OGH 4Ob2267/96b

OGH4Ob2267/96b11.3.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers Dipl.Vw.Walter K*****, wider die Antragsgegnerin Stadtgemeinde Innsbruck, Innsbruck, Fallmerayerstraße 11, vertreten durch Dr.Gert Kastner und Dr.Hermann Tscharre, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen Einräumung eines Notweges, infolge Revisionsrekurses des Antragstellers gegen den Beschluß des Landesgerichtes Innsbruck als Rekursgericht vom 3.Mai 1996, GZ 54 R 58/96t-43, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Innsbruck vom 19.Februar 1996, GZ 3 Nc 65/94g-37, im angefochtenen Umfang aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Text

Begründung

Der Antragsteller ist Eigentümer der EZ ***** KG ***** W***** mit den Grundstücken Nr 541 und 542/1. An das Grundstück 541 schließt im Westen die der Antragsgegnerin gehörende EZ ***** desselben Grundbuchs mit dem Grundstück Nr 545 an. Das Grundstück Nr 545 stand bis zum Jahr 1963 in (Mit-)Eigentum des Antragstellers. Mit Tauschvertrag vom 5.11.1963 übertrugen die Miteigentümer ihre Miteigentumsanteile an dieser Liegenschaft der Antragsgegnerin. Diese verpflichtete sich, eine Einfahrt von der im Osten an das Grundstück 541 angrenzenden Südbahnstraße sowie eine Ein- und Ausfahrt zu dem im Süden angrenzenden Südring, welcher damals noch Gemeindestraße war, zu errichten. Im Jahr 1971 wurde der Südring vom Bund als Bundesstraße übernommen. Eine Überbindung der Verpflichtungen der Antragsgegnerin aus dem Tauschvertrag an den Bund ist nicht erfolgt.

Seit Jahrzehnten ist der Ausbau des Kreuzungsbereiches Südbahnstraße/Südring/Leopoldstraße (letztere grenzt im Westen an das Grundstück der Antragsgegnerin an) geplant. Im Hinblick auf diesen Umbau war die Liegenschaft des Antragstellers im Bebauungsplan vom Jahr 1960 mit einem Bauverbot belegt worden. Dieses Bauverbot wurde vom Verfassungsgerichtshof im Jahr 1988 wegen Verstoßes gegen das verfassungsgesetzlich geschützte Eigentumsrecht aufgehoben. Ein daraufhin vom Antragsteller gestelltes Bauansuchen wurde in zweiter Instanz mit der Begründung abgewiesen, daß sein Grundstück als Verkehrsfläche erforderlich sei, so daß das Bauprojekt den Zielen den örtlichen Raumplanung widerspreche. Dieser Bescheid wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 1.12.1990 aufgehoben. Ein neuerliches Bauansuchen des Antragstellers wurde danach mit der Begründung (rechtskräftig) abgewiesen, daß das zur Bebauung vorgesehene Grundstück über keine der vorgesehenen Bebauung entsprechende, rechtlich gesicherte Verbindung mit einer öffentlichen Verkehrsfläche verfüge.

Die beiden Liegenschaften der Streitteile sind unbebaut. Aufgrund zahlreicher Bemühungen des Antragstellers stellte ihm das Rechtsamt der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 9.1.1990 in Aussicht, dem Stadtsenat bei Vorlage eines konkreten, baurechtlich bewilligungsfähigen Projekts zu empfehlen, eine Wegdienstbarkeit im notwendigen Ausmaß einzuräumen, weil sich aus dem Vertrag vom Jahr 1963 ergebe, daß die Erschließbarkeit der Grundstücke des Antragstellers gesichert werden sollte. Eine solche Erschließung ist bisher nicht erfolgt. Die Liegenschaft des Antragstellers verfügt derzeit nur über eine Zufahrtsmöglichkeit von der Südbahnstraße aus Richtung Norden kommend, nicht aber über eine rechtlich gesicherte Abfahrtsmöglichkeit. Da sich jedoch im Bereich der möglichen Zufahrt eine Ampel mit Fußgängerübergang befindet, müßte diese Zufahrt unter Einbeziehung der Ampelanlage und des Fußgängerüberganges gestaltet werden, wobei der Abstand der Zufahrt von der Ampel so groß wie möglich sein sollte. Ein Zu- oder Abfahren über den im Süden angrenzenden Südring ist nicht möglich, weil das Amt der Tiroler Landesregierung ein Ansuchen um Errichtung einer solchen Zu- und Abfahrt nicht genehmigen würde.

