OGH 15Os35/97

OGH15Os35/9720.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.März 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Brandstätter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Winfried J***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 148 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Krems a.d. Donau als Schöffengericht vom 29.August 1996, GZ 14 Vr 343/96-11, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde und die (angemeldete) "Berufung wegen Schuld" werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung (wegen Strafe) werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Winfried J***** wurde des Verbrechens des gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt, weil er von April 1994 bis 23.März 1996 (zu ergänzen: in Krems an der Donau und später in Els - vgl 31, 43 -) mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, und in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung (zu ergänzen: der Betrügereien) eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, mindestens 210 Personen durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, nämlich zur Zahlung von Geldbeträgen zwischen 20 S und 500 S, verleitet hat, die diese um insgesamt 24.081 S am Vermögen schädigten, indem er 1. in verschiedenen Zeitungen wiederholt Anzeigen aufgab, in denen er Personen gegen einen Unkostenbeitrag von 20 S bis 500 S (ersichtlich gemeint: 50 S; vgl US 4 7.Zeile und 5 9.Zeile) und Nebenverdienst Suchenden, die sich auf seine Anzeigen gemeldet hatten, gegen einen weiteren Beitrag von 100 S leichte Heimarbeit versprach, obwohl er eine solche Tätigkeit nicht zu vergeben hatte; 2. an Nebenverdienst Suchende zu einem Preis von jeweils 70 S bis zu vier Informationsblätter ("Reports") versendete, obwohl die Informationen wertlos waren und die Interessenten mit den darin enthaltenen Angaben nichts anfangen konnten.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil meldete der Angeklagte (rechtzeitig) "Berufung wegen Nichtigkeit, Schuld und Strafe" an (ON 12) und führte in der Rechtsmittelschrift (fristgerecht) eine allein auf die Z 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde sowie eine "Berufung wegen Strafe" aus.

Die "Berufung wegen Schuld" war zurückzuweisen, weil ein solches Rechtsmittel gegen kollegialgerichtliche Urteile in den Verfahrensgesetzen nicht vorgesehen ist (§§ 280, 283 Abs 1 StPO; 15 Os 203/96 uam).

Die Nichtigkeitsbeschwerde hinwieder, mit der die erstgerichtlichen Konstatierungen zum Täuschungs-, Bereicherungs- und Schädigungsvorsatz des Angeklagten ganz allgemein als "unvollständig bzw undeutlich" bekämpft werden, geht fehl.

Nach ständiger Rechtsprechung (EvBl 1972/17; Foregger/Kodek StPO6 S 396; Mayerhofer StPO4 § 281 Z 5 E 42 ff, E 57 ff jeweils mwN) liegt Undeutlichkeit vor, wenn den Urteilsfeststellungen nicht klar zu entnehmen ist, welche entscheidenden Tatsachen sowohl auf der objektiven wie auf der subjektiven Tatseite das Gericht als erwiesen angenommen hat und aus welchen Gründen dies geschah; Unvollständigkeit hingegen, wenn das Gericht bei Feststellung entscheidender Tatsachen wichtige und in der Hauptverhandlung vorgeführte Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergeht, Widersprüche zwischen den Aussagen der vernommenen Personen nicht würdigt oder die seinen Feststellungen widerstreitenden Beweisergebnisse nicht erörtert oder die Gründe nicht angibt, aus denen es diese Beweise nicht für stichhältig erachtet. Zum Nachweis eines formalen Begründungsfehlers müssen zudem die Entscheidungsgründe in ihrer Gesamtheit berücksichtigt werden, wobei die Frage der Beweiskraft einzelner Beweismittel und/oder die zur Überzeugung der Tatrichter von der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit eines Zeugen oder Angeklagten führende kritisch-psychologische Vorgang als solcher einer Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren entzogen ist (Mayerhofer aaO E 1, 6 a).

