OGH 8Ob2161/96v

OGH8Ob2161/96v30.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Langer, Dr.Rohrer, Dr.Adamovic und Dr.Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Johanna N*****, vertreten durch Dr.Johann Fontanesi, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagten Parteien 1. S*****gesellschaft mbH, 2. U*****gesellschaft mbH, ***** ***** vertreten durch Dr.Rudolf Fuchs, Rechtsanwalt in Wien, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Parteien 1. Voitl & Co Baugesellschaft mbH, 1010 Wien, Werdertorgasse 14, vertreten durch Dr.Walter Scherlacher, Rechtsanwalt in Wien, und 2. Ing.Peter K***** wegen S 1,533.150.91 sA (richtig: S 1,533.150,01 sA; Revisionsinteresse S 873.150,01 sA) infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 24.Jänner 1996, GZ 39 R 189/96z-110, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 11.September 1995, GZ 47 C 609/87m-105, bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der außerordentlichen Revision wird im Umfang der Anfechtung (S 873.150,01 sA) Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die im übrigen mangels Anfechtung unberührt bleiben, werden im Umfang von S 873.150,01 sA und im Kostenpunkt aufgehoben. Die Rechtssache wird insoweit zur Ergänzung des Verfahrens und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Klägerin war Mieterin von Geschäftsräumlichkeiten in einem Haus im 7. Wiener Gemeindebezirk, in dem sie einen Gastgewerbebetrieb führte. Aufgrund einer Vereinbarung vom 3.April 1984 überließ sie diese Räumlichkeiten den beklagten Parteien, die sich verpflichteten, der Klägerin entsprechende Ersatzobjekte in einem nahegelegenen Haus in derselben Gasse zum Betrieb dieser Gaststätte zu vermieten. Hiebei war eine möglichst weitgehende Angleichung der Gasträume der neuen Betriebsstätte bezüglich Gestaltung und Einrichtung an jene der bisherigen Betriebsstätte angestrebt. Vereinbart war auch, daß im Rahmen des Ersatzes keine Verbesserung des bisherigen Zustandes und der bisherigen Kapazität erreicht werden sollte. Für den Fall, daß einzelne Anlagen und Einrichtungen aus der ehemaligen Betriebsstätte in das neue Objekt nicht übersiedelt werden können sollten, verpflichtete sich die erstbeklagte Partei, diese Einrichtungen und Anlagen in möglichst weitgehender Annäherung an jene, die im seinerzeitigen Gastgewerbebetrieb vorhanden waren, neu herzustellen. Zur Entscheidung darüber, welche Anlagen und Einrichtungen nicht zu übersiedeln seien, wurde ein Schiedsmann bestellt.In einem Leistungsverzeichnis wurden die durchzuführenden Adaptierungsarbeiten taxativ aufgezählt. Im Vertrag ist festgehalten, daß die Klägerin die Mehrkosten für eine von ihr gewünschte Sonderausstattung für drei Innentüren selbst zu tragen hat.

Hinsichtlich der Be- und Entlüftung wurde festgelegt, daß diese mittels in den Fenstern bzw Außenmauern situierten sogenannten X-Pelair-Lüftern zu erfolgen habe, die denselben Standard wie im alten Lokal aufweisen und die dort funktionierten. Die ursprünglich vorgesehenen Lüfter wurden über ausdrücklichen Wunsch der Klägerin durch solche einer anderen Marke mit besseren Regulierungsmöglichkeiten ersetzt.

Nach Übergabe des Betriebsobjektes gab die Klägerin Anfang 1986 der beklagten Partei bekannt, daß die Lüftungsanlage schwere Mängel aufweise. Es steht fest, daß die im neuen Lokal eingebauten Be- und Entlüftungsgeräte zur Erfüllung ihrer Funktion insofern nicht geeignet sind, als sie die vorhandene Frischluft nicht erwärmen, außerdem die Frischluft nicht gefiltert wird und auch die Lautstärke, die durch die Geräte entwickelt wird, zu hoch ist. Die eingebauten Geräte können nicht verbessert werden; es kommt zu Zugluft und unzumutbarer Geräuschbelästigung.

