OGH 7Ob2375/96g

OGH7Ob2375/96g15.1.1997

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei G*****GmbH, ***** vertreten durch Dr.Kurt Konopatsch und Dr.Sonja Jutta Sturm-Wedenig, Rechtsanwälte in Leoben, wider die beklagte Partei Gottfried K*****, vertreten durch Dr.Diethard Kallab, Rechtsanwalt in Leoben, wegen Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgericht vom 4.Juli 1996, GZ 1 R 166/96w-16, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Eisenerz vom 24.Jänner 1996, GZ C 435/94 b-11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß die Entscheidung wie folgt zu lauten hat:

Der Beklagte ist schuldig, die im Haus E*****, gelegenen Wohnungen, und zwar Nr 3, bestehend aus einer Wohn-(Koch-)küche, drei Zimmern, einem Kabinett sowie dazugehörigem Kellerabteil, Holzlage und Dachboden, und Nr 2, bestehend aus einem Vorzimmer, einer Wohn-(Koch-)küche, einem Zimmer sowie dazugehörigem Kellerabteil, Holzlage und Dachboden binnen 14 Tagen bei Exekution zu räumen und der klagenden Partei geräumt von seinen Fahrnissen zu übergeben.

Das auf Aufhebung der Mietverträge vom 5.5.1980 und 1.10.1982 gerichtete Mehrbegehren wird abgewiesen.

Der Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 25.390,68 bestimmten Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen (darin enthalten S 3.699,78 USt und S 3.180,-- Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin, eine gemeinnützige Bauvereinigung, hat das - vor mehreren Jahrhunderten errichtete - Haus E*****, Ende des Jahres 1978 von der V***** AG erworben. Im Jahr 1947 wurde dem Beklagten, welcher damals bei der A***** AG beschäftigt war, die Wohnung Nr 3 in diesem Haus als Werkswohnung zugewiesen. Der Beklagte ist seit 1985 Pensionist der V***** AG.

Am 5.5.1980 schloß der Beklagte mit der Klägerin über die Wohnung Nr 3 einen Mietvertrag mit einem Mietbeginn ab 1.1.1979. Mit Mietvertrag vom 1.10.1982 mietete der Beklagte auch die Wohnung Nr 2 in diesem Haus, und zwar rückwirkend ab 1.9.1982. In beiden Mietverträgen ist festgehalten, daß die Wohnungen zu einer Wohnanlage gehören, welche zur Unterbringung von Betriebsangehörigen der V***** AG oder einer Konzerngesellschaft dienen. Diesen werden Pensionisten der V***** AG und Witwen nach V***** AG - Angehörigen oder - Pensionisten gleichgestellt. Die §§ 4 Abs 1 der Mietverträge sehen jeweils vor, daß der Mietvertrag von beiden Vertragsteilen mit einer Kündigungsfrist von einem Monat zu jedem Monatsletzten gekündigt werden kann, wobei die Kündigung jeweils schriftlich oder gerichtlich zu erfolgen hat. Die §§ 4 Abs 2 der Mietverträge legen jeweils als wichtigen Kündigungsgrund im Sinne des § 19 Abs 1 MG mit Rücksicht auf den zweckgebundenen Charakter des Mietvertrages fest, daß die Betriebsangehörigkeit des Mieters wegfällt.

Am 16.6.1994 kündigte die Klägerin dem Beklagten die Wohnungen außergerichtlich zum 31.7.1994 auf.

Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Aufhebung der Mietverträge sowie die Räumung beider Wohnungen. Es lägen mittelbare Dienstwohnungen vor; auf das Mietverhältnis seien (nur) die Normen des ABGB anzuwenden. Dem Beklagten seien beide Wohnungen ordnungsgemäß außergerichtlich aufgekündigt worden.

Der Beklagte beantragt die Abweisung der Klagebegehren. Es gelte der Kündigungsschutz des MRG. Außerdem verstoße das Räumungsbegehren gegen die guten Sitten, weil die Klägerin den Abruch des Hauses anstrebe und damit wertvolles montanhistorisches Gut vernichten wolle.

