Spruch:
1. Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Punkt II des Urteilssatzes und demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.
2. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen.
3. Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf die zu 1. getroffene Entscheidung verwiesen.
4. Gemäß § 390 a StPO fallen der Angeklagten auch die durch ihr erfolglos gebliebenes Rechtsmittel verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Barbara P***** des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 erster Fall StGB schuldig erkannt.
Darnach hat sie in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, andere durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die Nachgenannte in einem insgesamt 500.000 S übersteigenden Betrag am Vermögen schädigten, wobei sie gewerbsmäßig vorging, und zwar
I in der Zeit vom 7.November 1989 bis 31.Dezember 1994 Verfügungsberechtigte der E***** durch die Vorgabe, diverse Zahlungen zu erwarten, zur Überziehung ihres Kontos mit einem Betrag von 512.343 S sowie
II Verfügungsberechtigte der Firma S***** GesmbH durch die Vorgabe, eine zahlungswillige und zahlungsfähige Kundin zu sein, zur Ausfolgung von Waren und Erbringung von Leistungen, und zwar
1 am 5.November 1994 im Wert von 3.353,80 S und
2 am 29.November 1994 im Wert von 1.083,80 S.
Rechtliche Beurteilung
Dieses Urteil bekämpft die Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde, die auf die Gründe des § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5 a, 9 lit a, 9 lit b und 10 StPO gestützt wird.
Zur Verfahrensrüge (Z 4):
In der Hauptverhandlung am 8.August 1996 beantragte die Angeklagte die Einvernahme des Andreas T***** als Zeugen zum Nachweis dafür, daß sie sich mit der Caritas in Verbindung gesetzt und ständig mit der Caritas zusammengearbeitet habe, wie sie es der Zeugin H***** gesagt habe (S 319). Diesen Beweisantrag wies das Schöffengericht durch Zwischenerkenntnis gemäß § 238 StPO mit der Begründung ab, daß die Angeklagte selbst nach ihrer Verantwortung von der Caritas nichts bekommen habe, weil sie verheiratet war und ihr eine Arbeit zugeteilt worden sei, demnach nach ihren eigenen Einlassungen ihre der Zeugin H***** gegenüber gemachten Behauptungen, sie bekäme von der Caritas fixe Zahlungen, unrichtig waren (S 320 iVm US 13).
Zu Unrecht vermeint sich die Angeklagte durch die Nichtdurchführung der begehrten Zeugeneinvernahme in ihren Verteidigungsrechten verletzt; denn selbst wenn die Angeklagte ständig bei der Caritas um Unterstützung bemüht war und "dementsprechende Anträge" gestellt hat, vermag sie damit aber nicht unter Beweis zu stellen, daß sie tatsächlich mit Zahlungen der Caritas gerechnet hat, zumal sie nach ihrem eigenen Vorbringen (S 313) von diesem Sozialinstitut erfahren hat, daß sie keine Unterstützung erhalten werde, weil sie verheiratet und ihr eine Arbeit zugeteilt worden sei.
Der Mängelrüge (Z 5) kommt gleichfalls keine Berechtigung zu. Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor. Auf Grund der Aussage der Zeugin H***** in der Hauptverhandlug am 8.August 1996 (S 316), am 11. September 1990 habe die Angeklagte mitgeteilt, daß am 15.Oktober 1990 ihr erstes Gehalt von G***** angewiesen werde, durfte das Schöffengericht mängelfrei die Konstatierung treffen, daß die Angeklagte der E***** ein - eben begonnenes - aufrechtes Arbeitsverhältnis vorgetäuscht hat, zumal die Aktenlage keinen Hinweis dafür bietet, daß die Angeklagte zum Ausdruck gebracht habe, die Vereinbarung bezüglich eines derartigen Beschäftigungsverhältnisses sei mittlerweile bereits wieder aufgelöst worden.
Dem Beschwerdevorbringen zuwider ist die Urteilsfeststellung, die Angeklagte habe durch Vortäuschung eines aufrechten Arbeitsverhältnisses Angestellte der E***** zur Aushändigung einer Kreditkarte verleitet, durch den Akteninhalt (Sachverhaltsdarstellung der E***** vom 16.Mai 1995, S 15 Absatz 2) gedeckt. Für die Schuldfrage unentscheidend ist außerdem, ob ein Dienstverhältnis mit der Firma G***** oder mit einer anderen Firma vorgetäuscht wurde.
Der Zeuge K***** verneinte zwar die Frage der Vorsitzenden des Schöffengerichtes, ob es eine Besicherung des der Angeklagten gewährten Kreditrahmens gab. Dies steht aber - entgegen dem Vorbringen in der Nichtigkeitsbeschwerde - der Urteilsfeststellung nicht entgegen, daß die Angeklagte diesen - unerfahrenen und leichtgläubigen - Zeugen durch behauptete konkrete Sicherheiten und Zahlungszusagen täuschte.
