OGH 6Ob2249/96w

OGH6Ob2249/96w18.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** S*****, Angestellte, ***** vertreten durch Dr.Gottfried Forsthuber, Rechtsanwalt in Baden, wider die beklagte Partei Veysel S*****, vertreten durch Dr.Michael Zerobin, Rechtsanwalt in Wiener Neustadt, wegen Ehescheidung, infolge der Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Berufungsgerichtes vom 17.April 1996, GZ 18 R 49/96a-21, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Baden vom 24.November 1995, GZ 3 C 68/95f-14, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der klagenden Partei auf Zuspruch von Kosten für ihre Revisionsbeantwortung wird abgewiesen.

Text

Begründung

Die Parteien sind türkische Staatsbürger und haben am 26.2.1993 in der Türkei die Ehe geschlossen. Sie haben keine Kinder. Ihr letzter gemeinsamer Aufenthalt war in Österreich.

Die Klägerin beantragte mit ihrer am 31.5.1995 beim Erstgericht eingebrachten Klage zunächst die Scheidung der Ehe wegen Alleinverschuldens des Beklagten. Dieser habe die Klägerin nur dazu "benützt", um nach Österreich kommen zu können. Er sei keiner Beschäftigung nachgegangen, habe sich nicht um die Klägerin gekümmert, diese immer wieder bedroht und schlecht behandelt. Er habe sie gezwungen, das gesamte von ihr verdiente Geld an ihn abzuliefern. Er habe sie auch geschlagen, sodaß sie aus der Ehewohnung ausziehen habe müssen. Nach ihrer Rückkehr sei sie neuerlich geschlagen worden. Deshalb sei sie endgültig aus der Ehewohnung ausgezogen. Im November 1994 habe der Beklagte die Klägerin vergewaltigt. Er habe sie auch mit dem Umbringen bedroht, wenn sie die Scheidungsklage nicht zurückziehe. Die Ehe sei wegen Verschuldens des Beklagten unheilbar zerrüttet.

Der Beklagte beantragte die Abweisung der Klage. Die Klägerin sei, ohne daß der Beklagte hiefür einen Anlaß gegeben hätte, am 2.1.1995 aus der Ehewohnung ausgezogen, weil sie einen Freund gehabt habe. Sie habe dem einkommenslosen Beklagten keinerlei Unterhalt geleistet. Der Beklagte verfüge über keine Arbeitsbewilligung. Es sei unrichtig, daß er die Klägerin geschlagen und bedroht habe. Die Klägerin erwarte von einem anderen Mann ein Kind.

In der Tagsatzung vom 16.10.1995 stützte die Klägerin das Scheidungsbegehren für den Fall der Nichtfeststellung des Alleinverschuldens des Beklagten auf Art 134 des Türkischen Zivilgesetzbuches (ZGB). Die eheliche Gemeinschaft sei in ihrem Fundament so zerrüttet, daß den Ehegatten die Fortsetzung des gemeinsamen Lebens nicht mehr zugemutet werden könne (S 10 zu ON 13a). Der Beklagte erhob gemäß Art 134 Abs 2 leg cit Einspruch gegen das auf diese Gesetzesstellte gestützte Klagebegehren. Die Klägerin treffe das überwiegende Verschulden an der Zerrüttung der Ehe. Die Klägerin brachte dazu vor, daß die Erhebung des Einspruchs rechtsmißbräuchlich erfolge, weil kein schutzwürdiges Interesse an der Fortsetzung der Ehe bestehe (Parteivorbringen aaO).

Das Erstgericht gab der Scheidungsklage statt. Es stellte folgenden wesentlichen Sachverhalt fest:

