OGH 1Ob2397/96y

OGH1Ob2397/96y18.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Regina Lucia Z*****, vertreten durch Dr.Robert Galler, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei Leopold Z*****, vertreten durch Dr.Gernot Hain und Dr.Joachim Wagner, Rechtsanwälte in Wiener Neustadt, wegen Unterhalt (Streitwert S 232.344,- -) infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgerichts vom 25.September 1996, GZ 17 R 89/96-42, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Neunkirchen vom 26.April 1996, GZ 4 C 31/95-34, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das berufungsgerichtliche Urteil wird aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Gericht zweiter Instanz zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Begründung

Die Streitteile sind seit 18.2.1984 verehelicht. Durch den Auszug der Klägerin aus der Ehewohnung - seither lebt sie in S***** bei ihrer Tochter - wurde die eheliche Lebensgemeinschaft am 21.2.1994 aufgehoben.

Die Klägerin begehrte vom Beklagten die Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von zuletzt S 6.454,-- ab 1.2.1994. Der Beklagte habe sie in ein völliges Abängigkeitsverhältnis geführt und sie als Arbeiterin im Haushalt ohne jede Gegenleistung mißbraucht. Sie sei sowohl zur Betreuung der beiden volljährigen Söhne wie auch der bettlägerigen Mutter des Beklagten herangezogen worden. Ihren Beruf habe sie aufgeben müssen. Die von ihr verrichteten Arbeiten seien stets bemängelt und sie sei in einem „sklavenähnlichen Zustand“ gehalten worden. Diese Umstände hätten zu körperlicher und psychischer Erkrankung der Klägerin geführt. Es sei ihr schließlich unzumutbar gewesen, weiter mit dem Beklagten in der ehelichen Wohnung zusammenzuleben. Ihren Lebensunterhalt bestreite sie ausschließlich aus dem Bezug von Sozialhilfe im Betrag von monatlich S 11.217,- -, die sie vom Sozialamt des Magistrats der Stadt Salzburg erhalte. Aufgrund ihres Alters sei ihr die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nicht mehr zumutbar. Der Beklagte beziehe ein monatliches Nettoeinkommen von etwa S 16.000,- -.

Der Beklagte bestritt die aktive Klagslegitimation, weil die Unterhaltsforderung der Klägerin durch Legalzession auf den Sozialhilfeträger übergegangen sei. Im übrigen wandte er sich gegen das von der Klägerin erstattete Vorbringen, wonach ein Zusammenleben unzumutbar sei. Die Klägerin habe vielmehr im Februar 1994 die eheliche Wohnung ohne Vorliegen eines hinreichenden Grundes verlassen, sodaß sie rechtsmißbräuchlich Unterhalt begehre.

Die Klägerin replizierte, ihre Unterhaltsansprüche seien nicht auf den Sozialhilfeträger übergegangen. Sie sei - selbst wenn eine Übergangsanzeige vorliegen sollte - von diesem zur alleinigen Geltendmachung ihrer Unterhaltsansprüche aufgefordert und ermächtigt worden. Die allfällige Übergangsanzeige sei später vom Sozialhilfeträger als „gegenstandslos“ erklärt worden.

Das Erstgericht wies das Unterhaltsbegehren - unter Anführung eines das Klagebegehren überschreitenden Monatsbetrags und in Nichterledigung des Zeitraums vom 1.2.1994 bis 30.4.1995 - ab. Es vertrat die Ansicht, die Frage der Unterhaltsverwirkung sei vor der Frage der Klagslegitimation zu prüfen. Die Klägerin sei ungerechtfertigterweise ausgezogen, ihre Handlungsweise lasse daher auf mangelnden Ehewillen schließen; das Unterhaltsbegehren sei demnach rechtsmißbräuchlich.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision nicht zulässig sei. Entgegen der Ansicht des Erstgerichts sei vorweg zu prüfen, ob die Klägerin zur Geltendmachung von Unterhalt gegenüber dem Beklagten legitimiert sei. Dies sei zu verneinen, weil dem Beklagten mit Schreiben vom 1.3.1995 die Gewährung von Sozialhilfe an die Klägerin zur Kenntnis gebracht und gleichzeitig gemäß § 44 des Salzburger Sozialhilfegesetzes angezeigt worden sei, daß der Unterhaltsanspruch ab Nichtleistung des Unterhalts auf die Dauer der Sozialhilfeunterstützung bis zu deren Höhe auf das Land Salzburg als Sozialhilfeträger übergehe. Mit dieser Anzeige sei der Forderungsübergang und damit der Wechsel der Rechtszuständigkeit bewirkt worden; die Unterhaltsforderung der Klägerin sei ins Vermögen des Landes übergegangen und nur dieses sei zur Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs berechtigt. Der Forderungsübergang habe auch nicht durch ein späteres Schreiben des Magistrats der Stadt S*****, in dem das Schreiben vom 1.3.1995 für „gegenstandslos“ erklärt worden sei, einseitig rückgängig gemacht werden können. Die Rückabtretung einer auf das Land Salzburg gemäß § 44 SbgSHG übergegangenen Forderung an die Sozialhilfeempfängerin sei im Gesetz nicht vorgesehen. Ohne wirksame Rückabtretung mangle es aber der Klägerin an der Berechtigung, ihre Unterhaltsansprüche selbst geltend zu machen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig und berechtigt.

Gemäß § 44 Salzburger Sozialhilfegesetz, LGBl 1991/40, gehen die Unterhaltsansprüche des Sozialhilfeempfängers bei Leistungen durch den Sozialhilfeträger an diesen erst dann über, wenn dem leistungspflichtigen Dritten (hier: dem Beklagten) eine entsprechende schriftliche Anzeige zugestellt worden ist (vgl RZ 1995/77; 2 Ob 526/90; EvBl 1983/142; EFSlg 53.188, 50.449; JBl 1979, 543 ua). Die hier an den Beklagten gerichtete Anzeige datiert vom 1.3.1995 und wurde an diesem Tag „expediert“ (AS 33), sodaß die Zustellung höchstwahrscheinlich erst nach dem 1.3.1995 erfolgt sein dürfte; das Zustelldatum wird aber noch festzustellen sein. Die Klage wurde dem Beklagten am 1.3.1995 zugestellt; damit trat gemäß § 232 Abs 1 ZPO die Streitanhängigkeit ein. Die Änderung der Rechtszuständigkeit infolge der erwähnten Legalzession dürfte demnach erst während des Verfahrens (also nach Eintritt der Streitanhängigkeit) erfolgt sein; sollte dem so sein, wäre diese Änderung im Sinne der herrschenden Irrelevanztheorie für die materiellrechtliche Beurteilung des geltend gemachten Anspruchs bedeutungslos (SZ 68/36; SZ 63/151; JBl 1988, 787; SZ 57/204; SZ 54/59; SZ 46/27 uva). Sollte die schriftliche Anzeige tatsächlich erst nach dem 1.3.1995 dem Beklagten zugestellt worden sein, dann wäre die vom Berufungsgericht allein wegen des Fehlens der aktiven Klagslegitimation ausgesprochene Klagsabweisung verfehlt, sodaß das Gericht zweiter Instanz auf das übrige Vorbringen in der Berufung eingehen müßte.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.

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