Spruch:
Das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 9.Juli 1996, GZ 11 E Vr 169/96-9, verletzt das Gesetz in der Bestimmung des § 1 Abs 4 TilgG.
Dieses Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, wird im Ausspruch, Herbert K***** sei rückfällig (§ 39 StGB) und demzufolge in der rechtlichen Unterstellung der Tat unter § 198 Abs 2 StGB sowie im Strafausspruch aufgehoben.
Zur Strafneubemessung wird die Sache an das Landesgericht Leoben verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem oben bezeichneten rechtskräftigen Urteil wurde Herbert K***** des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Darnach hat er vom 30.April 1991 bis einschließlich Mai 1991, vom 1. Jänner 1993 bis einschließlich Oktober 1993 sowie vom 1.Jänner 1994 bis einschließlich 1.Juli 1996 in Bruck an der Mur im Rückfall (§ 39 Abs 1 StGB) dadurch, daß er die für seine am 10.Mai 1985 geborene außereheliche Tochter Elisabeth S***** vorgeschriebenen monatlichen (Unterhalts-)Zahlungen von 1.400 S nicht leistete, seine im Familienrecht begründete Unterhaltspflicht gröblich verletzt und dadurch bewirkt, daß der Unterhalt der Unterhaltsberechtigten ohne Hilfe von anderer Seite gefährdet gewesen wäre.
Die über ihn deswegen verhängte Freiheitsstrafe von sechs Monaten ist noch nicht verbüßt. Bei der Strafbemessung wurden unter anderem "vier einschlägige Vorstrafen" als erschwerend gewertet.
Rechtliche Beurteilung
Die Annahme des Vorliegens der Voraussetzungen des § 198 Abs 2 erster Fall StGB durch das Erstgericht steht - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:
Mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 15.Dezember 1983, AZ 6 U 85/83, war Herbert K***** des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer gemäß § 43 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren bedingt - und schließlich endgültig - nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Wochen verurteilt worden.
Mit dem Urteil desselben Gerichtes vom 7.Feber 1985, AZ 6 U 46/84, wurde der Genannte neuerlich wegen des gleichen Vergehens schuldig erkannt und zu einer abermals unter Bestimmung einer Probezeit von zwei Jahren bedingt nachgesehenen einmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, welche - nach Verlängerung der Probezeit (auf vier Jahre) und Widerruf der bedingten Strafnachsicht - bis 13.März 1989 vollzogen wurde.
Anlaß für den Widerruf war die neuerliche Verurteilung wegen § 198 Abs 1 StGB mit Urteil des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 13. Oktober 1988, AZ 6 U 4/88. Die dabei verhängte einmonatige Freiheitsstrafe wurde bis 13.April 1989 vollzogen.
Zwischenzeitig war Herbert K***** mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 12.November 1986, AZ 11 E Vr 1.283/86, wegen der Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen, im Falle der Uneinbringlichkeit zu 30 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt worden, die mit 1.September 1987 vollzogen war.
Mit dem Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 4.September 1990, AZ 18 E Vr 456/90, wurde Herbert K***** des Vergehens der Verletzung der Unterhaltspflicht nach § 198 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt, aus welcher er am 29.April 1991 bedingt und schließlich endgültig entlassen wurde (AZ 20 BE 35/91 des Landesgerichtes Leoben). In diesem Fall begann die Einzeltilgungsfrist somit am 29. April 1991 zu laufen.
Zufolge des durchwegs einen Monat nicht übersteigenden Ausmaßes der Freiheits- bzw Ersatzfreiheitsstrafen aus den ersten vier Verurteilungen trat keine Verlängerung der (jeweils 5-jährigen - § 3 Abs 1 Z 2 TilgG) Tilgungsfristen ein (§ 4 Abs 3 TilgG), weshalb sämtliche Verurteilungen (§ 4 Abs 1 TilgG) am 29.April 1996, sohin vor der hier in Rede stehenden Urteilsfällung durch das Landesgericht Leoben vom 9.Juli 1996 getilgt waren.
Aus getilgten Verurteilungen dürfen aber gemäß § 1 Abs 4 TilgG keine dem Täter nachteiligen Konsequenzen mehr abgeleitet werden. Weil jedoch § 198 Abs 2 erster Fall StGB einen Strafsatz normiert (Leukauf/Steininger Komm3 § 198 RN 38), dessen materiellrechtliche Beurteilung auf den Tatzeitpunkt abzustellen hat, wurde das Gesetz zwar nicht in dieser (so 9 Os 66/79), wohl aber in der ein Beweisthemenverbot (Mayerhofer/Rieder Nebenstrafrecht § 1 TilgG Anm 4) zum Ausdruck bringenden Bestimmung des § 1 Abs 4 TilgG verletzt, stand doch der tatsächlichen Feststellung der Rückfallsvoraussetzungen (§ 39 StGB) dieses prozessuale Hindernis entgegen.
Dieser Verfahrensfehler hat sich zum Nachteil des Verurteilten ausgewirkt, weshalb der darauf beruhende Qualifikationsausspruch (§ 198 Abs 2 StGB) zu beheben war (§ 292 letzter Satz StPO).
Zur damit notwendig gewordenen Strafneubemessung war die Sache an die erste Instanz zu verweisen, nachdem der Verurteilte zum Gerichtstag nicht erschienen ist (§ 296 Abs 3 StPO). Eine Verweisung an das nunmehr zuständige Bezirksgericht erschien dem Obersten Gerichtshof nicht zweckmäßig (§ 288 Abs 2 Z 3 StPO aE).
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