Das Erstgericht wies beide Klagebegehren ab. Beide Mietverträge unterlägen nach ihrem Inhalt den Kündigungsbeschränkungen des MRG.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichts und sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Beide Wohnungen seien dem Beklagten im Rahmen seines Dienstverhältnisses überlassen worden. Das Haus sei nicht von einer gemeinnützigen Bauvereinigung errichtet worden, eine solche sei nunmehr Eigentümerin und Vermieterin. Es lägen daher mittelbare Dienstwohnungen vor. Für die Frage, ob bei solchen Dienstwohnungen der Kündigungsschutz des MRG zum Tragen komme, sei § 20 WGG heranzuziehen. In der Entscheidung 2 Ob 520/93 habe der Oberste Gerichtshof aus der Entstehungsgeschichte dieser Bestimmung abgeleitet, daß der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 20 WGG durch das 2. WÄG Dienstwohnungen vom Kündigungsschutz nicht habe ausnehmen wollen. In 5 Ob 67/93 sei der Kündigungsschutz von Dienstwohnungen nur unter der Voraussetzung bejaht worden, daß die Baulichkeit, in der sich die überlassenen Räume befänden, von einer gemeinnützigen Bauvereinigung im eigenen Namen errichtet worden sei. Das Berufungsgericht schließe sich der in 2 Ob 520/93 vertretenen Auffassung an. Daher sei Kündigungsschutz anzunehmen, auch wenn das Haus nicht von einer gemeinnützigen Bauvereinigung errichtet worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Klägerin erhobene Revision ist berechtigt.

