OGH 7Ob23/97a

OGH7Ob23/97a19.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sonja Maria K*****, vertreten durch Dr.Hans-Peter Benischke und Dr.Edwin Anton Payr, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Fritz Othmar Manfred K*****, vertreten durch Dr.Barbara-Cecil Prasthofer, Rechtsanwältin in Graz, wegen Ehescheidung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 15.November 1996, GZ 2 R 342/96w-18, mit dem das Urteil des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 6.Juni 1996, GZ 29 C 161/95m-11, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der klagenden Partei wird Folge gegeben und die angefochtene Entscheidung dahin abgeändert, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 8.117,56 (darin S 1.352,94 an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit S 6.851,04 (darin S 811,84 USt und S 1.980,-- Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 21.5.1988 geschlossenen Ehe der Sreitteile entstammen keine Kinder. Die Klägerin brachte einen außerehelichen mj. Sohn in die Ehe mit, dem der Beklagte seinen Familiennamen gegeben hat. Auf seiten des Beklagten handelte es sich um die zweite Ehe, er hat aus der ersten Ehe eine bereits volljährige Tochter.

Der Beklagte nahm bereits etwa ein Jahr nach der Eheschließung ein Verhältnis zu einer Mitarbeiterin auf; ab dem Sommer 1994 hatte die Klägerin für ca. ein Jahr ein außereheliches Verhältnis mit Manfred T*****. Im Juni 1995 gestand die Klägerin dem Beklagten das Verhältnis zu Manfred T***** ein und wollte zu diesem ziehen; ungefähr eineinhalb Wochen danach erklärte sie dem Beklagten aber, daß Manfred T***** doch nicht der richtige Partner sei und daß sie die Ehe mit dem Beklagten fortsetzen wolle. Sie hat das Verhältnis mit T***** beendet und noch im selben Monat mit dem Beklagten nach einer Aussprache den Entschluß gefaßt, wieder von vorne zu beginnen und alle bisher vorgefallenen Eheverfehlungen beiderseits zu vergessen und zu verzeihen. Anfang Juli 1995 begann der Beklagte aber ein Verhältnis zu Brigitte W*****, das noch aufrecht ist. Als die Klägerin davon erfuhr, besprach sie mit dem Beklagten eine einverständliche Scheidung. Dieser erklärte, Abstand gewinnen zu müssen, und fuhr mit Brigitte W***** drei Wochen auf Urlaub nach Griechenland. Danach erklärte er der Klägerin, noch einmal in die eheliche Lebensgemeinschaft zurückkehren zu wollen. Das eheliche Verhältnis dauerte dann aber nur ca. vier Wochen, bis die Streitteile feststellten, daß die Ehe endgültig gescheitert sei. Danach nahm der Beklagte sein Verhältnis zu Brigitte W***** wieder auf. Als die Klägerin davon erfuhr, geriet sie so in Zorn, daß sie die Fahrnisse des Beklagten am 28.10.1995 vor die Wohnungstüre stellte, zum Teil auch aus der Wohnung hinauswarf. Der Beklagte, der bereits vorher den Entschluß gefaßt hatte, sich eine eigene Wohnung zu nehmen, zog am selben Tag aus der Ehewohnung aus. Ab diesem Zeitpunkt betrachtete die Klägerin die Ehe als endgültig gescheitert. Seit dem Auszug des Beklagten aus der Ehewohnung leistete er der Klägerin keinerlei Unterhalt oder Wirtschaftsgeld, sondern bezahlte nur mehr die Miete für die frühere eheliche Wohnung.

Die Klägerin begehrte die Scheidung der Ehe aus dem Alleinverschulden des Beklagten. Durch das ehebrecherische Verhältnis, das der Beklagte mit Brigitte W***** eingegangen sei, sei die Ehe unheilbar zerrüttet worden. Außerdem verletze der Beklagte seine Unterhaltspflicht ihr gegenüber. Der Beklagte habe der Klägerin das bereits beendete ehebrecherische Verhältnis mit Manfred T***** verziehen und habe erklärt, die Ehe mit ihr fortsetzen zu wollen.

Der Beklagte beantragte die Klagsabweisung und bestritt, Ehescheidungsgründe gesetzt zu haben. Die Klägerin treffe ua wegen ihres ehebrecherischen Verhältnisses zu Manfred T***** das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe, weshalb ihr Scheidungsbegehren sittlich nicht gerechtfertigt sei; er stellte daher in der Folge den Antrag, das überwiegende Mitverschulden der Klägerin für den Fall der Scheidung auszusprechen.

Das Erstgericht schied die Ehe der Streitteile aus dem Alleinverschulden des Beklagten, das Berufungsgericht mit der angefochtenen Entscheidung aus dem beiderseitigen gleichteiligen Verschulden. Es erklärte die Erhebung der ordentlichen Revision für unzulässig.

Das Erstgericht begründete seinen Verschuldensausspruch damit, daß der Beklagte nach dem gegenseitigen Verzeihen aller bisherigen Eheverfehlungen und dem erklärten Willen, die Ehe fortsetzen zu wollen, dennoch eine ehebrecherische Beziehung zu Brigitte W***** aufgenommen habe. Demgegenüber habe die Klägerin nach Abbruch bzw. der Verzeihung ihrer Beziehungen zu Manfred T***** keine weiteren Verfehlungen gesetzt und im übrigen alles unternommen, um die eheliche Lebensgemeinschaft fortzusetzen. Die von der Klägerin nach dem Auszug des Beklagten aus der Ehewohnung am 28.10.1995 gesetzten Eheverfehlungen seien in diesem Zusammenhang zu vernachlässigen.