Als einzig mögliche Abfahrten bieten sich zwei Varianten an:

Einerseits die Inanspruchnahme des nördlich an das Grundstück des Antragstellers angrenzenden Grundstücks Nr. 540 ("V*****"), auf welches von der Leopoldstraße her bereits eine Zufahrt besteht, die beinahe bis zum Grundstück des Antragsstellers reicht; andererseits aber die vorliegende beantragte Inanspruchnahme des Grundstücks der Antragsgegnerin. Bei Inanspruchnahme des Grundstücks "V*****" könnte die Zufahrt entweder auf den bestehenden Weg oder über das (weitere) Grundstück der Antragsgegnerin Nr 533 ("P*****") erfolgen. Über den bestehenden Zufahrtsweg würde eine Wegdienstbarkeit etwa 50 bis 70 m in Anspruch nehmen, weil die Grundstücke Nr 539 und 540 an der südlichen Grenze teilweise bebaut sind. Bei Errichtung einer Zufahrtsmöglichkeit über das Grundstück "P*****" würde das Grundstück "V*****" über eine Länge von ca 25 m in Anspruch genommen. Über das Grundstück der Antragsgegnerin würde der für die Abfahrt benötigte Weg 19 m lang sein, was bei einer für eine einspurige Fahrbahn ausreichenden Breite von 3 m einen Flächenbedarf von 57 m2 ergibt.

Das Zu- und Abfahren vom Grundstück des Antragstellers über jenes der Antragsgegnerin vom bzw zur Leopoldstraße ist verkehrstechnisch möglich, und zwar das Zufahren von Süden und das Ausfahren nach Norden gut, das Links-Zufahren und Links-Abfahren nur eingeschränkt.

Die Wertminderung der Liegenschaft der Antragsgegnerin beträgt, setzt man eine Bebaubarkeit voraus, bei Errichtung eines ebenen Zufahrtsbzw Abfahrtsweges S 530.000,--. Geht man von einem Freilandgrundstück aus, so beträgt die Wertminderung S 22.000,--. Setzt man voraus, daß dieses Grundstück nicht bebaubar ist, und berücksichtigt man den Umstand, daß in diesem Bereich eine geschlossene Bauweise mit einer Bauhöhe von E + 4 gegeben ist, dann errechnet sich der Wert der Liegenschaft mit 50 % des Verkehrswertes, sohin mit S 6.000,--/m2.

Der Antragsteller begehrt, zugunsten der in seinem Eigentum stehenden Liegenschaft EZ ***** KG W***** ob der im Eigentum der Antragsgegnerin stehenden Liegenschaft EZ 321 KG W***** die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens (Zu- und Abfahrt sowie Rampe zu einer Tiefgarage) entlang der nördlichen Liegenschaftsgrenze zunächst auf einem Streifen von 5 m Breite und einer Länge von 7,20 m aus der Tiefgarage zur Erdoberfläche ansteigend, dann bis zur Grundgrenze Leopoldstraße ebenerdig verlaufend, als Notweg einzuräumen; hilfsweise werde die Einräumung des Notweges dergestalt beantragt, daß der Notweg entlang der nördlichen Liegenschaftsgrenze auf einem Streifen von 3,40 m Breite und einer Länge von 7,20 m zunächst aus der Tiefgarage zur Erdoberfläche ansteigend, dann in einer Breite von 3 m bis zur Grundgrenze Leopoldstraße verlaufe.