Nachdem sich die Unbehebbarkeit der Mängel der eingebauten Be- und Entlüftungsanlage herausgestellt hatte, forderte die Klägerin von den beklagten Parteien anstatt der schlecht funktionierenden Anlage, die aus Einzelkomponenten besteht, den Einbau einer besser funktionierenden, aber wesentlich teueren Mehrkomponentenanlage, die allerdings wegen eines besseren Lüftungseffekts eine Standardverbesserung mit sich bringen würde. Im Zuge des klagsgegenständlichen Verfahrens entschloß sich die Klägerin, die von ihr gewünschte Mehrkomponentenanlage vorerst auf eigene Kosten einzubauen, wofür sie S 873.150,01 bezahlte.

Mit der vorliegenden Klage begehrt die Klägerin nach mehreren Klagsausdehnungen schließlich S 1,533.150,01 sA; der Betrag setzt sich aus den Kosten für die neue Be- und Entlüftungsanlage in Höhe von S 873.150,01 sA sowie aus einem inzwischen nicht mehr verfahrensgegenständlichen Betrag von S 660.000, den sie wegen Verdienstentgangs begehrte, zusammen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es erklärte weder feststellen zu können, welche Lösung die Parteien getroffen hätten, wenn sie gewußt hätten, daß im neuen Lokal eine Be- und Entlüftungsanlage gleicher Art wie im alten Lokal nicht funktionieren werde, noch feststellen zu können, welche Be- und Entlüftungsanlage der alten gleichwertig wäre und was eine solche kosten würde.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, daß die ordentliche Revision unzulässig sei. Es führte im hier noch relevanten Bereich in rechtlicher Hinsicht aus, daß die der rechtlichen Beurteilung zuzuordnende Auslegung der Vereinbarung nach dem hypothetischen Vertragswillen nicht zu dem von der Klägerin gewünschten Ergebnis führen könne. Lege man zugrunde, daß die installierte Be- und Entlüftungsanlage im neuen Lokal funktionsunfähig gewesen sei, so ergebe sich aus den übrigen Vertragsbestimmungen, die vor allem eine Gleichwertigkeit der Anlage fordern und ausdrücklich bestimmen, daß eine Verbesserung nicht eintreten solle, daß die Parteien hier nach ihrer redlicherweise zu unterstellenden Absicht keineswegs die Installation dieser kostenspieligen Anlage auf Kosten der erstbeklagten Partei vereinbart hätten. Vielmehr wäre hier in Anlehnung an die in Punkt XIII getroffene Regelung betreffend dreier höherwertiger Innentüren eine Tragung der Kosten durch die Klägerin vereinbart worden.

Gegen die Bestätigung der Abweisung der Kosten für die neue Be- und Entlüftungsanlage richtet sich die außerordentliche Revision der Klägerin mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen insoweit im Sinne der Klagsstattgebung abzuändern; hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Die beklagte Partei beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Zur Zulässigkeit:

Es handelt sich bei der vorliegenden Vertragsauslegung zwar um einen Einzelfall; dennoch ist die Revision aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein grober Fehler bei der Vertragsauslegung zu korrigieren ist.

Die Revision ist im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrages berechtigt.

Das Berufungsgericht geht zwar zutreffend davon aus, daß die Vereinbarung nach dem hypothetischen Parteiwillen auszulegen und zu prüfen sei, welche Regelung redliche Vertragsparteien für den nicht vorgesehenen Fall getroffen hätten, daß eine der alten Belüftungsanlage entsprechende Belüftungsanlage im neuen Lokal nicht funktionstüchtig sein werde und nur eine höherwertigere Anlage als die frühere einen zufriedenstellenden Be- und Entlüftungserfolg haben würde, und kamen zu dem an sich zutreffenden Ergebnis, daß die Parteien eine Vereinbarung in Anlehnung an die in Punkt XIII getroffene Regelung betreffend dreier höherwertiger Innentüren geschlossen hätten, kommt aber unverständlicherweise zum Ergebnis, daß dies eine Tragung der Kosten durch die Klägerin bedeutet hätte, obwohl in der genannten Bestimmung ausdrücklich vereinbart wurde, daß die Klägerin nur die Mehrkosten für die höherwertige Ausführung zu tragen hat. In Anlehnung an die genannte Vertragsbestimmung ergibt sich daher, daß die Klägerin nur die Mehrkosten für eine höherwertige Be- und Entlüftungsanlage zu tragen hat.

