OGH 12Os175/96

OGH12Os175/9613.2.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Februar 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut, Dr. Schindler, Dr. E.Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr. Torpier als Schriftführer, in der Strafsache gegen Thomas H***** wegen des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 10. September 1996, GZ 7 d Vr 777/95-44, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Raunig, des Angeklagten und des Verteidigers Dr. Schlögl zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen rechtskräftigen Teilfreispruch enthält, wurde Thomas H***** des Vergehens der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 16.März 1993 in Wien dadurch, daß er an der Universität Wien die inhaltlich unrichtigen Vorprüfungszeugnisse aus Latein, Physik und Chemie (gemeinsam) mit dem Zeugnis über die Externistenhauptmatura zum Zweck der Immatrikulation vorlegte, ein falsches Beweismittel in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren gebraucht.

Nach den vom Erstgericht hiezu getroffenen Feststellungen absolvierte Thomas H***** in den Jahren 1989 bis 1993 mit dem Ziel der Ablegung der Externistenmatura eine Wiener Maturaschule. Die für die Zulassung zur sogenannten Hauptmatura erforderlichen Vorprüfungen in den Fächern Latein, Physik und Chemie wurden ihm von der Schulinhaberin dadurch erspart, daß diese - ohne ihn in Einzelheiten der betreffenden Malversationen einzuweihen - die Eintragung fingierter Prüfungsergebnisse für die betreffenden Gegenstände in den Vorprüfungskatalog veranlaßte und auf dieser Grundlage die Ausstellung der - inhaltlich unrichtigen - Vorprüfungszeugnisse der zuständigen Schulbehörde bewirkte. Nach dem erfolgreichen Bestehen der Hauptmatura legte der Angeklagte Angestellten der Universität Wien zusammen mit anderen Unterlagen auch diese Zeugnisse im Wissen um ihre inhaltliche Unrichtigkeit und die Rechtswidrigkeit ihrer Erlangung zum Zweck der Immatrikulation vor und gebrauchte sie solcherart als falsches Beweismittel in einem verwaltungsbehördlichen Verfahren.

Rechtliche Beurteilung

In seiner dagegen auf § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde wendet der Angeklagte ein, die vorliegenden Zeugnisse fielen als Absichtsurkunden nicht unter den Beweismittelbegriff des § 293 StGB. Sie seien aber auch nicht Tatobjekt der - als leges speciales solche Urkunden ausschließlich erfassenden - Tatbestände der §§ 223 f StGB, weil diese nur die Herstellung über die Identität des Ausstellers täuschender "unechter" Urkunden, die nachträgliche Verfälschung einer echten Urkunde oder den Gebrauch derartiger Urkunden, nicht jedoch auch die Herstellung bzw den Gebrauch echter Urkunden mit (von vornherein) unwahrem Inhalt zum Gegenstand hätten.

Nach nunmehr einhelliger Judikatur (siehe die Entscheidung des verstärkten Senates vom 5.Oktober 1994, 13 Os 81/93 = EvBl 1995/21) sind unter dem - im weitesten Sinn auszulegenden (EBRV 1971/444) - Begriff des "Beweismittels" auch die Urkunden im strafrechtlichen Sinn und damit auch solche unwahren Inhaltes (sogenannte "Lugurkunden") zu verstehen. Denn nach dem Wortsinn des § 293 StGB kann unter falschen Beweismitteln sowohl ein inhaltlich als auch ein formell unrichtiges Beweismittel verstanden werden (in diesem Sinn auch Kienapfel in JBl 1973, 494). Dem steht nicht entgegen, daß die Herstellung einer Urkunde mit unrichtigem Inhalt ohne Täuschung über die Identität des Ausstellers nicht nach § 223 f StGB strafbar ist. Mangels eines zwar für den Urkundenbegriff des § 223 StGB, nicht aber für Beweismittel im weiteren Sinn in der Person eines "Ausstellers" geforderten personalen Garantieelementes ist nämlich der Bedeutungsinhalt des Begriffes "falsch" in Verbindung mit "Beweismitteln", denen ein solches Bezugsobjekt fremd ist, ein weiterer. Er bleibt insoweit nicht auf die Identität des (zumeist auch gar nicht bekannten) "Ausstellers" (= Urhebers bzw Erzeugers) beschränkt.

Demgemäß wurde der Gebrauch der vorliegenden "Lugurkunden" rechtsrichtig als Vergehen der Fälschung eines Beweismittels nach § 293 Abs 2 StGB beurteilt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach §§ 37 Abs 1, 293 Abs 2 StGB eine Geldstrafe von sechzig Tagessätzen zu je 150 S, im Uneinbringungsfall dreißig Tage Freiheitsstrafe.

Bei der Strafbemessung wertete es keinen Umstand als erschwerend, das Geständnis und den bisherigen ordentlichen Lebenswandel hingegen als mildernd.

Der dagegen gerichteten Berufung des Angeklagten, mit welcher er - sowohl in Ansehung der Anzahl als auch der Höhe der Tagessätze - eine Herabsetzung der Geldstrafe und deren bedingte Nachsicht anstrebt, kommt keine Berechtigung zu.

Bei der Erschleichung eines Maturazeugnisses durch Umgehung mehrerer Vorprüfungen und Vorlage inhaltlich unrichtiger Zeugnisse zum Zweck der mißbräuchlichen Inanspruchnahme universitärer Einrichtungen kann weder von einem "äußerst geringen sozialen Störwert" der Tat noch von einer so geringen Schuld des Angeklagten die Rede sein, daß eine Reduktion der - ohnehin gering bemessenen - Geldstrafe gerechtfertigt wäre.

Es trifft weiters nicht zu, daß die Höhe des einzelnen Tagessatzes der wirtschaftlichen Leistungskraft des Angeklagten widerspricht. Die damit verbundene fühlbare Herabsetzung des Lebensstandards als Folge eines vorübergehend dem Existenzminimum nahekommenden Einkommens ist kriminalpolitischer Zweck der Geldstrafe (Leukauf-Steininger Komm3 § 19 RN 24) und daher kein Grund zu deren Mäßigung.

Einer bedingten Strafnachsicht stehen im Sinne der erstgerichtlichen Argumentation Rücksichten der Spezialprävention, angesichts der Besonderheiten der - in der Öffentlichkeit als "Maturaskandal" bezeichneten - Strafsache aber auch solche der Generalprävention entgegen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a StPO.

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