Aufgrund der Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes sei von einer grundsätzlichen Bebaubarkeit des Grundstücks des Antragsstellers auszugehen. Die Bebauung scheitere nur daran, daß das Grundstück über keine rechtlich gesicherte Abfahrt verfüge. Wenn sich auch die Antragsgegnerin privatrechtlich zur Einräumung einer Abfahrtsmöglichkeit verpflichtet habe, sei die Durchsetzung dieser Verpflichtung nicht mehr möglich, weil der Südring nunmehr Bundesstraße sei und es die Antragsgegnerin verabsäumt habe, dem Bund diese privatrechtliche Verpflichtung zu überbinden. Die Einräumung des Notweges sei der Antragsgegnerin zumutbar, weil sie selbst mit Schreiben vom 9.1.1990 die Einräumung einer Wegdienstbarkeit in Aussicht gestellt habe. Auf der beabsichtigten Ausfahrt zur Leopoldstraße bestehe bereits jetzt rein technich eine Zu- und Abfahrtsmöglichkeit über Schrägsteine. Das Grundstück der Antragsgegnerin sei darüber hinaus nicht bebaut und zu einer spezifischen Verwendung nicht geeignet. Schließlich müsse auch berücksichtigt werden, daß sich die Antragsgegnerin seinerzeit ausdrücklich zur Einräumung von Zu- und Abfahrten für das Baugrundstück des Antragstellers verpflichtet habe. Die Behauptung der Antragsgegnerin, daß einer Bebauung des Grundstücks des Antragstellers Widmungshindernisse entgegenstünden, sei grob unrichtig. Ob die vom Antragsteller eingereichten Projekte bewilligt werden könnten, sei nur im Bauverfahren zu klären. Öffentliche Interessen stünden der Einräumung eines Notweges nicht entgegen. Der von der Antragsgegnerin behauptete Umbau des Kreuzungsbereiches Südbahnstraße/Südring/Leopoldstraße sei auch nach Jahrzehnten noch nicht über das Stadium von Planungen hinausgetreten und daher unbeachtlich. Als Entschädigung komme nur ein Anerkennungsschilling, allenfalls ein Betrag von S 10.000,-- in Frage, weil das Grundstück der Antragsgegnerin unbebaubar sei und durch die Einräumung des Notweges nicht beeinträchtigt werde.

Die Zufahrt über die Liegenschaft der Antragsgegnerin werde begehrt, weil von einer rechtlich gesicherten Zufahrt auf das Grundstück des Antragsstellers über die Südbahnstraße nicht ausgegangen werden könne. Eine solche Annahme wäre erst dann gerechtfertigt, wenn die Antragsgegnerin, erforderlichenfalls die Bundesstraßenbehörde, die Zustimmung zu einer solchen Einfahrt erteilen würden. Rechtsverbindliche Erklärungen dieser Art lägen aber nicht vor.

Die Antragsgegnerin wendete sich gegen die Einräumung eines Notweges. Das Bauansuchen des Antragstellers sei nicht bloß wegen der fehlenden verkehrsmäßigen Erschließung abgewiesen worden. Der Ausgang eines neuerlichen Bauansuchens sei nicht abschätzbar, sodaß zumindest derzeit kein Bedarf an einem Notweg bestehe. Der vom Antragsteller beabsichtigten Verbauung stehe die großräumige Sanierung des Kreuzungsbereiches entgegen. Der Einräumung des Notweges stünden daher öffentliche Interessen im Wege. Die Errichtung einer Abfahrtsrampe komme aber schon wegen des Gebots, die Bestimmungen des NotwegeG einschränkend auszulegen, nicht in Betracht. Eine Ausfahrt über den beantragten Notweg in Richtung Süden oder eine Zufahrt über die Leopoldstraße (von Norden) komme aus verkehrstechnischen Gründen nicht in Frage.