Da die von der erstbeklagten Partei eingebaute Be- und Entlüftungsanlage funktionsuntüchtig war, man der Klägerin bei redlicher Vertragsauslegung aber jedenfalls einen Anspruch auf eine funktionstüchtige Anlage auch im neuen Lokal zubilligen muß, hat ihr die beklagte Partei, obwohl sie bereits eine, allerdings funktionsuntüchtige Anlage eingebaut hat, die Kosten einer neuen funktionsfähigen Be- und Entlüftungsanlage gleichen Standards wie im alten Lokal zu ersetzen; nur die Kosten, die durch die Höherwertigkeit der Anlage hervorgerufen werden, hat die Klägerin selbst zu tragen. Soweit die Klägerin meint, die von ihr eingebaute Anlage sei in ihrer Funktion der alten gleichwertig, wenn auch wesentlich teurer, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, daß die neue Anlage jedenfalls auch höherwertiger ist, weil sie einen besseren Lüftungseffekt als die alte hat.

Da lediglich feststeht, was die neue Anlage gekostet hat, nicht aber, wie hoch die Kosten einer zufriedendstellend funktionierenden Be- und Entlüftungsanlage ohne Standarderhöhung wären bzw mit welchem Betrag die Standarderhöhung zu bewerten ist, wird dies im fortgesetzten Verfahren festzustellen sein. Auch wenn in den neuen Räumlichkeiten eine funktionierende Anlage ohne Standarderhöhung nicht einbaubar sein sollte, läßt sich jedenfalls mit Hilfe eines Sachverständigen und unter Heranziehung des § 273 ZPO die Standarderhöhung gegenüber der Belüftungsanlage im alten Lokal bewerten und so der Teil der Kosten ermitteln, den die Klägerin selbst zu tragen hat.

Zu den Einwänden der beklagten Parteien ist zu bemerken, daß die Forderung hinsichtlich des S 317.128,80 übersteigenden Betrages nicht infolge verspäteter Klagsausdehnung verjährt ist. Vermag ein Laie wie die Klägerin das Ausmaß eines Bauschadens bzw der Kosten einer Mängelverbesserung nicht zu erkennen, so beginnt die Verjährungsfrist erst mit Einlangen eines Sachverständigengutachtens. Reicht der Schaden in Wahrheit weiter bzw sind die Kosten der Mängelbehebung höher, als der Sachverständige erkennen konnte, so beginnt die Verjährungsfrist erst, sobald der Sachverständige sie erkannt und hierüber ein neues Gutachten erstattet hat (WBl 1987, 66). Übertragen auf den vorliegenden Fall bedeutet dies, daß die Klägerin ihre Forderung für die Kosten einer funktionsfähigen Be- und Entlüftungsanlage auch noch nach mehr als drei Jahren nach Übergabe des Lokals ausdehnen konnte, ohne daß ihr erfolgreich der Verjährungseinwand entgegengesetzt werden könnte, da sich erst im Zuge des Neueinbaues das Ausmaß der hiefür erforderlichen Kosten herausgestellt hat. Wäre die erstbeklagte Partei rechtzeitig ihrer Verpflichtung zum Einbau einer funktiontüchtigen Be- und Entlüftungsanlage nachgekommen, wären die hiefür erforderlichen Kosten früher bekannt geworden; dieses Versäumnis der erstbeklagten Partei kann nicht der Klägerin zum Nachteil gereichen, sodaß die Forderung auch nicht teilweise infolge verspäteter Klagsausdehnung verjährt ist.

Ebenso ist der Einwand der beklagten Parteien verfehlt, daß die Forderung jedenfalls noch nicht fällig sei, weil die Klägerin den in der Vereinbarung für solche Fälle vorgesehenen Schiedsmann nicht angerufen habe. Dieser Punkt der Vereinbarung (XIV Abs 2) kommt nicht zum Tragen; der Schiedsmann war nur anzurufen, wenn keine Einigkeit darüber bestanden hätte, welche Anlagen und Einrichtungen nicht zu übersiedeln seien. Es bestand aber zwischen den Parteien Einigkeit darüber, daß im neuen Lokal Be- und Entlüftungsgeräte gleicher Art wie im alten Lokal installiert werden sollten; diese stellten sich jedoch unerwarteterweise nachträglich als ungeeignet heraus.

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.

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