Dem Vorbringen in der Tatsachenrüge (Z 5 a) zuwider ergeben sich aus den Akten keine - und schon gar nicht erhebliche - Bedenken gegen die festgestellten Täuschungshandlungen der Angeklagten und die als erwiesen angenommene Schadenshöhe (im Faktum I). Der Sache nach unternimmt die Beschwerdeführerin mit ihrem Vorbringen insgesamt nur den im schöffengerichtlichen Verfahren unzulässigen Versuch, die Beweiswürdigung der Tatrichter in Zweifel zu ziehen, ohne schwerwiegende, unter Außerachtlassung der Pflicht zur amtswegigen Wahrheitsforschung zustande gekommene Mängel in der Sachverhaltsermittlung aufzuzeigen oder auf aktenkundige Beweisergebnisse hinzuweisen, die gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen.
Sofern die Nichtigkeitsbeschwerde die materiell-rechtlichen Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit a und 10 geltend macht, gelangt sie nicht zu prozeßordnungsgemäßer Darstellung, weil sie nicht, was stets Voraussetzung für eine gesetzmäßige Ausführung eines solchen Nichtigkeitsgrundes wäre, den Urteilssachverhalt in seiner Gesamtheit mit dem darauf angewendeten Strafgesetz vergleicht.
Zur subjektiven Tatseite hat das Erstgericht festgestellt, daß die Angeklagte es nicht nur für möglich gehalten hat, über Tatsachen zu täuschen, sondern daß sie dies auch billigend in Kauf genommen hat, weil es ihr darum ging, auf alle Fälle zu Geld zu kommen und billigend in Kauf nahm, daß sämtliche Verfügungsberechtigte nur auf Grund dieser umfassenden Täuschung zur Gewährung der laufenden Barabhebungen, zu Vorgriffen auf angebliche zukünftige Leistungen und zur Abdeckung der - durch die Verwendung der Kreditkarte eingegangenen - Verbindlichkeiten bewegt wurden (US 7). Weiters konstatierte das Erstgericht, daß die Angeklagte in sämtlichen Fällen ohne irgendein sachliches Substrat ihre Rückzahlungsfähigkeit und Rückzahlungswilligkeit vortäuschte, wobei sie diese Täuschung und den Umstand, daß die Getäuschten nur deshalb zu dem - ihre Arbeitgeber am Vermögen schädigenden - Vermögensverfügungen verleitet wurden, ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand (US 15). Damit hat das Schöffengericht sämtliche Merkmale des bedingten Vorsatzes konstatiert. Hiezu ist ergänzend anzumerken, daß ein billigendes Inkaufnehmen des (ernstlich) für möglich Gehaltenen willensmäßig ein Plus gegenüber dem bloßen Abfinden mit dem Erfolg ist und für die Annahme des bedingten Vorsatzes genügt (Mayerhofer/Rieder StGB3 § 5 E 18 b).
Sofern die Beschwerdeführerin ausführt, das bloße Inkaufnehmen einer Täuschungshandlung reiche zur Bejahung vorsätzlichen Verhaltens nicht aus, weshalb ihr Täuschungsvorsatz nicht anzulasten ist, übergeht sie die Urteilsfeststellung, daß sie aus einer geschickten Mischung aus wiederholter, tatsachenwidriger Information und durch Verschweigen von Umständen, die für die Bankbeamten K***** und H***** entscheidungswesentlich gewesen wären, eine Täuschung dieser Personen auch für möglich gehalten hat (US 7 oben).
Dem Vorbringen in der Subsumtionsrüge (Z 10) zuwider liegen dem Schuldvorwurf wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges zum Nachteil der E***** keineswegs bloß sechs falsche Behauptungen der Angeklagten über von ihr zu erwartende Zahlungen mit einem 500.000 S nicht übersteigenden Schaden zugrunde; vielmehr liegt ihr zur Last, Verfügungsberechtigten der E***** ein aufrechtes Arbeitsverhältnis, höhere Eingänge aus privaten Zuwendungen, Nachzahlungen vom Arbeitsamt und Unterstützungen von privaten Stellen vorgetäuscht zu haben, wodurch das genannte Geldinstitut einen 500.000 S übersteigenden Schaden erlitten hat (US 13, 7).