Das Grundstück der Antragsgegnerin sei derzeit als unbebaubare Verkehrsfläche gewidmet und werde im Zuge des Ausbaues des Südringes für eine Bundesstraße in Anspruch genommen. Die Republik Österreich habe beim Bau der Holzhammerbrücke eine Entschädigung von 100 % des Verkehrswertes der Baufläche gezahlt. Bei der Festsetzung einer Entschädigungszahlung müsse somit von einem Grundstückswert von S 12.000,--/m2 ausgegangen werden.

Das Erstgericht räumte zugunsten der Liegenschaft des Antragstellers ob der im Eigentum der Antragsgegnerin stehenden Liegenschaft die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens (Abfahrt) entlang der nördlichen Liegenschaftsgrenze auf einem Streifen von 3 m Breite ebenerdig verlaufend als Notweg ein und trug dem Antragsteller auf, der Antragsgegnerin hiefür den Entschädigungsbetrag von S 342.000,-- binnen 14 Tagen zu zahlen (Punkte 1 und 2). Das Mehrbegehren auf Errichtung einer Zufahrt über die Liegenschaft der Antragsgegnerin sowie auf Errichtung einer Rampe von 7,20 m Länge in eine Tiefgarage (schlüssig auch noch auf Errichtung des Notweges in einer Breite von 5 m oder 3,40 m) wies es hingegen ab.

Die Abweisung im Rahmen der Errichtung eines Notwegs in der Form einer Abfahrtsrampe in eine Tiefgarage sowie hinsichtlich eines 3 m übersteigenden Notweges blieben unangefochten.

Nach Ansicht des Erstgerichtes mangle es der Liegenschaft des Antragstellers nur an einer rechtlich gesicherten Abfahrtsmöglichkeit. Eine solche sei für den Zweck ihrer ordentlichen Bewirtschaftung notwendig, um eine Verbindung zum öffentlichen Wegenetz herzustellen. Die Möglichkeit über das Grundstück "V*****" wäre für den Eigentümer belastender als der Notweg über die Liegenschaft der Antragsgegnerin. Das Grundstück der Antragsgegnerin sei als unbebaubar einzustufen. Andererseits haben sich die Antragsgegnerin bereits im Tauschvertrag vom Jahr 1963 verpflichtet, für eine Verbindung des Grundstücks des Antragstellers mit dem öffentlichen Wegenetz zu sorgen. Öffentliche Interessen stünden dem Begehren des Antragstellers nicht entgegen. Die Absicht, den Kreuzungsbereich neu auszugestalten, verfolge die Antragsgegnerin schon seit Jahrzehnten. Konkrete Ausführungsbeschlüsse existierten bisher aber nicht. Da grundsätzlich von einer Bebaubarkeit des Grundstücks des Antragstellers auszugehen sei, müsse im Verwaltungsverfahren geklärt werden, ob und in welcher Weise eine Baubewilligung für das vom Antragsteller eingereichte Projekt erteilt werden könne.

Da der Antragsteller über eine rechtlich gesicherte Zufahrt von der Südbahnstraße her verfüge, sei lediglich ein Recht zur Abfahrt einzuräumen gewesen, wobei eine Breite von 3 m ausreiche.

Die Liegenschaft der Antragsgegnerin sei weder im Freiland gelegen noch bebaubar; es liege vielmehr ein unbebaubares Grundstück vor. Angesichts der Verbauungsdichte in diesem Bereich sei ein Abschlag in der Höhe von 50 % des Verkehrswertes eines bebaubaren Grundstücks vorzunehmen, was eine Wertminderung von S 6.000,--/m2 ergebe. Daß die Republik Österreich in einem konkreten Fall Grundstücke zum vollen Verkehrswert eingelöst habe, könne daran nichts ändern, weil es sich dabei nicht um eine regelmäßig wiederkehrende Vorgangsweise, sondern nur um einen einmaligen Fall einer solchen Entschädigungshöhe gehandelt habe. Daß der Antragsteller an der Liegenschaft der Antragsgegnerin ein Vorkaufs- und Optionsrecht habe, habe auf die Ermittlung des Verkehrswertes keinen Einfluß.

