagebegehren. Sie seien für die vorliegende Klage passiv nicht legitimiert, weil Peter L***** Mieter der Wohnung sei. Der Mietzins sei überdies nicht ordnungsgemäß vorgeschrieben worden. Der geltend gemachte Rückstand bleibe der Höhe nach jedoch unbestritten.

Das Erstgericht gab dem Zahlungs- und Räumungsbegehren statt. Aus seinem Verfahren 44 C 19/93 gegen Peter L***** ergebe sich, daß das Mietverhältnis mit den Beklagten noch immer aufrecht sei. Aus der Mitteilung an die Hausverwaltung, daß das Mietrecht an Peter L***** übertragen werde, könne nicht abgeleitet werden, daß die Beklagten das Mietverhältnis beenden hätten wollen. § 12 Punkt 3 des Mietvertrages enthalte kein Weitergabe-, sondern nur ein Präsentationsrecht. Für die Übertragung des Mietrechts wäre daher die Zustimmung der Hauseigentümer erforderlich gewesen, welche aber nicht vorliege. Auch sonst sei es zu keiner Beendigung des Mietverhältnisses mit den Beklagten gekommen. Die Kläger seien daher berechtigt, den Mietzins von den Beklagten als ihren unmittelbaren Vertragspartnern zu fordern. Daß die Zinsvorschreibungen der Erstbeklagten wegen Adreßänderung nicht zugekommen seien, sei ohne rechtliche Bedeutung. Die Mahnungen aber hätten die Beklagten erhalten.

Das Berufungsgericht verwarf die Berufung der Beklagten wegen Nichtigkeit, gab ihr im übrigen nicht Folge und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Eine nicht weiter beschränkte Vollmacht zur Verwaltung eines Hauses berechtige zu Vertretungshandlungen, die die Verwaltung erfordere und mit ihr gewöhnlich verbunden seien. Ausgeschlossen seien außerordentliche Verwaltungsmaßnahmen und solche Maßnahmen der ordentlichen Verwaltung, die nicht gewöhnlich mit der getroffenen Verwaltungsart verbunden seien. Die Hausverwaltungsvollmacht berechtige somit bloß zum Abschluß von Mietverträgen, die gewöhnliche Bedingungen enthielten. Außergewöhnlich seien Vertragsbedingungen, wenn sie nach objektiven Überlegungen bei vergleichbaren Mietgegenständen und vergleichbaren Vertragsinhalten nicht oder jedenfalls nur äußerst selten vereinbart würden. Die hier beabsichtigte Einräumung eines unbefristeten Weitergaberechts sei im Rahmen der sonst vom Regelfall nicht wesentlich abweichenden Vertragsgestaltung nur dann gewöhnlich, also ortsüblich, wenn hiefür eine besondere Gegenleistung erfolgt wäre. Es entspreche auch der Interessenlage eines durchschnittlichen Vermieters, daß dem Wechsel des Vertragspartners im Dauerschuldverhältnis, auch wenn jenem eine frühere Zustimmung des Bestandgebers zugrundegelegen sei, finanzielle Vorteile gegenüberstünden. Ebenso sei es für einen durchschnittlichen Mieter von Interesse, einen im Vergleich zu § 10 MRG oder § 1097 ABGB besseren Investitionsablöseanspruch gegenüber einem von ihm präsentierten neuen Mieter zu erwerben. Werde dem Mieter aber eine derartige Erweiterung seiner Rechte unter völliger Hintanstellung der Interessen des Vermieters eingeräumt, widerspreche das der typischen Interessensituation der Beteiligten in einem solchen Maß, daß eine ungewöhnliche Vertragsgestaltung vorliege. Ob für die Einräumung eines Weitergaberechts geleistete Zahlungen, die dem Vertragsinhalt die Ungewöhnlichkeit nehmen könnten, als unzulässige Ablösen anzusehen wären, brauche hier nicht beurteilt zu werden, weil auch eine gewöhnliche Hausverwaltervollmacht zur Annahme selbst unzulässiger Ablösezahlungen namens des Vermieters berechtige.

Mangels ausreichender Vollmacht des Hausverwalters sei das Weitergaberecht somit nicht wirksam vereinbart worden. Die Beklagten seien daher von den Klägern, die einem Mieterwechsel nicht zugestimmt hätten, zu Recht in Anspruch genommen worden.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von den Beklagten erhobene außerordentliche Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, weil das Berufungsgericht einen Sachverhalt beurteilt hat, der gar nicht festgestellt wurde.

