Spruch:
Durch den angefochtenen Beschluß wurde Hans Dieter M***** im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Text
Gründe:
Über den am 25.September 1996 festgenommenen Hans Dieter M***** wurde mit Beschluß der Untersuchungsrichterin des Landesgerichtes Leoben vom 27.September 1996 (ON 31) die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO verhängt und mit Beschluß vom 8.Oktober 1996 (ON 46) die Untersuchungshaft - mit Wirksamkeit bis 8.November 1996 - aus diesem Haftgrund fortgesetzt. Ihm liegt zur Last, die Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB (I) sowie der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB (II) und überdies die Vergehen des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 2 StGB (III) sowie der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB (IV) begangen zu haben. Der gegen die beiden genannten Beschlüsse in einem Schriftsatz erhobenen Haftbeschwerde des Beschuldigten gab das Oberlandesgericht Graz mit Beschluß vom 8.November 1996 nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Beschluß richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten, die das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts und das Bestehen des genannten Haftgrundes in Abrede stellt sowie die Dauer der Haft als unverhältnismäßig erachtet und vermeint, die Haft stehe "zum Zweck der Maßnahme" (gemeint: zur Bedeutung der Sache oder zu der zu erwartenden Strafe [s § 180 Abs 1 StPO]) außer Verhältnis.
Nach dem Inhalt des bekämpften Beschlusses ist Hans Dieter M***** dringend verdächtig, in Leoben
zu I) in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der H***** GmbH und H***** GmbH & Co KG, die Schuldner mehrerer Gläubiger waren, im Jahr 1995 Bestandteile des Vermögens der GmbH beiseite geschafft zu haben, indem er mit den der GmbH zugeflossenen Geldern:
1) Zahlungen für sein Einzelunternehmen tätigte und
2) im bewußten und gewollten Zusammenwirken als unmittelbarer Täter mit dem abgesondert verfolgten Peter Ö***** Zahlungen für die Ö***** GmbH tätigte,
und dadurch die Befriedigung der Gläubiger der H***** GmbH bzw der H***** GmbH & Co KG vereitelt bzw geschmälert zu haben, wobei durch die Tat ein 500.000 S übersteigender Schaden in Höhe von zumindest 1,740.000 S herbeigeführt wurde;
zu II) zu nachangeführten Zeitpunkten ihm anvertraute Güter sich bzw der H***** GmbH mit dem Vorsatz zugeeignet zu haben, sich dadurch unrechtmäßig zu bereichern, wobei der Wert der veruntreuten Güter 500.000 S übersteigt, und zwar
1) im September 1994 ein Baugerüst der Firma R***** GmbH im Wert von 187.240 S und
2) im Februar 1994 einen Bargeldbetrag von 600.000 S, welcher von den Ehegatten Dr.Kurt und Sieglinde M***** an ihn geleistet worden war;
zu III) zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt im Jahr 1995 Berechtigte der Werner N***** GmbH durch die Vorgabe, die H***** GmbH sei zahlungsfähig, und er als deren Geschäftsführer auch zahlungswillig, mithin durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, nämlich zur Durchführung von Estricharbeiten auf einer Baustelle in Knittelfeld verleitet zu haben, wodurch die Werner N***** GmbH in einem Betrag von 89.596,32 S an ihrem Vermögen geschädigt wurde, sowie
zu IV) am 7.Dezember 1995 im Verfahren 5 Cg 73/95 des Landesgerichtes Leoben als Zeuge bei seiner förmlichen Vernehmung zur Sache falsch ausgesagt zu haben.
Dem Beschwerdevorbringen zuwider besteht hinsichtlich sämtlicher dem Beschuldigten zur Last liegender Vermögensdelikte ein dringender, die Verhängung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft rechtfertigender Tatverdacht.
Selbst wenn zwischen der H***** GmbH, der H***** GmbH & Co KG, der Ö***** GmbH und dem Beschuldigten selbst "zu jeder Zeit" Forderungen und Gegenforderungen aus verschiedenen Leistungen bestanden haben, steht dies der Annahme nicht entgegen, daß der Beschuldigte mit Geldern, die der H***** GmbH zugeflossen sind, Zahlungen für sein Einzelunternehmen und gemeinsam mit Peter Ö***** für die Ö***** GmbH getätigt und daß er dadurch Bestandteile des Vermögens der H***** GmbH beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung der Gläubiger der H***** GmbH und der H***** GmbH & Co KG vereitelt oder geschmälert hat, zumal laut Gutachten des Sachverständigen Dr.K***** (ON 59) die Zahlungsunfähigkeit seines Einzelunternehmens schon zu Beginn des Jahres 1994 und die Zahlungsunfähigkeit der H***** GmbH ab 15. Februar 1995 bekannt war.
Hinsichtlich dieser Zahlungen wird der Beschuldigte durch die Aussagen der Zeugin Anita G***** (ON 40) und des abgesondert verfolgten Peter Ö***** (ON 39) belastet. Daß letzterer am deliktischen Wirken des Beschwerdeführers mitbeteiligt war, vermag die Existenz eines dringenden Tatverdachtes in bezug auf Hans Dieter M***** nicht zu beseitigen.