Das Rekursgericht hob den Beschluß des Erstgerichtes, soweit dieser noch nicht in Rechtskraft erwachsen war, auf und trug dem Erstgericht eine neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung auf. Weiters sprach es aus, daß der Revisionsrekurs zulässig sei.

Das Erfordernis eines Notweges sei nicht nach der derzeitigen faktischen Benützung, sondern nach der öffentlich-rechtlichen Widmung der bedürftigen Liegenschaft zu beurteilen. Daher müsse auf einzelne, in das Bauverfahren gehörende Fragen nicht eingegangen werden. Das Erstgericht habe jedoch nicht ausreichend geprüft, ob die Einräumung eines Notweges über das Grundstück "V*****" für seinen Eigentümer nicht weniger belastend sei, als die Einräumung eines Notweges über die Liegenschaft der Antragsgegnerin für diese. Bei der Einräumung eines Notweges sei nämlich darauf Rücksicht zu nehmen, daß fremde Liegenschaften möglichst wenig belastet, andererseits dem wegebedürftigen Eigentümer möglichst geringe Auslagen verursacht werden. Von mehreren in Frage kommenden Eigentümern sei daher derjenige zur Erduldung des Notweges verpflichtet, den dieser am wenigsten belastet. Da dabei nur die Beeinträchtigungen des belasteten Grundstücks zu berücksichtigen seien, komme es bei der Beurteilung der Zumutbarkeit nicht auf die schuldrechtliche Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Einräumung von Dienstbarkeiten zugunsten des Grundstücks des Antragstellers an. Um eine endgültige Abwägung der die einzelnen Grundstücke treffenden Nachteile vornehmen zu können, bedürfe es noch ergänzender Feststellungen. Allein daß über das Grundstück "V*****" von der Leopoldstraße her eine Zufahrt beinahe bis zum Grundstück des Antragstellers reiche, lasse es noch nicht als eindeutig geklärt erscheinen, ob jenes Grundstück durch die Einräumung eines Notweges wesentlich geringer belastet würde als das Grundstück der Antragsgegnerin. Die Errichtung neuer Weganlagen habe gegenüber der Mitverwendung bereits bestehender Weganlagen aber tunlichst zu unterbleiben. Daher seien Feststellungen darüber erforderlich, wie das Grundstück des Antragsstellers über das Grundstück "V*****" im einzelnen aufgeschlossen werden könnte und welche weiteren Belastungen für dieses Grundstück damit verbunden seien. Auf die vom Erstgericht vorgenommene Abwägung der belasteten Flächen allein komme es dabei nicht an.

Auch die Frage, ob ein öffentliches Interesse der Einräumung eines Notweges entgegenstehe, könne noch nicht abschließend beurteilt werden. Gemäß § 9 Abs 4 NotwegeG sei über diese Frage eine - nicht bindende - Entscheidung der zuständigen Verwaltungsbehörde einzuholen. Entgegen der früheren Rechtslage, die insoweit eine bindende Entscheidung der Verwaltungsbehörde vorgesehen habe, gewähre § 9 Abs 4 NotwegeG nur mehr ein Anhörungsrecht. Aus den Bestimmungen in den Straßengesetzen (§ 14 BundesstraßenG, § 60 Abs 1 Tiroler StraßenG), wonach die mit der Erklärung zum Planungsgebiet verbundenen Folgen befristet seien, könne abgeleitet werden, daß die Geltendmachung öffentlicher Interessen im Notwegeverfahren ebenfalls einer zeitlichen Schranke unterlägen. Eine mehr oder weniger vage, über Jahrzehnte hinweg beabsichtigte Baumaßnahme könne daher ein ausreichendes öffentliches, einer Notwegeeinräumung entgegenstehendes Interesse nicht begründen. Öffentliche Interessen dürften durch eine Notwegeeinräumung zwar nicht verletzt, aber berührt werden. Komme es erst später zu einer beabsichtigten Straßenbaumaßnahme, dann bestehe auch die Möglichkeit der Enteignung des allenfalls eingeräumten Notweges. Wenngleich das geltend gemachte öffentliche Interesse sohin die Einräumung eines Notweges nicht verhindern könne, sei das Verfahren in Ansehung der zu berücksichtigenden öffentlichen Interessen dennoch mangelhaft. Gemäß § 9 Abs 4 NotwegeG sei nämlich dazu eine Stellungnahme der zuständigen Verwaltungsbehörde einzuholen. Da aber der allenfalls auch auszubauende Südring eine Bundesstraße sei, fehle noch eine Stellungsnahme der zuständigen Verwaltungsbehörde, als welche das Amt der Tiroler Landesregierung oder das zuständige Bundesministerium in Betracht kämen.

