OGH 6Ob2220/96f

OGH6Ob2220/96f12.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am 14.März 1977 geborenen Martin U*****, Schüler, ***** infolge Rekurses des Vaters, Friedrich U*****, Angestellter, ***** vertreten durch Rechtsanwälte Kreibich, Bixner, Kleibel, Kommanditpartnerschaft in Salzburg, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Salzburg als Rekursgerichtes vom 8.Mai 1996, GZ 21 R 185/96v-92, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Hallein vom 11.März 1996, GZ 5 P 1534/95s-85, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Der am 14.3.1977 geborene Martin U***** ist das eheliche Kind des Friedrich und der Ingrid U*****r, deren Ehe 1983 geschieden wurde. Bis zum Erreichen der Volljährigkeit befand er sich in der Obsorge der Mutter. Der Vater wurde zuletzt zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 2.700 S ab 1.9.1993 verpflichtet. Der Unterhaltsbemessung lagen ein monatliches Durchschnittsnettoeinkommen des Vaters als Angestellten von rund 27.000 S und der Umstand zugrunde, daß der Minderjährige über ein anrechenbares Monatsnettoeinkommen als Tischlerlehrling von rund 5.300 S verfügte.

Ab 1.9.1995 beantragte der Vater die Enthebung von seiner Unterhaltsverpflichtung, weil sein Sohn am 5.7.1995 sein Lehrverhältnis beendet und seinen Lehrabschluß vereitelt habe. Er sei selbsterhaltungsfähig. Der damals noch Minderjährige trat dem Enthebungsbegehren mit der Begründung entgegen, er besuche seit September 1995 die höhere technische Bundeslehranstalt Imst und wolle diese Schule abschließen. Er stellte daher den Antrag, die monatliche Unterhaltsverpflichtung des Vaters ab 1.9.1995 auf 5.000 S zu erhöhen.

Das Erstgericht wies den Enthebungsantrag ab und behielt die Entscheidung über den Unterhaltserhöhungsantrag vor.

Das Rekursgericht hob den vom Vater angefochtenen Beschluß auf und trug dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf.

Es stellte fest, daß Martin nach Abschluß der Hauptschule die 9. Schulstufe in der Holzfachschule Hallein absolvierte und im Herbst 1992 eine dreijährige Tischlerlehre begann. Diese beendete er am 5.7.1995, wobei er die Lehrabschlußprüfung im praktischen Teil, nicht aber im theoretischen Teil bestanden hatte. Die Berufsschule schloß er 1995 positiv ab. Zu einer zulässigen Nachprüfung ist er bisher nicht angetreten. Seit Herbst 1995 besucht er die höhere technische Lehranstalt Imst für Möbel- und Innenausbau und hat das erste Semester des ersten Jahres positiv abgeschlossen. Seitens der Schule wird eine optimistische Stellungnahme für die Zukunft abgegeben.

Das Rekursgericht führte aus, nach Abschluß der Berufsausbildung sei zwar grundsätzlich vom Eintritt der Selbsterhaltungsfähigkeit auszugehen, was den Unterhalts- anspruch zum Erlöschen bringe. Es sei auch anerkannt, daß ein Kind als selbsterhaltungsfähig zu behandeln sei, wenn es durch sein Verschulden zum Scheitern einer entsprechenden Berufsausbildung komme. Ein einmaliger Berufswechsel sei dem Kind jedoch zuzubilligen, wobei allerdings ein Wechsel umsoweniger toleriert werden könne, je älter der Unterhaltswerber sei und je größer die ihm vorwerfbaren Versäumnisse, die zum Wechsel führten, zu veranschlagen seien. Auch wenn Martin seinen Berufswechsel zu einem eher ungewöhnlichen Zeitpunkt, knapp vor Schluß seiner Ausbildung, angestrebt habe, könne ihm dies nicht von vornherein verweigert werden. Selbst wenn man ihn so behandle, als hätte er seine Ausbildung abgeschlossen, könne eine bereits erloschene Unterhaltspflicht wieder aufleben, wenn das neue Ausbildungsziel (Matura) ernstlich und strebsam verfolgt und die entsprechende Leistungsgarantie geboten würde, dem unterhaltspflichtigen Elternteil die Finanzierung der neuen Ausbildungswünsche zumutbar sei und das Kind nach Abschluß der weiteren Berufsausbildung ein wesentlich besseres Fortkommen zu erwarten habe. Dabei sei ein strengerer Maßstab als bei der Erstausbildung anzulegen. Auf Grund der derzeit positiven Studienergebnisse sei davon auszugehen, daß die Unterhaltspflicht der Eltern bestehe.

