OGH 6Ob2305/96f

OGH6Ob2305/96f18.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1) Dkfm.Ernst T*****, 2) Peter T*****, ebendort, 3) Paul T*****, ebendort, 4) Hans Michael E*****, 5) Catherine N*****, ebendort, 6) Johannes N*****, ebendort, sämtliche vertreten durch Dr.Gerhard Stingl, Hausverwalter, 1100 Wien, Laxenburgerstraße 60, dieser vertreten durch Dr.Markus Tesar, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ömer B*****, vertreten durch Czerwenka & Partner, Rechtsanwälte KEG in Wien, wegen Aufkündigung infolge außerordentlicher Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 15.Mai 1996, GZ 41 R 220/96y-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 25.November 1995, GZ 54 C 336/93z-13, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben.

Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Die Kläger sind Miteigentümer des Hauses 1050 Wien, Laurenzgasse 11, der Beklagte Mieter der dort gelegenen Wohnung top Nr. 16. Mit Schriftsatz vom 12.11.1993 kündigten die Kläger den Bestandgegenstand zum 31.12.1993 auf. Der Beklagte verwende die Wohnung nicht mehr regelmäßig, sie diene weder seinem Wohnbeürfnis noch jenem eintrittsberechtigter Personen. Der Beklagte habe die Wohnung vielmehr zur Gänze weitergegeben und kassiere eine unverhältnismäßig hohe Gegenleistung. Die Kündigungsgründe des § 30 Abs 2 Z 4 und 6 MRG seien somit verwirklicht.

Die Kündigung wurde dem Beklagten durch Hinterlegung am 25.11.1993 zugestellt. In seinen am 30.11.1993 erhobenen Einwendungen machte er ein Eintrittsrecht seiner Tochter Nermin M***** und deren Sohnes geltend.

Das Erstgericht hob die Kündigung auf und traf Feststellungen über die zu bestimmten Tageszeiten von Angestellten der Hausverwaltung vorgenommenen Nachforschungen. Es stellte fest, daß die Wohnung vor September 1992 von einem Sohn des Beklagten allein benutzt worden sei, und daß ein Bekannter des Sohnes dort etwa acht Monate gewohnt habe, zeitweise auch noch weitere Personen. Die Wohnung werde nunmehr von der Tochter des Beklagten, deren Mann und Kind, sowie vom Sohn des Beklagten bewohnt. Der Beklagte selbst komme ca alle sechs Monate in die Wohnung, bleibe dort für ca eine Woche und gehe dann zurück in die Türkei, wo er beruflich tätig sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger Folge, erklärte die Aufkündigung für rechtswirksam und verpflichtete den Beklagten zur Räumung. Für die Beurteilung des Eintrittsrechts komme es nicht nur darauf an, daß die betreffende Person einem bestimmten Personenkreis angehöre, sie müßten im Zeitpunkt der Weitergabe auch im gemeinsamen Haushalt mit dem Mieter in dessen Wohnung leben und ein dringendes Wohnbedürfnis haben. Aus den Feststellungen des Erstgerichtes ergebe sich, daß für geraume Zeit weder der Beklagte noch seine Tochter in der aufgekündigten Wohnung gewohnt hätten. Die Wohnung sei 1993 an Nermin M***** und/oder an den Sohn des Beklagten Kemal weitergegeben worden. Der Beklagte habe sich zu diesem Zeitpunkt nur alle sechs Monate für eine Woche in der aufgekündigten Wohnung befunden, sodaß ein gemeinsamer Haushalt ausscheide. Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 erster Fall MRG sei somit erfüllt.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision mangels Vorliegens erheblicher Rechtsfragen nicht zulässig sei.

Mit seiner außerordentlichen Revision beantragt der Beklagte die Abänderung dahin, daß die Kündigung aufgehoben werde; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.

In der ihnen freigestellten Revisionsbeantwortung beantragen die Kläger, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Gerichtes zweiter Instanz zulässig; sie ist auch berechtigt.

Der Kündigungsgrund des § 30 Abs 2 Z 4 MRG wird im Fall einer Weitergabe des Bestandsgegenstandes dann nicht verwirklicht, wenn im Zeitpunkt der Weitergabe ein Eintrittsrecht desjenigen bestand, dem die Wohnung überlassen wurde (Würth in Rummel, ABGB2 Rz 27 zu § 30 MRG; Würth/Zingher19 Rz 32 und 35 zu § 30; MietSlg 42.323; 45.385). Entscheidend ist daher, ob der Übernehmer der Wohnung in dem für die Beurteilung des Kündigungsgrundes maßgeblichen Zeitpunkt (der tatsächlichen Weitergabe des Bestandgegenstandes: siehe WoBl 1991/10, 1991/88; MietSlg 45.385) mit dem Mieter im gemeinsamen Haushalt gelebt hat, und ein dringendes Wohnbedürfnis im Sinne des § 14 Abs 3 MRG vorlag (Würth aaO Rz 10 zu § 14; MietSlg 45.361; Miet XXXVIII/19).

Der gemeinsame Haushalt besteht nach herrschender Rechtsprechung in auf Dauer berechnetem gemeinsamem Wohnen und Wirtschaften (Würth aaO Rz 8 zu § 14; MietSlg 38.309, 40.303). Es müssen die Bedürfnisse des täglichen Lebens auf gemeinsame Rechnung befriedigt werden, wobei eine bestimmte Dauer der gemeinsamen Haushaltsführung nicht erforderlich ist (MietSlg 39.300). Der gemeinsame Haushalt wird auf gewisse, durch Lebensumstände bedingte, auf nicht allzulange Zeit berechnete Unterbrechungen des Zusammenlebens nicht beendet, wohl aber bei dauernder Trennung. Entscheidend ist hiebei die Willensrichtung der Betroffenen. Der gemeinsame Haushalt kann nur dann bejaht werden, wenn die Absicht, zurückzukehren, fortbesteht und eine Rückkehr nicht schlechthin ausgeschlossen ist (MietSlg 39.300).