Gemäß § 20 Abs 1 WGG (idF 2. WÄG) iVm § 1 Abs 3 MRG gelten ua die Kündigungsschutzbestimmungen des MRG für die Überlassung des Gebrauchs einer Wohnung oder eines Geschäftsraumes aus dem Titel eines Miet- oder sonstigen Nutzungsvertrages in einer Baulichkeit, die von einer Bauvereinigung im eigenen Namen errichtet und nicht bloß saniert worden ist. § 20 Abs 1 WGG ordnet demnach für Dienstwohnungen in Gebäuden, die nicht von einer gemeinnützigen Bauvereinigung errichtet, sondern - wie hier - seinerzeit vom Dienstgeber oder dessen Rechtsvorgänger errichtet und später an eine gemeinnützige Bauvereinigung veräußert wurden, nicht die Anwendung mietrechtlicher Bestimmungen an. Diese sind daher gemäß § 1 Abs 2 Z 2 MRG vom Anwendungsbereich des MRG ausgenommen; diese Bestimmung umfaßt zufolge der Formulierung "im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis" auch die "mittelbaren" Werkswohnungen, die dem Dienstnehmer von einem Dritten über Initiative des Dienstgebers überlassen werden, wenn das Miet- oder Nutzungsverhältnis mit dem Arbeitsverhältnis entsprechend verknüpft wird (Würth in Rummel, ABGB2 Rz 9 zu § 1 MRG). § 20 Abs 2 Z 1 WGG ordnet (ab 1.1.1989) die Änderungskündigung an, wenn für das Miet- oder sonstige Nutzungsverhältnis gemäß § 1 Abs 2 Z 2 MRG auch seit dem 1.1.1986 nicht dessen §§ 30 bis 36, wohl aber - zufolge § 49 Abs 1 Satz 2 MRG - die §§ 19 bis 23 MG anzuwenden waren, und sich der Mieter oder sonstige Nutzungsberechtigte weigert, der Erhöhung des Entgelts für die Überlassung des Gebrauches seines Miet- oder Nutzungsgegenstandes auf den Betrag zuzustimmen, der nach den Vorschriften des WGG zu entrichten wäre. Der zweite Senat des Obersten Gerichtshofes hat in seiner Entscheidung 2 Ob 520/93 (= MietSlg 46.564/31) - nach eingehender Darlegung der Entwicklung des § 20 Abs 1 WGG - ausgesprochen, daß die Änderungskündigung gemäß § 20 Abs 2 WGG zur Erzielung des nach § 14 Abs 1 WGG zulässigen Entgelts für Altverträge (die noch dem Kündigungsschutz des MG unterlagen, der gemäß § 49 Abs 1 MRG bis 31.12.1988 verlängert wurde) zulässig sei, jedoch nur für Mietverhältnisse mit gemeinnützigen Bauvereinigungen über Dienstwohnungen, bei denen der Dienstvertrag Geschäftsgrundlage des Mietvertrages war, ohne daß das Bestehen des Mietvertrages von dem des Dienstverhältnisses abhängig gemacht worden war, wobei es nicht darauf ankomme, ob die Baulichkeit auch von der gemeinnützigen Bauvereinigung errichtet worden sei. Dagegen hat der 5. Senat in 5 Ob 67/93 (= WoBl 1995, 105) ausgesprochen, daß die mit 1.3.1991 durch das 2. WÄG eingetretene Änderung des § 20 WGG, der nunmehr auf die Errichtung der Baulichkeit, in der sich die überlassenen Räume befinden, durch eine gemeinnützige Bauvereinigung im eigenen Namen abstelle, zur Folge habe, daß die darin vorgesehene Anwendung von (vor allem kündigungsrechtlichen) Bestimmungen des MRG auf Miet- oder Nutzungsverträge in den Fällen, in denen § 1 MRG (wie hier im § 1 Abs 2 Z 2 MRG) anderes bestimmt, auf das Rechtsverhältnis zwischen Mieter (Nutzungsberechtigten) und gemeinnützige Bauvereinigung nicht mehr zum Tragen komme, sodaß es (nur) nach den Vorschriften des ABGB zu beurteilen sei. Der Entscheidung des 5. Senats ist beizupflichten, weil es keiner Änderungskündigung bedarf, wo es ohnedies keinen Kündigungsschutz gibt. Es trifft daher nicht zu, wie der zweite Senat meint, daß § 20 Abs 2 WGG für die dort genannten Altverträge die Anwendung der mietrechtlichen Kündigungsschutzbestimmungen unabhängig davon anordne, ob die Baulichkeit von einer gemeinnützigen Bauvereinigung im eigenen Namen errichtet wurde. Aus den Materialien (AB 52 BlgNR 18. GP 3 ff) ist vielmehr zu entnehmen, daß sich die Bewirtschaftung und Nutzung einer Baulichkeit für den Rest ihres Bestandes (nur dann) nach den §§ 13 bis 22 WGG richtet, wenn sie nach dem für gemeinnützige Bauvereinigungen prägenden Kostendeckungsprinzip im eigenen Namen errichtet wurde (so auch Würth in Rummel aaO Rz 22 zu § 1 MRG; derselbe, 2. WÄG - ein Überblick, WoBl 1991, 25 ff [26]; Meinhart/Österreicher, Die WGG-Novelle im 2. WÄG, WoBl 1991, 85 ff [93] 9 ObA 168/95).

Ist aber das Bestandverhältnis vom Kündigungsschutz ausgenommen, dann ist die (außergerichtliche) formlose Aufkündigung zur Erzielung der materiellrechtlichen Wirkung der Auflösung des Bestandverhältnisses zulässig und wirksam (Würth in Rummel aaO Rz 13 zu § 1116 ABGB). Die auch hier maßgebenden Fristen und Termine gemäß § 560 Abs 1 lit d ZPO, die auch der vertraglichen Vereinbarung der Streitteile entsprechen, wurden eingehalten. Die außergerichtliche Aufkündigung hat daher die Bestandverhältnisse über die beiden Wohnungen beendet. Die Wirksamkeit der außergerichtlichen Aufkündigung ist dabei nur noch als Vorfrage zu beurteilen (Würth aaO). Demnach war dem Räumungsbegehren stattzugeben, wobei die Leistungsfrist des § 573 Abs 1 ZPO von 14 Tagen anzuwenden war (Rechberger in Rechberger, ZPO Rz 1 zu § 573). Das auf Aufhebung der Mietverträge gerichtete Mehrbegehren hingegen war abzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen gründet sich auf §§ 43 Abs 2, 50 ZPO.

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