Das Erstgericht hat lediglich festgestellt, daß mit den Beklagten "ein Mietvertrag abgeschlossen wurde", dessen § 12 die Einräumung eines Weitergaberechts an die Beklagten enthält. Das Berufungsgericht ist - aufgrund der Ergebnisse des von den Klägern gegen Peter L***** geführten Vorprozesses (44 C 19/93h des Erstgerichtes) - davon ausgegangen, daß die Kläger als Vermieter bei Abschluß des Mietvertrages durch einen Hausverwalter vertreten waren, und hat daraus geschlossen, daß die Einräumung des Weitergaberechts für die Kläger nicht wirksam erfolgt sei. Die Ergebnisse des gegen den Nachmieter geführten Vorprozesses sind aber im vorliegenden Verfahren, in welchem die Vormieter auf Zinszahlung und Räumung in Anspruch genommen werden, nicht bindend. Weder der Umstand, daß die Kläger beim Abschluß des Mietvertrages mit den Beklagten durch den damaligen Hausverwalter vertreten waren, noch der Umfang dessen Vollmacht stehen fest. Aus den Feststellungen über den aus Anlaß der Ausübung des Weitergaberechts geführten Schriftverkehr kann nicht der Schluß gezogen werden, daß die dort vom Klagevertreter aufgestellten Behauptungen über das Zustandekommen des Mietvertrages zutreffen. Die Feststellung, daß die Beklagten bisher nicht gekündigt wurden, gegen sie keine Räumungsklage eingebracht und der Bestandvertrag auch nicht einvernehmlich aufgelöst wurde, besagt aber auch nicht, daß der Mietvertrag mit den Beklagten durch Übertragung der Mietrechte in Ausübung des Weitergaberechts nicht geendet haben könnte. Im fortgesetzten Verfahren sind daher Feststellungen über die allfällige Vertretung der Kläger beim Abschluß des Mietvertrages mit den Beklagten und den Umfang einer allfälligen Verwaltervollmacht zu treffen.

Sollte das weitere Verfahren ergeben, daß die Kläger durch einen Hausverwalter mit Hausverwaltervollmacht vertreten waren, und wäre der Abschluß des Mietvertrages nicht dem Bereich der ordentlichen Verwaltung zuzuordnen, dann müßte auch noch geprüft werden, ob den Beklagten die Beschränkung der Verwaltervollmacht auf die ordentliche Verwaltung bekannt oder grob fahrlässig nicht bekannt war. Mißbraucht nämlich der Vertreter seine Vertretungsmacht, so wird dadurch die Gültigkeit des vom Vertreter mit dem Dritten abgeschlossenen Geschäfts im allgemeinen aus Gründen des Verkehrschutzes nicht berührt. Das gilt nur dann nicht, wenn der Dritte vom Vollmachtsmißbrauch des Vertreters Kenntnis hatte, weil er dann nicht schutzwürdig ist (WoBl 1996, 31/4; SZ 64/13; SZ 62/218 mwN; SZ 58/123). Der Vertretungsakt ist nach herrschender Auffassung auch ohne arglistiges Zusammenwirken ungültig, wenn der Dritte den (bewußten) Mißbrauch, das pflichtwidrige Handeln des Vertreters zum Nachteil des Vertretenen, kannte oder ihm der Mißbrauch nur aus grober Fahrlässigkeit unbekannt blieb (Koziol/Welser10 I 176 mwN; WoBl 1996, 31/4).

Hat der Hausverwalter die Vertretungsmacht mißbraucht und kannten die Beklagten diesen Mißbrauch oder blieb er ihnen aus grober Fahrlässigkeit verborgen, ist erst zu prüfen, ob die Einräumung eines unbeschränkten Weitergaberechts im vorliegenden Mietvertrag als Maßnahme der ordentlichen Verwaltung anzusehen ist oder nicht. Ob hier in der Einräumung eines Weitergaberechts eine Maßnahme der ordentlichen Verwaltung zu erblicken ist, kann mangels jeglicher Anhaltspunkte dafür noch nicht beurteilt werden (vgl dazu WoBl 1996, 31/4; WoBl 1992, 121/88; WoBl 1991, 208/124).

Daher war dem Erstgericht eine neuerliche, nach Verfahrensergänzung zu treffende Entscheidung aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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