Sollte der beantragte Notweg zuzuerkennen sein, bedürfe es auch noch einer Verfahrensergänzung über die angemessene Entschädigung. Aus dem Gutachten der Sachverständigen Ing.Herbert K***** und Ing.Gerhard B***** ergebe sich nämlich, daß in Innsbruck ein Fall bekannt sei, bei dem die Republik Österreich ein Grundstück nahezu zum vollen Verkehrswert des umliegenden Baulandes eingelöst habe. Sollte diese Praxis noch aufrecht sein, wäre der volle m2/Preis von S 12.000,-- für die Höhe der Entschädigungszahlung maßgebend. Sollte sich herausstellen, daß das Bauverbot an der Liegenschaft der Antragsgegnerin bis zu einer (Teil-)Enteignung durch die Republik Österreich zum Zwecke des Bundesstraßenbaus aufrecht bleibe und andererseits öffentliche Interessen derzeit einer Einräumung eines Notweges nicht entgegenstünden, komme als Verkehrswert nur jener Preis in Betracht, der in Form von Enteignungsentschädigungen gezahlt werde.

Der Rekurs des Antragstellers sei insoweit berechtigt, als er sich gegen die Annahme des Erstgerichts wende, daß eine rechtlich gesicherte Zufahrt zu seinem Grundstück von der Südbahnstraße her gegeben sei. Mit der für die Errichtung dieser Einfahrt erforderlichen Verlegung der Fußgängerampel könnte eine Änderung des Einschlusses der Südbahnstraße (Gemeindestraße) in den Südring (Bundesstraße) verbunden sein. Gemäß § 26 BundesstraßenG dürften Anschlüsse von öffentlichen Straßen und Wegen in Bundesstraßen sowie Anschlüsse von nicht öffentlichen Straßen und Wegen oder Zu- oder Abfahrten zu einzelnen Grundstücken in Ortsgebieten nur mit Zustimmung des Bundes (Bundesstraßenverwaltung) angelegt oder abgeändert werden. Ob eine solche Änderung mit der Errichtung einer Zufahrt von der Südbahnstraße her verbunden sei, müsse daher geprüft werden. Sei das der Fall, dann könne von einer rechtlich gesicherten Zufahrt zum Grundstück des Klägers von der Südbahnstraße her nur dann gesprochen werden, wenn sowohl die Stadtgemeinde Innsbruck als auch die Bundesstraßenverwaltung die Zustimmung dafür erteilten.