Von diesen dargelegten Rechtsgrundsätzen ausgehend, versagen demnach die Beschwerdeeinwände, mit denen der Nichtigkeitswerber - unter prozeßordnungswidriger Vernachlässigung der sowohl unter 1. des Urteilssatzes als auch in den Gründen (US 5) geschilderten ersten zwei Teilphasen des betrügerischen Gesamtkonzepts - bloß dessen letzte Stufe, nämlich die Versendung von bis zu vier "Reports" gegen Bezahlung von jeweils 70 S, die ohnehin nur in rund 25 von 210 Fällen zu dem angestrebten finanziellen Erfolg (zumindest teilweise) führten (vgl das Verzeichnis des Geschädigten S 117 ff iVm den "Fragebögen" in den Beilagenordnern), kritisiert und mit schlichtweg aktenwidriger (vgl 45 unten, 53 f, 150 ff) sowie urteilsfremder Argumentation (US 4 ff, 8) darzulegen trachtet, er habe nicht gewußt, daß das Informationsmaterial ("Reports") für "andere Kunden" ebenso wertlos war wie ursprünglich für ihn selbst. Aber gerade mit dieser Frage und dem Umstand, warum die verschickten Informationen für die Abnehmer unbrauchbar waren, hat sich das Schöffengericht in einer kritischen und ausführlichen Gesamtschau sowohl der Verantwortung des Beschwerdeführers als auch des Inhaltes der in Rede stehenden "Reports" sowie der Ergebnisse der - einen integrierenden Bestandteil der Gendarmerieanzeige bildenden - "Fragebögen" auseinandergesetzt und (auch) deren Betrugstauglichkeit mit aktenkonformer und nachvollziehbarer Begründung unmißverständlich bejaht (US 5 ff). In diesem Zusammenhang ist aus dem ins Treffen geführten Gespräch mit seiner Lebensgefährtin Johanna P***** (vgl 51 ff) nichts Entlastendes zu gewinnen, vielmehr spricht dessen Ergebnis deutlich gegen eine Lauterkeit des Rechtsmittelwerbers.

Die Behauptung, es gebe "im Akt keine einzige Aussage eines Kunden darüber, ob die in den Reporten enthaltene Information für diese einen Wert hatte oder nicht", widerspricht gleichfalls der Aktenlage; denn bereits eine stichprobenweise Befassung mit den "Fragebögen" in den Beilagenordnern 12 beweist das Gegenteil (vgl ua die Fakten 4, 157, 192, 196, 200, 201, 202 und 203).

Der weitere Vorwurf, die Feststellung, daß der Angeklagte unter Heimarbeit eine manuelle Tätigkeit verstanden hat, findet in der Verantwortung des Beschwerdeführers vor der Gendarmerie (45 oben) und vor Gericht (151 f, 161, 166) ihre beweismäßige Deckung (US 5 f). Von Aktenunkenntnis hinwieder zeugt der Einwand, die Konstatierung, daß auch die Interessenten unter Heimarbeit "etwas Manuelles" verstanden hatten, sei durch die Aktenlage nicht gedeckt; präzisieren doch durchwegs alle Geschädigten in den von ihnen ausgefüllten "Fragebögen" (vgl die Beilagenordner 12, 13, 14), was sie sich von einer ihnen versprochenen Heimarbeit erwartet hatten, wie etwa:

Basteln, Schreibarbeit, Adressieren, Kuvertieren, Verpacken, Prospektversand, diverse Versandarbeiten udglm.

Nach Prüfung der gesamten Aktenlage durch den Obersten Gerichtshof ist zusammenfassend zu sagen, daß das Erstgericht - entgegen dem Beschwerdevorbringen - auf der Basis aller Sachbeweise einschließlich der (den objektiven Tatbestand zugestehenden) Verantwortung des Angeklagten sowie unter Verwertung des persönlich gewonnenen Eindrucks in freier Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) die subjektiven und objektiven Betrugskomponenten nicht nur unbedenklich festgestellt, sondern auch mängelfrei begründet hat.

Demnach war sowohl die (angemeldete) "Berufung wegen Schuld" als auch die offenbar unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 d StPO schon bei einer nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, woraus folgt, daß zur Entscheidung über die Berufung (wegen Strafe) das Oberlandesgericht Wien berufen ist (§ 285 i StPO).

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