Das Berufungsgericht begründete den Ausspruch des beiderseitigen gleichteiligen Verschuldens im wesentlichen damit, daß der anläßlich der wechselseitigen Verzeihung der Eheverfehlungen gefaßte Entschluß, es noch einmal mit der Ehe zu probieren, nur kurzfristig und nur mit Unterbrechungen bis Ende Oktober 1995 in die Tat umgesetzt werden konnte. Objektiv zerrüttet sei die eheliche Gemeinschaft spätestens mit dem 28.10.1995 gewesen. Das Berufungsgericht bezog das ehebrecherische Verhältnis der Klägerin mit Manfred T***** in seine Verschuldensbeurteilung mit ein und wertetete es als wesentlichen Beitrag zur Zerrüttung der Ehe. Der Beklagte sei ganz offensichtlich nicht in der Lage gewesen, die von der Klägerin gesetzten Eheverfehlungen tatsächlich zu verzeihen und einen Neubeginn zu starten. So gesehen stünden sich die außerehelichen Beziehungen der Streitteile zu anderen Partnern wechselseitig gegenüber, diese Verfehlungen stünden in einem direkten zeitlichen Zusammenhang, ein Unterschied in den beiderseitigen Verschuldensanteilen sei daher nicht augenscheinlich.

Die nur gegen den Verschuldensausspruch von der Klägerin erhobene Revision ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend verweist die Revisionswerberin darauf, daß bereits verziehene Eheverfehlungen nur dann bei der Verschuldensbeurteilung berücksichtigt werden dürfen, wenn dem Ehepartner, dem verziehen worden ist, danach auch noch ein Ehescheidungsgrund, der in einem gewissen Zusammenhang zu den früheren verziehenen Ehescheidungsgründen steht, anzulasten ist (vgl EFSlg 7.030 uva, zuletzt 69.243). Zutreffend kritisiert die Revisionswerberin auch, daß das Berufungsgericht trotz Übernahme der erstgerichtlichen Feststellungen annahm, daß es dem Beklagten ab dem Zeitpunkt der Versöhnung nicht mehr möglich war, den entsprechenden sittlichen Ernst aufzubringen, um an der Ehe festzuhalten, weil dies nicht durch die erstgerichtlichen Feststellungen gedeckt ist und diese Beurteilung auch nicht mit einer Zerrüttung der Ehe der Streitteile erst ab Oktober 1995 in Einklang zu bringen ist.

Nach ständiger Lehre und Rechtsprechung ist Verzeihung einerseits ein subjektiver innerer Vorgang, der ohne Rücksicht auf sein Motiv nicht durch Willensmängel beeinflußt sein darf, andererseits aber auch die Äußerung dieses Vorganges, nicht notwendigerweise gegenüber dem anderen Ehegatten, und zwar bei voller Kenntnis der Verfehlung. Diese Äußerung muß dahin gehen, die Ehe fortsetzen zu wollen. Verzeihung kann aufschiebend bedingt oder befristet gewährt werden, sie ist aber danach unwiderruflich. Für die Verzeihung ist der Ehegatte, der die Verfehlung begangen hat, beweispflichtig (vgl. Pichler in Rummel ABGB2 § 56 EheG Rz 2 mwN, MGA ABGB34 § 56 EheG/11 ff). Die Feststellung des Erstgerichtes über die Verzeihung (S.6 der Urteilsausfertigung = AS 57) inkludiert zwar auch eine rechtliche Beurteilung, im Rahmen seiner Beweiswürdigung führte jedoch das Erstgericht aus, daß es die Aussage des Beklagten, der Klägerin nicht verziehen zu haben, weil er ihren Ehebruch nicht verkraften habe können, für unglaubwürdig hielt. Damit ist aber von einer vorbehaltlosen Verzeihung der klägerischen Eheverfehlungen durch den Beklagten auszugehen. Der Umstand, daß der Beklagte ca. 14 Tage danach mit Brigitte W***** auf Urlaub fuhr, kann nicht einem - im übrigen unzulässigen - Widerruf gleichgesetzt werden, zumal der Beklagte danach einige Wochen hindurch die eheliche Gemeinschaft mit der Klägerin vorbehaltslos wieder fortsetzte. Eine Verzeihung setzt zwar einen gewissen Zeitraum, in dem sie in die Praxis umgesetzt werden kann, voraus (arg: die Ehe fortzusetzen), wie groß dieser sein mußte, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab; für die Annahme, daß hiefür 14 Tage zu wenig gewesen sind, besteht keine Beurteilungsgrundlage. Die Ausführung des Berufungsgerichtes, daß der Beklagte den Ehebruch der Klägerin mit Manfred T***** offensichtlich nicht überwunden hat, beruht tatsächlich auf keiner Feststellung und geht daher von einer aktenwidrigen Annahme aus. Die Rechtsausführungen des Berufungsgerichtes sind auch insofern widersprüchlich, als das Berufungsgericht von einer Zerrüttung erst mit Ende Oktober 1995 ausgeht. Konsequenterweise hätte das Berufungsgericht bei Vertretung seiner Rechtsansicht davon ausgehen müssen, daß mangels einer Verzeihung im Juni 1995 die Ehe schon davor unheilbar zerrüttet war.

Geht man jedoch von einer Verzeihung im Juni 1995 und einer Zerrüttung der Ehe erst im Oktober 1995 aus, so ist das vor Juni 1995 von der Klägerin gesetzte ehebrecherische Verhalten gänzlich zu vernachlässigen, da der Beklagte mit der Aufnahme eines ehebrecherischen Verhältnisses zu Brigitte W***** im Juli 1995 einen neuen und mit dem verziehenen früheren ehewidrigen Verhalten seiner Gattin nicht im Zusammenhang stehenden neuen Ehescheidungsgrund gesetzt hat.

Der Revision der Klägerin war daher Folge zu geben und das Ersturteil wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Stichworte