OGH 9ObA30/97w

OGH9ObA30/97w26.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer und Dr.Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Wilhelm Koutny und Heinrich Dürr als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Sylvia S*****, Sekretärin, *****, vertreten durch Dr.Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei W***** Gesellschaft mbH *****, vertreten durch Dr.Martin Holzer, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen S 38.695,19 brutto sA (Revisionsinteresse S 20.121,50 brutto sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 30.Oktober 1996, GZ 8 Ra 143/96b-17, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 22.Jänner 1996, GZ 22 Cga 121/95v-12, teils bestätigt und teils abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 3.655,68 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 609,28 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war vom 2.4.1990 bis 31.7.1995 bei der Beklagten als Angestellte beschäftigt. Das Dienstverhältnis, auf das der Kollektivvertrag für Angestellte im Baugewerbe anzuwenden ist, endete durch Arbeitgeberkündigung. Die Klägerin war vom 13.9.1994 bis 16.7.1995 durchgehend im Krankenstand. Ab 23.11.1994 hatte sie keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung mehr. Die Beklagte zahlte ihr eine Abfertigung im Ausmaß von zwei Monatsentgelten und die gesamten Sonderzahlungen für 1994. Von den Sonderzahlungen für 1995 erhielt die Klägerin nur den aliquoten Anteil für die Zeit vom 16.7. bis zum 31.7.1995. Der Anspruch auf Abfertigung in der Höhe eines weiteren Monatsgehaltes beträgt S 20.121,50 brutto, der Sonderzahlungsanspruch für den Zeitraum 1.1. bis 16.7.1995 S 18.573,69.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten S 38.695,19 brutto sA. Da ihr Dienstverhältnis ununterbrochen mehr als fünf Jahre gedauert habe, stehe ihr ein weiteres Monatsentgelt an Abfertigung zu. Nach dem Kollektivvertrag habe sie überdies Anspruch auf die aliquoten Sonderzahlungen für die Zeit vom 1.1. bis zum 16.7.1995.

Die Beklagte beantragte, das Klagebegehren abzuweisen. Für die Zeit nach Erlöschen der Entgeltfortzahlungspflicht bestehe kein Anspruch auf Sonderzahlungen. Da die Entgeltpflicht vor Beginn des fünften Dienstjahres zur Gänze erloschen sei, stehe der Klägerin auch die von ihr begehrte weitere Abfertigung in der Höhe eines dritten Monatsentgeltes nicht zu.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren - abgesehen von der Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens - statt. Bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen gebühre gemäß § 23 AngG nach fünf Dienstjahren eine Abfertigung in der Höhe des Dreifachen des letzten Monatsentgeltes. Die ununterbrochene Dauer des Arbeitsverhältnisses werde durch dessen rechtlichen Bestand gekennzeichnet und nicht durch die Tatsache der Beschäftigung. Demgemäß fielen in die Dauer des Arbeitsverhältnisses auch Zeiten, während derer der Arbeitnehmer durch Krankheit an der Dienstleistung verhindert sei. Nach dem Kollektivvertrag stünden der Klägerin auch die begehrten aliquoten Sonderzahlungen zu.

Das Berufungsgericht gab einer von der Beklagten gegen dieses Urteil erhobenen Berufung teilweise statt. Es bestätigte den Zuspruch von S 20.121,50 brutto sA (restliche Abfertigung) und wies das Mehrbegehren von S 18.573,69 brutto sA (anteilige Sonderzahlungen) ab. Ferner sprach es aus, daß die Revision nach § 46 Abs 1 ASGG zulässig sei.

Zum Abfertigungsanspruch der Klägerin - nur dieser ist Gegenstand des Revisionsverfahrens - verwies das Berufungsgericht primär auf die rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes. Überdies vertrat es die Rechtsauffassung, daß angesichts der Staffelung des Abfertigungsausmaßes je nach Dauer der zurückgelegten Dienstzeit und dem Fehlen von Aliquotierungsbestimmungen nicht von einem sukzessiven Erwerb von Abfertigungsanwartschaften ausgegangen werden könne, sodaß eine Umlegung auf laufendes Entgelt für die Tag für Tag geleistete Arbeit nicht möglich sei.

Die Revision nach § 46 Abs 1 ASGG sei zuzulassen, da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Dienstzeitenanrechnung entgeltfreier Zeiten für den Abfertigungsanspruch nicht vorliege.

Gegen den den Zuspruch der restlichen Abfertigung bestätigenden Teil des Berufungsurteils richtet sich die Revision der Beklagten wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung im Sinne der gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen bzw ihr keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, da der Oberste Gerichtshof zur Frage, ob Zeiten, während derer der Arbeitnehmer durch Krankheit an der Dienstleistung verhindert war, in die für das Entstehen des Abfertigungsanspruchs maßgebende Dauer des Arbeitsverhältnis einzurechnen sind, bislang noch nicht Stellung genommen hat. Die in der Revisionsbeantwortung hiezu angeführten Entscheidungen betreffen die hier nicht strittige Frage, welches Entgelt der Berechnung der Abfertigung zugrunde zu legen ist, wenn der Arbeitnehmer infolge Krankheit, Unglücksfall oder aus anderen wichtigen Gründen gehindert war, im letzten Monat des Dienstverhältnisses sein Entgelt in vollem Umfang zu verdienen.

Die Revision ist aber nicht berechtigt.

§ 23 Abs 1 AngG macht den gestaffelten Abfertigungsanspruch von der ununterbrochenen Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängig. Diese ununterbrochene Dauer ist durch den rechtlichen Bestand des Arbeitsverhältnisses gekennzeichnet, nicht aber - wie der Oberste Gerichtshof für Zeiten einer Karenzierung ausgesprochen hat (SZ 62/46) - durch die Tatsache der Beschäftigung (ebenso Martinek/ Schwarz/Schwarz, AngG6 443; Migsch, Abfertigung für Arbeiter und Angestellte Rz 220; Schwarz/Löschnigg, Arbeitsrecht5 308). Den hier zu beurteilenden Fall der Krankheit des Arbeitnehmers anders zu behandeln, besteht keine Veranlassung.

Die Ausführungen der Revisionswerberin sind nicht geeignet, dieses Ergebnis in Frage zu stellen. Die ins Treffen geführten Regelungen für die Abfertigung von Bauarbeitern betreffen anders gelagerte Sachverhalte. Aus dem Kollektivvertrag ableitbare Wertungen der Kollektivvertragspartner sind hier schon deshalb nicht relevant, weil sich der Anspruch der Klägerin nicht aus dem Kollektivvertrag, sondern aus § 23 AngG ableitet.

Der Revision war daher keine Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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