Da dem Außerstreitverfahren eine Zwischenentscheidung dem Grunde nach, wie sie das Erstgericht offenbar habe treffen wollen, fremd sei, seien im fortgesetzten Verfahren einerseits die Leistungsfähigkeit des Vaters und die Bedürfnisse des Sohnes festzustellen, wobei zu berücksichtigen sei, daß sich dieser nicht mehr in der Pflege der Mutter befinde, sodaß der Unterhaltsbedarf auf beide Eltern nach ihren Einkommensverhältnissen aufzuteilen sei.

Das Rekursgericht sprach aus, daß der ordentliche Rekurs zulässig sei, weil die Beurteilung der Frage, ob ein Kind, das seine Lehrlingsausbildung unmittelbar vor der Lehrabschlußprüfung abbreche und dann eine weiterführende Schule besuche, um Maturareife zu erlangen, das vorliegende Verfahren an Bedeutung übersteige.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Vaters ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Das Rekursgericht hat die zur Selbsterhaltungsfähigkeit, zum Wiederaufleben des Unterhaltsanspruches und zum einmaligen Ausbildungswechsel bestehende Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zutreffend wiedergegeben. Nach dieser Rechtsprechung ist ein Kind jedenfalls dann als selbsterhaltungsfähig anzusehen, wenn es auf Grund einer erfolgten Berufsausbildung tatsächlich in der Lage ist, die Mittel zu seinem Unterhalt selbst zu erwerben.

Trifft das Kind ein Verschulden am Scheitern einer angemessenen Berufsausbildung - und davon ist im vorliegenden Fall durch den unbegründeten Entschluß, zur zulässigen Nachprüfung im theoretischen Teil der Gesellenprüfung nicht anzutreten, auszugehen - so hat es sich wie ein Selbsterhaltungsfähiger behandeln zu lassen. Die eingetretene Selbsterhaltungsfähigkeit kann jedoch wieder verloren gehen und die Unterhaltspflicht der Eltern wieder aufleben, wenn sich das Kind nach abgeschlossener Berufsausbildung zu einer weiteren Ausbildung entschließt, um offenkundig bessere berufliche Fortkommensmöglichkeiten zu erlangen. Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, daß das Kind nach abgeschlossener Tischlerlehre eine Weiterbildung durch Besuch einer berufsbildenden höheren Schule anstrebt, deren Ausbildungsziel die von einem Tischlerlehrling geforderten praktischen und theoretischen Kenntnisse mitumfaßt, allerdings vor allem in den theoretischen Fächern darüber hinausgeht und einen Maturaabschluß ermöglicht. Nach Absolvierung einer vorwiegend auf die praktischen Fähigkeiten ausgerichteten Lehre ist vom Besuch einer fachspezifischen höheren technischen Lehranstalt mit Maturaabschluß und damit wesentlicher Erweiterung auch der theoretischen (und für eine allfällige Selbstständigkeit besser vorbereitenden) Kenntnisse eine Verbesserung der künftigen Berufsaussichten zu erwarten. Berücksichtigt man aber, daß Martin gegenüber den übrigen Schülern schon wesentlich älter ist und aus dem abgeschlossenen Lehrberuf darüber hinaus auch einen Ausbildungsvorsprung hat (aus dem Akt ergibt sich, daß er deshalb auch von einigen praktischen Fächern befreit wurde), dann ist an die Leistung im weiteren Ausbildungsgang ein besonders strenger Maßstab anzulegen. Die Fähigkeiten in intellektueller und manueller Hinsicht, aber auch Fleiß und Ausdauer müssen in einem solchen Fall in ganz besonderer Weise gegeben sein. Eine bloß "optimistische Stellungnahme der Schule für die Zukunft" (im Sinne eines bloßen etwa gar unterdurchschnittlichen Erreichens des Ausbildungszieles) reicht hiezu nicht aus. An die Fähigkeiten und Leistungen sind daher erhöhte Anforderungen zu stellen. Es wird daher im fortgesetzten Verfahren zu prüfen sein, ob der Schulerfolg und Fleiß des Schülers - inzwischen müssen bereits ein Jahres- und ein weiteres Halbjahreszeugnis vorliegen - und auch eine strenge Zukunftsprognose auch im Hinblick auf dessen Alter diesen Anforderungen entsprechen, und weiters nach einem strengen Maßstab festzustellen und zu beurteilen sein, ob dem Unterhaltspflichtigen mit Rücksicht auf seine Lebensverhältnisse, also auf Grund seiner gesamten persönlichen Lebenssituation noch weitere Unterhaltsleistungen zugemutet werden können (hiezu vgl SZ 60/250; EFSlg 71.246). Nur wenn diese strengen Anforderungen erfüllt sind, lebte der Unterhaltsanspruch, hier gegen beide Eltern verhältnismäßig, wieder auf.

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