Ausgehend von den Feststellungen des Erstgerichtes, der Beklagte komme alle sechs Monate in die Wohnung, bleibe dort ca eine Woche und gehe dann wieder in die Türkei zurück, wo er beruflich tätig sei, hat das Berufungsgericht einen gemeinsamen Haushalt verneint. Wenngleich die Beurteilung des Vorliegens eines gemeinsamen Haushaltes wegen der möglichen Vielzahl der Gestaltungsmöglichkeiten von den Umständen des Einzelfalls abhängt (Würth aaO Rz 8 zu § 14) - was in der Regel eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO ausschließt -, muß im vorliegenden Fall eine erhebliche Rechtsfrage im Sinn der zitierten Bestimmung zum Schutz der Rechtssicherheit und Rechtseinheit bejaht werden, liegt es doch im allgemeinen Interesse, Fehlentscheidungen zu verhindern (Kodek in Rechberger, ZPO Rz 3 zu § 502).

Die Beurteilung des Berufungsgerichtes ist schon deshalb zu beanstanden, weil weder zum allein entscheidenden Zeitpunkt der Übergabe des Mietgegenstandes, noch darüber, ob Sohn bzw Tochter des Beklagten zu diesem Zeitpunkt die Wohnung bewohnt haben und ein gemeinsamer Haushalt mit dem Beklagten bestand, Feststellungen getroffen wurden. Das Berufungsgericht geht offenbar von einem nicht näher festgestellten Übergabezeitpunkt im Lauf des Jahres 1993 aus, unterläßt jedoch genauso wie das Erstgericht jegliche Feststellungen, die eine Beurteilung darüber zuließen, ob im Jahr 1993 bzw im Zeitpunkt der Übergabe ein gemeinsamer Haushalt des Beklagten und seiner beiden Kinder bestanden hat.

Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes sagt die Tatsache, wer diese Wohnung vor September 1992 benützt hat, nichts darüber aus, wer dort im Zeitpunkt der Übergabe (1993) tatsächlich gewohnt hat. Auch der Feststellung, wonach der Beklagte alle sechs Monate in die Wohnung komme und dort ca eine Woche bleibe, kann nicht nicht entnommen werden, daß dies auch 1993 der Fall war, und der Beklagte nicht doch bis zum Zeitpunkt der Übergabe die Wohnung ständig benutzte.

Überdies ließe auch eine längere Abwesenheit des Beklagten allein noch keine abschließende Beurteilung des Vorliegens des gemeinsamen Haushaltes zu, wird doch ein Zusammenleben durch gewisse, durch die Lebensumstände bedingte, auf nicht allzulange Zeit berechnete Unterbrechungen nicht beendet, solange der Betroffene noch immer die Absicht hat, zurückzukehren (MietSlg 39.300). Ob dies der Fall ist, wurde nicht festgestellt.

Die von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen reichen daher zur Beurteilung des rechtlich erheblichen Sachverhaltes nicht aus, sodaß sich die Aufhebung und Rückverweisung an das Erstgericht als erforderlich erweist.

Das Erstgericht wird im fortgesetzten Verfahren festzustellen haben, ob eintrittsberechtigte Personen (insbesondere Tochter oder Sohn des Beklagten) im Zeitpunkt der Übergabe (1993) den Mietgegenstand bewohnten und zu diesem Zeitpunkt ein gemeinsamer Haushalt mit dem Beklagten bestand. Diese Personen müßten auch zum Zeitpunkt der Aufkündigung die Wohnung noch ständig benutzen. Angesichts der längeren Abwesenheiten des Beklagten könnte jedoch ein gemeinsamer Haushalt nur dann angenommen werden, wenn die Auslandsaufenthalte des Beklagten durch seine - noch festzustellenden - Lebensumstände bedingt sind und er nach wie vor die Absicht hat, auf Dauer in die Wohnung zurückzukehren. Für diese Frage wird auch entscheidungswesentlich sein, wo sich der Lebensmittelpunkt des Beklagten seit 1993 (insbesondere sein Arbeitsplatz und seine übrigen Familienangehörigen) befinden.

Hingegen kann die Auffassung der Revision, nicht nur der Beklagte, sondern seine ganze Familie seien Mieter der gegenständlichen Wohnung, nicht geteilt werden. Der Mietvertrag wurde auf Seiten des Mieters nur vom Beklagten unterfertigt und im eigenen Namen abgeschlossen. Aus der in der Revision zitierten Feststellung des Erstgerichts ergibt sich nicht, daß die übrigen Familienmitglieder selbst Mieter sind. Die Vereinbarung zwischen Vermieter und Mieter, wonach der Mieter die Wohnung für sich und seine Familie anmiete, enthält lediglich eine Bestimmung über den Vertragszweck, ändert jedoch nichts daran, daß nur der Beklagte Vertragspartner wurde.

Auch der weitere Einwand der Revision, die Kündigung sei verfristet, ist unberechtigt. Die Kündigung mußte dem Beklagten jedenfalls spätestens am 30.11.1993, sohin in Anbetracht des Kündigungstermins, noch rechtzeitig (§ 560 Abs 1 Z 2 lit d ZPO) zugekommen sein, weil er an diesem Tag Einwendungen formulierte und zur Post gab. Sollte daher eine wirksame Zustellung durch die am 25.11.1993 vorgenommene Hinterlegung nicht bewirkt worden sein, wäre der Zustellmangel jedenfalls gemäß § 7 ZustellG geheilt worden.

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