Bezüglich des Veruntreuungsvorwurfs besteht der behauptete Widerspruch nicht, denn es ist durchaus denkmöglich, daß der Beschuldigte einerseits mit Geldern, die der H***** GmbH zugeflossen waren, Zahlungen für sein Einzelunternehmen sowie (gemeinsam mit Peter Ö*****) für die Ö***** GmbH getätigt und andererseits ihm anvertraute Güter, nämlich ein Baugerüst und einen Geldbetrag, sich und/oder der H***** GmbH mit unrechtmäßigem Bereicherungsvorsatz zugeeignet hat. Mit Recht hat der Gerichtshof zweiter Instanz das Bestehen von Forderungen des Beschuldigten gegenüber der R***** GmbH in einer den Wert des Baugerüsts übersteigenden Höhe mit der Begründung angezweifelt, daß der Beschuldigte im Konkurs über das Vermögen dieser GmbH keinerlei Forderungen angemeldet hat.
Entgegen dem Vorbringen in der Grundrechtsbeschwerde hat nach der Aktenlage nicht Peter Ö*****, sondern der Bauleiter Ing.R***** mit Wissen des Beschuldigten die Werner N***** GmbH beauftragt, die Estricharbeiten auf der Baustelle in Knittelfeld durchzuführen (ersichtlich S 181 d/I).
Zuzugeben ist der Grundrechtsbeschwerde, daß dem nunmehr bekämpften Beschluß nicht zu entnehmen ist, worin die Falschaussage des im Verfahren 5 Cg 73/95 des Landesgerichtes Leoben als Zeuge vernommenen Beschuldigten besteht. Da das Vergehen der falschen Beweisaussage vor Gericht nach § 288 Abs 1 StGB nach Lage des Falles für die Verhängung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft in keiner Weise von Relevanz ist, ist der Beschwerdeführer durch diesen Mangel des angefochtenen Beschlusses im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt. Hinsichtlich der beiden Verbrechen und des Vergehens des schweren Betruges hingegen hat das Oberlandesgericht Graz zutreffend das Vorliegen eines dringenden Tatverdachtes in der Bedeutung des § 180 Abs 1 StPO bejaht, sodaß insofern die geltend gemachte Grundrechtsverletzung nicht vorliegt.
Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers rechtfertigt trotz seines bisher ordentlichen Lebenswandels seine wiederholte Delinquenz gegen das Rechtsgut fremdes Vermögen - ersichtlich auf Grund wirtschaftlicher Schwierigkeiten - die Befürchtung, er würde auch in Hinkunft - sollte er auf freien Fuß gesetzt werden - erneut strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen mit nicht bloß leichten Folgen verüben, zumal sich seit der Eröffnung des Konkursverfahrens über sein Vermögen am 20.August 1996 seine wirtschaftliche Situation seit der gegenständlichen Vermögensdelinquenz keineswegs gebessert hat.
Daß der Haftgrund des § 180 Abs 2 Z 3 lit b StPO bei unbescholtenen Personen nur dann gegeben ist, wenn während der Anhängigkeit eines Strafverfahrens erneut Straftaten begangen werden, findet weder in den österreichischen Strafprozeßgesetzen noch in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte Deckung.
Da dem Beschuldigten unter anderem zwei Verbrechen zur Last liegen, die jeweils mit Freiheitsstrafe von einem Jahr bis zu zehn Jahren bedroht sind, erachtet der Oberste Gerichtshof die bisherige Dauer der Haft keineswegs als bereits unverhältnismäßig; die Haft steht auch angesichts des Störwerts der in Rede stehenden Vermögensdelikte nicht außer Verhältnis.
Hans Dieter M***** wurde daher in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, sodaß seine Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.
Soweit der Beschwerdeführer in seiner Äußerung zur - ablehnenden, jedoch keine weiteren Ausführungen enthaltenden (§ 35 Abs 2 StPO) - Stellungnahme der Generalprokuratur vorbringt, sie widerspreche "kontinentaler Rechtskultur", sei er lediglich auf eine jüngst ergangene Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (Bulut gegen Österreich 59/1994/506/588) verwiesen, der eine nicht begründete Stellungnahme der Generalprokuratur mit keinem Wort zu beanstanden fand, sondern bloß - über die Bestimmung des § 35 Abs 2 StPO hinaus - aus dem Gesichtspunkt der Waffengleichheit deren Zustellung an die Verteidigung verlangt, welcher es anheimgestellt wird, in die Überlegung einzutreten, ob und welche Reaktion darauf erforderlich ist.
Das Prinzip der Waffengleichheit ist vorliegend gewahrt, denn dem Obersten Gerichtshof liegt keine andere Stellungnahme der Generalprokuratur vor als jene, die dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht wurde. Dem Obersten Gerichtshof stünde im übrigen auch keine Befugnis zu, die Generalprokuratur zu einer begründeten Stellungnahme zu verhalten.
Zu dem mit der Äußerung vorgelegten Schreiben eines Architekten vom 14. Jänner 1997 ist darauf zu verweisen, daß im Verfahren über Grundrechtsbeschwerden das Neuerungsverbot gilt (Mayerhofer/E.Steininger GRBG § 3 Rz 9). Darauf war demnach nicht einzugehen.
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