Das an der Liegenschaft der Antragsgegnerin bestehende Options- bzw Vorkaufsrecht des Antragstellers könne den Entschädigungsanspruch der Antragsgegnerin nicht mindern. Gemäß Punkt IV der Vereinbarung vom 9.1.1970 gelte nämlich als Kaufpreis, zu dem das Optionsrecht ausgeübt werden könne, der Verkehrswert der Liegenschaft zum Zeitpunkt der Geltendmachung der Option. Damit sei auch im Fall der Ausübung der Option der Verkehrswert der belasteten Liegenschaft maßgebend. Soweit der Antragsteller darlege, daß das Grundstück der Antragsgegnerin aufgrund seiner geringen Fläche nicht bebaubar sei, im Fall einer Bebauung die Zu- und Abfahrt zu dieser Liegenschaft ebenfalls über den Notweg erfolgen müsse, weshalb die Wertminderung entweder vom Freilandpreis zu berechnen oder aber jedenfalls um ein Drittel zu kürzen sei, erwiesen sich seine Argumente als rein spekulative Überlegungen, die derzeit nicht berücksichtigt werden könnten.

Eine längere Leistungsfrist für die Zahlung der Entschädigungssumme habe der Antragsteller im Verfahren erster Instanz nicht begehrt, die diesbezüglichen Ausführungen des Rekurses verstießen daher gegen das Neuerungsverbot. Abgesehen davon, betrage die Leistungsfrist des § 15 Abs 5 NotwegeG 4 Wochen; auf Ansuchen des Verpflichteten könne ihm eine weitere Frist eingeräumt werden. Die vom Erstgericht bemessene 14-tägige Leistungsfrist könnte - nach ihrem Ablauf - auf 4 Wochen verlängert werden.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen vom Antragsteller erhobene Revisionsrekurs ist nicht berechtigt.

Den Ausführungen im Revisionsrekurs, daß der Auftrag zur Einholung einer Stellungnahme der Republik Österreich zur Frage, ob und inwieweit öffentliche Interessen der Benützung eines Teiles der Liegenschaft der Antragsgegnerin als Notweg entgegenstehen, entbehrlich sei, kann nicht beigepflichtet werden. Gemäß § 4 Abs 3 NotwegeG ist die Einräumung eines Notweges ua über solche Grundstücke, welche aus öffentlichen Rücksichten die Benützung als Notweg nicht gestatten, ausgeschlossen. In Bezug auf die Frage, ob und inwieweit öffentliche Rücksichten der Benützung eines bestimmten Grundstücks als Notweg entgegenstehen, ist von dem Gericht in jedem betreffenden Falle die Erklärung der zuständigen Verwaltungsbehörde einzuholen. Die weitere Wortfolge im Gesetz "und bei der Entscheidung als bindend zu betrachten" ist nach Aufhebung durch den Verfassungerichtshof (VfSlg 10.300) mit Ablauf des 30.11.1985 nicht mehr Gesetzestext (Kundmachung BGBl 1985/81). Wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, besteht insoweit nur mehr ein Anhörungsrecht der zuständigen Verwaltungsbehörde (Petrasch in Rummel, ABGB2 Rz 8 zu § 480). Die Frage, ob öffentliche Interessen der Einräumung eines Notweges entgegenstehen, kann vom Gericht nur nach Anhörung der zuständigen Verwaltungsbehörde entschieden werden. Eine Beurteilung der von den Parteien geltend gemachten öffentlichen Interessen ohne eine solche Anhörung scheidet aus (arg.: "....... in jedem betreffenden Fall.....").

Im vorliegenden Fall geht es um die Frage, ob die Liegenschaft der Antragsgegnerin im Zuge des Ausbaues des Kreuzungsbereiches Südbahnstraße/Südring/Leopoldstraße benötigt wird und der in Anspruch genommene Notweg an der Nordgrenze der Liegenschaft der Antragsgegnerin einem solchen Projekt entgegensteht. Da der Südring eine Bundesstraße ist, fehlt es aber noch an der Zustimmung der für den Bundesstraßenbau zuständigen Verwaltungsbehörde. Ob ein von dieser Behörde allenfalls geltend gemachtes Straßenbauvorhaben nicht ausreichend aktuell ist, um der Einräumung eines Notweges entgegenzustehen, kann erst danach beurteilt werden. Es kann aber auch nicht von den von der Volksanwaltschaft und vom Verfassungsgerichtshof in den Jahren 1985 und 1988 eingeholten Stellungnahmen ausgegangen werden. Abgesehen davon, daß dies der Verfahrensvorschrift in § 9 Abs 4 NotwegeG nicht entsprechen würde, sind die im Revisionsrekurs zitierten Stellungnahmen bereits so alt, daß ihre Aktualität nicht mehr gewährleistet ist. Die Schlußfolgerung aber, daß sich seit der Einholung dieser Auskünfte nichts mehr geändert habe, ist nicht zwingend.

