Spruch:
Der Beschluß des Bezirksgerichtes Bruck/Mur vom 16.August 1996, AZ 4 U 197/93 (S 79), verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 43 Abs 2 StGB sowie in dem sich aus den Anfechtungsvorschriften und dem XX.Hauptstück der Strafprozeßordnung ergebenden Grundsatz der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen.
Dieser Beschluß wird aufgehoben und der darauf gerichtete Antrag des Bezirksanwalts zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Rechtliche Beurteilung
Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Bruck/Mur vom 14.Juli 1993, GZ 4 U 197/93-15, wurde Agron K***** wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt.
In der Folge wude Agron K***** mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Leoben als Schöffengericht vom 18.April 1994, GZ 12 Vr 1.395/93-29, des - innerhalb der Probezeit begangenen - Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB sowie des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Gemeinsam mit diesem Urteil erging der ebenfalls in Rechtskraft erwachsene Beschluß auf Widerruf der eingangs bezeichneten bedingten Strafnachsicht (§ 494 a Abs 1 Z 4 StPO).
Trotz Aktenkundigkeit dieser Widerrufsentscheidung (erste ON 19) erklärte das Bezirksgericht Bruck/Mur in Übereinstimmung mit einer verfehlten Antragstellung des Bezirksanwaltes mit Beschluß vom 16. August 1996 (S 79) die Geldstrafe für endgültig nachgesehen.
Zutreffend macht der Generalprokurator in seiner Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes geltend, daß diese Entscheidung gegen das Gesetz verstößt:
Begriffliche Voraussetzung für die endgültige Strafnachsicht ist das Unterbleiben deren Widerrufs (§ 43 Abs 2 StGB). Diese Bedingung war nicht erfüllt, weil zuvor bereits das Landesgericht Leoben auf Widerruf erkannt hatte. Der im Verfahren AZ 12 Vr 1.395/93 des Landesgerichtes Leoben gefaßte Widerrufsbeschluß vom 18.April 1994 entfaltete (auch schon vor Eintritt der Rechtskraft) eine Bindungswirkung, derzufolge kein Gericht ohne vorangegangene Aufhebung des Beschlusses berechtigt war, über den Entscheidungsgegenstand neuerlich abzusprechen. Das Bezirksgericht Bruck/Mur hat daher durch seine Beschlußfassung vom 16.August 1996 eine Entscheidungskompetenz rechtswidrig in Anspruch genommen.
Die Feststellungsentscheidung über eine endgültige Strafnachsicht konnte weder den schon vorher durch das zuständige Landesgericht Leoben wirksam beschlossenen Widerruf der bedingten Strafnachsicht beseitigen, noch sonst eine Rechtsfolge hervorrufen; der konstitutive Gehalt des ab seiner Verkündung wirksamen und danach auch in Rechtskraft erwachsenen Widerrufsbeschlusses blieb vielmehr hievon unberührt (JBl 1989, 400 = EvBl 1989/64).
Zur Klarstellung der Rechtslage war der verfehlte Beschluß des Bezirksgerichtes daher - ohne daß damit ein Nachteil für den Verurteilten verbunden ist - aufzuheben und der diesbezügliche Antrag des Bezirksanwalts zurückzuweisen.
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