OGH 14Os21/97

OGH14Os21/9725.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 25.März 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Massauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Mayrhofer, Dr.E.Adamovic, Dr.Holzweber und Dr.Ratz als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Hofbauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Cafer G***** wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 87 Abs 1, Abs 2 zweiter Fall und 15 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerden des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Schöffengericht vom 20.Jänner 1997, GZ 36 Vr 3.017/96-99, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Text

Gründe:

In der Anklageschrift legt die Staatsanwaltschaft dem türkischen Staatsangehörigen Cafer G***** als Verbrechen der teils vollendeten (1.), teils versuchten (2.) absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 87 Abs 1, Abs 2 (zweiter Fall) und 15 StGB zur Last, er habe am 1.August 1992 in Innsbruck durch Versetzen von Stichen mit einem ca 40 cm langen Messer eine schwere Körperverletzung absichtlich

1. dem Johann K***** zugefügt (mindestens 20 cm langer Stich durch die linke seitliche Bauchwand mit Eröffnung des Bauch- und Brustraumes), wobei die Tat den Tod des Geschädigten zur Folge hatte;

2. dem Gerhard S***** zuzufügen versucht, wobei die Tat nur eine leichte Körperverletzung (Stichverletzung an der Außenseite der rechten Beckenkammerregion) zur Folge hatte.

Mit dem angefochtenen Urteil sprach das Landesgericht Innsbruck gemäß § 261 Abs 1 StPO seine Nichtzuständigkeit aus, weil die der Anklage zugrundeliegenden Tatsachen in Verbindung mit den in der Hauptverhandlung hervorgekommenen Umständen einen bedingten Tötungsvorsatz des Angeklagten hinsichtlich Johann K***** und damit das in die Zuständigkeit des Geschworenengerichtes fallende Verbrechen des Mordes nach § 75 StGB begründen könnten.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte und zu seinen Gunsten auch die Staatsanwaltschaft bekämpfen dieses Urteil mit Nichtigkeitsbeschwerde aus dem Grunde der Z 6, Cafer G***** überdies aus der Z 4 des § 281 Abs 1 StPO.

Mit der Verfahrensrüge (Z 4) wendet sich der Angeklagte gegen die Abweisung seines Beweisantrages auf Einvernahme der Zeugin N.H***** zur Frage, ob in der Nacht vom 31.Juli auf den 1.August 1992 ein Taxi vom Lokal aus bestellt wurde (S 99/II). Schon weil es diesem Antrag an der nötigen - weder in der Nichtigkeitsbeschwerde noch in der nach § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung nachholbaren - Präzisierung zur Prüfung seiner Relevanz mangelte, wurden Verteidigungsrechte des Angeklagten durch das Zwischenerkenntnis nicht verletzt.

Aber auch das beiderseitige eigentliche Beschwerdevorbringen (Z 6) versagt.

Voraussetzung eines Unzuständigkeitsurteiles ist ein Anschuldigungsbeweis, welcher dann erbracht ist, wenn die Verfahrensergebnisse bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabes die Annahme der Erfüllung aller Merkmale eines in die Zuständigkeit des Geschworenengerichtes fallenden Straftatbestandes als naheliegend erkennen lassen (SSt 56/9 = RZ 1995/46; Foregger/Kodek StPO6 § 261 Anm I mwN). Ob die angeklagte Tat nach § 87 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB oder nach § 75 StGB zu beurteilen ist, hängt allein von der inneren Tatseite des Täters ab. Soweit die äußeren Begleitumstände ersichtlich auch den Tatentschluß in Richtung Mord zulassen, liegen im Regelfall die Voraussetzungen für ein Unzuständigkeitsurteil des Schöffengerichtes vor (Mayerhofer StPO4 § 261 E 11).

Daß das äußere Tatgeschehen im konkreten Fall in bezug auf Johann K***** auf Grund des - durch ein gerichtsmedizinisches Sachverständigengutachten objektivierten (S 205 f/I) - wuchtigen und tiefen Messerstiches in die Herzgegend dieses Tatopfers einen Tötungsvorsatz indiziert, kann nicht ernsthaft bezweifelt werden.

Gegen die von der Staatsanwaltschaft (ohne nähere Begründung) in ihrer Anklage dennoch vertretene Auffassung, daß der Angeklagte bei Zufügung der Stiche auch in diesem Fall lediglich in der Absicht handelte, am Körper schwer zu verletzen, führt das Schöffengericht in seinem Unzuständigkeitsurteil aktenkonform Beweismittel ins Treffen, die insoweit einen zumindest bedingten Tötungsvorsatz nahelegen:

Schon allein die vom Zeugen Hüseyin Y***** behaupteten erheblichen Spielschulden des Angeklagten bei K***** (S 91 f/II), der darüber vor der Tat entbrannte heftige Streit und die Behauptung des Gerhard S*****, der Angeklagte sei mit einem "Kampfschrei" bzw den Worten:

"Du tot - ich tot", auf ihn und K***** losgestürmt (S 23, 138, 474/I, 77/II), lassen bei Anlegung eines realitätsbezogenen Maßstabes sehr wohl auf das Vorliegen eines Tötungsvorsatzes schließen. Daran würde auch der Umstand nichts ändern, daß der erwähnte Schrei allenfalls nur dem Zeugen S***** gegolten hätte; vielmehr wäre in Erwägung zu ziehen, ob die Angriffshandlungen nicht überhaupt generell von einem Tötungsvorsatz getragen waren.

Dieser Verdachtslage vermögen weder der Angeklagte noch die Staatsanwaltschaft mit ihren Beschwerdeausführungen Stichhaltiges entgegenzusetzen. Die von Cafer G***** vorgebrachte Notwehrverantwortung macht - abgesehen davon, daß sie jedenfalls in bezug auf die Art der behaupteten Abwehrhandlungen durch das gerichtsmedizinische Sachverständigengutachten nicht gestützt wird (S 97/II) - keine der in Frage stehenden subjektiven Varianten wahrscheinlicher und kann im gegebenen Zusammenhang somit außer Betracht bleiben.

Beide Nichtigkeitsbeschwerden waren daher als offenbar unbegründet bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 2 StPO).

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