Berechtigung kommt der Nichtigkeitsbeschwerde allerdings zu, sofern sie sich gegen den Schuldspruch im Faktum II des Urteilssatzes wendet.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen (US 7 f) hat die damals schwer verschuldete Angeklagte am 5.November 1994 bei der S***** GmbH eine Autoreparatur in Auftrag gegeben; als sie am 29.November 1994 ihr Auto abholen wollte, wurde festgestellt, daß die Batterie des Kraftfahrzeuges schadhaft war, sodaß sie ausgetauscht werden mußte; die Kosten der Autoreparatur betrugen 3.353,80 S, jene für die Auswechselung der Batterie 1.083,80 S; da die Angeklagte diese Rechnungsbeträge nicht bezahlen konnte, wurde ihr der PKW nicht ausgefolgt; sie stimmte dem Vorhaben der GmbH, das Auto um 6.700 S zu verkaufen und mit einem Teil des Verkaufserlöses die offenen Rechungsbeträge zu begleichen, nicht zu, worauf die GmbH beim Bezirksgericht Floridsdorf eine Mahnklage gegen sie einbrachte; der offene Rechnungsbetrag wurde der GmbH mit rechtskräftigem Zahlungsbefehl zugesprochen; die Angeklagte hatte bei der Auftragserteilung ihre Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit vorgetäuscht, mit bedingtem Vorsatz die GmbH um die beiden Rechnungsbeträge geschädigt und sich im gleichen Umfang unrechtmäßig bereichert.
Gegen dieses Schuldspruchfaktum wendet die Angeklagte unter nomineller Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs 1 Z 9 lit b StPO (der Sache nach allerdings Z 9 lit a) das Vorliegen von Feststellungsmängeln ein, weil der GmbH kein Schaden entstanden sei, zumal diese von ihrem Zurückbehaltungsrecht Gebrauch gemacht habe.
Diesen Einwänden kommt Berechtigung zu.
Ausgehend davon, daß bei Vorliegen eines gesetzlichen Retentionsrechtes dem Berechtigten bis zur Höhe des in angemessener Frist realisierbaren Wertes der zurückbehaltenen Gegenstände ein Vermögensschaden nicht entsteht, weshalb insoweit vollendeter Betrug nicht in Betracht kommt (vgl 11 Os 27/77 nv), sind nach Lage des Falles Feststellungen geboten, ob der GmbH ein Zurückbehaltungsrecht am PKW der Angeklagten im Sinn des § 471 ABGB zustand; im Bejahungsfalle wäre der Wert des PKW zur Zeit der Werkserbringung zu ermitteln und festzustellen, ob im Rahmen der Verwertung (vgl Petrasch in Rummel § 471 RN 2) eine Befriedigung des Inhabers der zurückbehaltenen Sache in angemessener Frist möglich gewesen wäre.
Da derartige Konstatierungen im bekämpften Urteil nicht enthalten sind, solche aber zur Klärung der Frage, ob der GmbH durch das Verhalten der Angeklagten objektiv ein Schaden erwachsen ist, geboten sind, war das Urteil im Schuldspruchfaktum II und demgemäß auch im Strafausspruch aufzuheben. Im neu durchzuführenden Verfahren werden die erwähnten Umstände zu klären und diesbezügliche Feststellungen zu treffen sein.
Allerdings wird im erneuerten Verfahren das Tatverhalten auch unter dem Gesichtspunkt der möglichen Verwirklichung eines versuchten Betruges zu untersuchen sein, der dann in Frage käme, wenn - entsprechend einem Tatplan der Angeklagten - ihr Vorsatz (auch) dahin gegangen wäre, ein Rententionsrecht - etwa durch einen weiteren betrügerischen Teilakt - zu umgehen oder dessen Aufgabe durch den Berechtigten zu bewirken.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher, soweit sie sich gegen Punkt I des Urteilssatzes richtet, teils als unbegründet gemäß § 285 d Abs 1 Z 2 StPO, teils als nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt gemäß der Z 1 der soeben zitierten Gesetzesstelle iVm § 285 a Z 2 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen, wobei anzumerken ist, daß - entgegen der in der gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung der Angeklagten vertretenen Meinung - ein Gerichtstag nicht anzuberaumen ist, sondern in nichtöffentlicher Sitzung entschieden werden kann, wenn die Ausführungen zu behaupteten materiellrechtlichen Nichtigkeitsgründen - wie hier - vom festgestellten Urteilssachverhalt abweichen und daher eine prozeßordnungsgemäße Ausführung eines Nichtigkeitsgrundes dieser Art gar nicht vorliegt (Mayerhofer StPO4 § 285 a E 61).
Im übrigen aber war der Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 e StPO schon in nichtöffentlicher Sitzung Folge zu geben, weil insoweit die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung unvermeidbar ist.
Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf die Aufhebung des Strafausspruches zu verweisen.
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