OGH 11Os5/97

OGH11Os5/9730.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat am 30.Jänner 1997 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Ebner und Dr.Zehetner als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Dr.Torpier als Schriftführer, in der beim Landesgericht für Strafsachen Graz zum AZ 18 Vr 2960/96 anhängigen Strafsache gegen Ernst H***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und 2 1.Fall SGG über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 5.Dezember 1996, AZ 10 Bs 423/96 (ON 18 des Vr-Aktes), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Ernst H***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Gegen Ernst H***** wurde am 9.November 1996 wegen des Verdachtes des Verbrechens nach § 12 Abs 1 und 2 erster Fall SGG die Voruntersuchung eingeleitet und über ihn mit Beschluß des Untersuchungsrichters vom selben Tag, GZ 18 Vr 2960/96-5, gemäß § 180 Abs 1 und 2 Z 1, 2 und 3 lit b StPO die Untersuchungshaft verhängt, deren Wirksamkeit mit 20. November 1996 befristet war. Mit Beschluß vom 20.November 1996 (ON 10) wurde die Fortdauer der Untersuchungshaft aus den bezeichneten Haftgründen mit Wirksamkeit bis 20.Dezember 1996 angeordnet.

Der gegen den Beschluß auf Fortsetzung der Untersuchungshaft erhobenen Beschwerde des Beschuldigten gab das Oberlandesgericht Graz mit Entscheidung vom 5.Dezember 1996, AZ 10 Bs 423/96, nicht Folge und ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht-, Verdunkelungs- und Tatbegehungsgefahr (§ 180 Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit b StPO) mit Wirksamkeit bis 5.Februar 1997 mit der Einschränkung an, daß der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr mit Ablauf des 9.Jänner 1997 zu entfallen habe.

Inhaltlich dieses Beschlusses liegt Ernst H***** zur Last, er habe

von August 1994 bis August 1995 im Bezirk Deutschlandsberg von Rainer P***** mehrmals jeweils 5 bis 10 Gramm Kokain (insgesamt ca 30 bis 60 Gramm) gekauft,

in der Zeit von Sommer 1995 bis Oktober 1996, teils im bewußt gemeinsamen Zusammenwirken mit Karl Z***** und Eva K***** wiederholte Male in Prag jeweils ca 50 Gramm Heroin, rund 10 Gramm Kokain und etwa 20 Stück Ecstasy-Tabletten erworben und nach Österreich geschmuggelt,

im August 1995 Karl Z***** dazu bestimmt, in Prag 50 Gramm Heroin zu erwerben, nach Österreich zu schmuggeln und ihm zu überlassen sowie

in der Zeit von Herbst 1994 bis Ende 1995 in Graz und anderen Orten Heroin, Kokain und Ecstasy-Tabletten erworben und besessen, dieses Suchtgift teils selbst konsumiert oder unentgeltlich an Marion K*****, Eva K***** und Rainer P***** überlassen, teils in Graz und anderen Orten weiterverkauft, insbesondere in mehreren Deals zumindest 5 Gramm Heroin an Rainer P*****.

Rechtliche Beurteilung

Gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz vom 5.Dezember 1996 richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des Ernst H*****, in der er - ohne die Dringlichkeit des Tatverdachtes in Zweifel zu ziehen - das Vorliegen von Haftgründen bestreitet und die Unverhältnismäßigkeit der bisherigen Haftdauer bekämpft.

Die Beschwerde ist nicht im Recht.

Der Haftgrund der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO ist dann anzunehmen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Gefahr besteht, der Beschuldigte werde auf freiem Fuße ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens eine strafbare Handlung mit nicht bloß leichten Folgen begehen, die gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist, wie die ihm angelastete strafbare Handlung, wenn er entweder wegen einer solchen strafbaren Handlung bereits verurteilt wurde oder wenn ihm nun wiederholte oder fortgesetzte Handlungen angelastet werden.

Im angefochtenen Beschluß wird hiezu - entgegen der Beschwerdebehauptung einer fehlenden Begründung - angeführt, daß der Beschwerdeführer schwer suchtgiftabhängig ist, über keine Einkünfte aus einer geregelten Erwerbstätigkeit verfügt und Kontakte zu Suchtgiftlieferanten hat (Beschluß S 5).

Diese Umstände sowie die Tatsache, daß er nach der Verdachtslage in einem Zeitraum von mehr als einem Jahr in einer Mehrzahl von Angriffen Suchtgifte aus Tschechien ausführte, nach Österreich einführte, bzw einen anderen zur Aus- und Einfuhr anstiftete und diese in Österreich teilweise in Verkehr setzte, stellen jene bestimmten Tatsachen dar, welche die Annahme der Tatbegehungsgefahr im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung rechtfertigen, zumal es sich bei Suchtauffälligen regelmäßig um Personen mit labiler Psyche handelt, die an sie gerichtete Ansinnen zur Begehung einschlägiger Straftaten unter der Verlockung eines finanziellen Vorteiles und gleichzeitiger Aussicht auf Erlangung von Suchtgift für den eigenen Bedarf selten widerstehen können.

Durch gelindere Mittel kann der Haftzweck nach Lage des Falles nicht erreicht werden.

Da bei gegebenem dringenden Tatverdacht bereits ein Haftgrund die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft rechtfertigt, erübrigt sich im Rahmen der Behandlung der Grundrechtsbeschwerde zu prüfen, ob - abgesehen von der inzwischen durch Zeitablauf obsolet gewordenen Verdunkelungsgefahr - auch der weitere Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 StPO gegeben ist.

Das Verbrechen nach § 12 Abs 1 und 2 erster Fall SGG ist mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bedroht. Mit Rücksicht auf die in Beziehung zu Heroin (bei Annahme von durchschnittlicher Qualität) die große Menge des § 12 Abs 1 SGG erheblich überschreitende verfahrensgegenständliche Suchtgiftmenge war trotz der Unbescholtenheit des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der Beschlußfassung noch nicht zu befürchten, daß die bis dahin gerechnete Haftdauer von rund einem Monat im Verhältnis zu der zu erwartenden Strafe offenbar unangemessen gewesen wäre.

Soweit der Beschwerdeführer die Feststellung begehrt, daß auch der ursprüngliche, aber unbekämpft gebliebene Beschluß auf Verhängung der Untersuchungshaft zu Unrecht ergangen sei, so ist ihm entgegenzuhalten, daß die Grundrechtsbeschwerde - wie dies eingangs der Beschwerdeschrift auch tatsächlich geschehen ist - die angefochtene Entscheidung oder Verfügung bezeichnen muß (§ 3 Abs 1 GRBG) und sich nur auf diese beziehen kann. Sie kann sich jedoch nicht darauf stützen, daß (auch) frühere Entscheidungen verfehlt gewesen wären, damals aber dagegen kein (zulässiges) Rechtsmittel erhoben wurde (13 Os 173, 174/94).

Durch den Beschluß des Oberlandesgerichtes Graz wurde das Grundrecht des Beschwerdeführers auf persönliche Freiheit nicht verletzt; die Beschwerde war daher ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) als unbegründet abzuweisen.

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