Auch der Auftrag an das Erstgericht, zu prüfen, ob für den Notweg das Grundstück "V*****" geeigneter wäre als das Grundstück der Antragsgegnerin ist nicht zu beanstanden. Grundsätze für die Wahl zwischen mehreren geeigneten Liegenschaften enthält das NotwegeG zwar nicht; aus dem Gebot im § 2 NotwegeG, die Vorteile des Notweges und die Nachteile desselben für die belastete Liegenschaft gegeneinander abzuwägen, muß gefolgert werden, daß jener Eigentümer zur Duldung des Notweges herangezogen werden soll, für welchen die Belastung am wenigsten empfindlich ist (Klang in Klang2 II 159 f; EvBl 1958/362; JBl 1976, 317). Wie das Rekursgericht zutreffend ausgeführt hat, kann anhand der vorliegenden Feststellungen noch nicht beurteilt werden, welcher Eigentümer durch einen Notweg weniger belastet würde. Die Wegstrecken, die ein Notweg über das Grundstück "Völlenklee" in Anspruch nehmen würde, können dabei nicht allein entscheidungswesentlich sein. Maßgebend ist vielmehr, daß sich auf diesem Grundstück bereits eine Weganlage befindet, die bis knapp an das Grundstück des Antragstellers heranreicht. Die Belastung dieser Liegenschaft mit einem zusätzlichen Geh- und Fahrrecht von der bestehenden Weganlage zum Grundstück des Antragstellers könnte aber als weitaus geringer zu beurteilen sein als die Belastung des Grundstückes der Antragsgegnerin durch eine neue Weganlage. Nach der Aktenlage kann aber noch nicht abschließend beurteilt werden, ob die Baulichkeiten an der Südgrenze dieses Grundstücks eine Verlängerung der bestehenden Weganlage bis zum Grundstück des Antragstellers hindern. Die Belastung des Grundstücks "V*****" könnte, soweit sie nur das zusätzliche Wegerecht auf der bestehenden Weganlage betreffen würde, nur in der Differenz des Verkehrswerts dieser Liegenschaft vor und nach der Einräumung des Notweges liegen (JUS extra 1987 f 30.20.01). Mangels einer solchen Beeinträchtigung wäre dann insoweit nur mehr die noch nicht feststehende Länge der erforderlichen Wegeverlängerung zum Grundstück des Antragstellers maßgebend.

Die Notwendigkeit ergänzender Erhebungen über den Verkehrswert der Liegenschaft der Antragsgegnerin stellt der Revisionsrekurs nicht in Frage.

Im Hinblick auf den Umfang der erforderlichen Verfahrensergänzung kann auch nicht beanstandet werden, daß das Rekursgericht das Verfahren nicht in analoger Anwendung des § 496 Abs 3 ZPO selbst ergänzt hat.

Im fortgesetzten Verfahren wird das Erstgericht auch noch die Umstände zu erheben haben, die für eine allfällige Verlängerung der Leistungsfrist im Sinne des § 15 Abs 5 NotwegeG von Bedeutung sind, insbesondere die Leistungsfähigkeit des Antragstellers. Auf das schon mit dem Rekurs erhobene Verlängerungsansuchen könnte dabei auch schon bei der Beschlußfassung eingegangen werden, ohne daß es noch eines nach der Entscheidung zu stellenden (neuerlichen) Ansuchens bedarf.

Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens war zweckmäßigerweise der neuerlichen Entscheidung des Erstgerichts vorzubehalten.

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