Die Klägerin sei in Österreich geboren und aufgewachsen. Die Parteien hätten sich erst zwei Tage vor der Eheschließung kennengelernt. Die Klägerin habe aufgrund des Wunsches ihres Vaters geheiratet. Rund ein Jahr nach der Eheschließung sei der Beklagte nach Österreich gezogen. Die Eheleute hätten sich in Österreich nicht mehr verstanden. Es sei laufend zu Streitigkeiten gekommen. Die Klägerin schlug bereits einen Monat nach Beginn des Aufenthalts des Beklagten in Österreich vor, die Ehe scheiden zu lassen. Bis zur Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses im September 1994 habe die Klägerin ihr gesamtes Einkommen dem Beklagten zur Bestreitung des Lebensunterhalts ausgefolgt. Dieser habe in Österreich keine Arbeitsbewilligung erhalten und sei nur Aushilfsarbeiten nachgegangen. Sein Visum sei bis September 1995 befristet gewesen. Im Herbst 1994 sei die Klägerin nach einem Streit drei Tage der Ehewohnung ferngeblieben, dann aber wieder zurückgekehrt. Sie habe im November 1994 ein Kind vom Beklagten erwartet. Gegen den Willen des Beklagten sei ein Schwangerschaftsabbruch durchgeführt worden. Im Jänner 1995 sei die Klägerin aus der Ehewohnung ausgezogen. Nach dem Auszug sei sie wieder beschäftigt gewesen und habe dem Beklagten kein Geld mehr für den Lebensunterhalt gegeben. Sie habe einen anderen Mann kennengelernt. Es könne nicht festgestellt werden, daß der Beklagte die Klägerin bedroht, geschlagen, schlecht behandelt oder vergewaltigt habe. Die Klägerin sei im Oktober 1995 im 7.Monat schwanger gewesen. Das Kind stamme nicht vom Beklagten.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß die Voraussetzungen der Scheidung der Ehe nach türkischem Recht zu beurteilen seien (§§ 18, 20 IPRG; Art 13 des türkischen Gesetzes Nr 2675). Die Ehescheidung sei in der Türkei durch ein Gesetz vom 4.5.1988 neu geregelt worden. Sie könne aus den Gründen schwerwiegenden Verschuldens eines Ehegatten (Art 129 bis 132), wegen Geisteskrankheit oder wegen Zerrüttung (Art 134) geschieden werden. Wenn die eheliche Gemeinschaft in ihrem Fundament so zerrüttet sei, daß den Ehegatten die Fortsetzung des gemeinsamen Lebens nicht zugemutet werden könne, könne jeder Ehegatte Scheidungsklage erheben. Wenn das Verschulden des klagenden Ehegatten überwiege, habe der beklagte ein Einspruchsrecht. Wenn der Einspruch einen Mißbrauch des Rechts darstellen sollte, könne die Ehe trotzdem geschieden werden. Die von der Klägerin behaupteten Eheverfehlungen des Beklagten hätten nicht festgestellt werden können. Die eheliche Gemeinschaft sei aber in ihrem Fundament so zerrüttet, daß den Ehegatten die Fortsetzung des gemeinsamen Lebens nicht zugemutet werden könne. Es liege daher der Scheidungsgrund nach Art 134 ZGB vor. Die Klägerin treffe das Verschulden an der Zerrüttung der Ehe, weil sie gegen den Willen des Beklagten einen Schwangerschaftsabbruch vorgenommen habe, Anfang Jänner 1995 aus der Ehewohnung ausgezogen sei und intime Beziehungen zu einem anderen Mann aufgenommen habe. Der Einspruch des Beklagten sei aber rechtsmißbräuchlich. Die Parteien seien erst seit 26.2.1993 verheiratet, hätten keine Kinder, die neunzehnjährige Klägerin erwarte von einem anderen Mann ein Kind. Offenbar sei die Befürchtung des Beklagten, daß seine Aufenthaltsbewilligung im Scheidungsfall nicht verlängert werde, der einzige Grund für das Festhalten an der Ehe. Es bestehe jedoch kein schutzwürdiges Interesse an deren Fortsetzung.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten nicht Folge. Es teilte die Rechtsansichten des Erstgerichtes. Der Beklagte habe im Verfahren erster Instanz keine Gründe angegeben, die ihn zum Einspruch gegen die Klage veranlaßt hätten. Selbst wenn diese Gründe von Amts wegen zu erheben gewesen wären, so sei aufgrund des Berufungsvorbringens nun klargestellt, daß es dem Beklagten einzig darauf ankomme, nicht aus Österreich abgeschoben zu werden, was er im Fall der Scheidung seiner Ehe befürchte. Andere Gründe könnten den Akten nicht entnommen werden. Der Einspruch des Beklagten sei daher rechtsmißbräuchlich. Das Erreichen einer Aufenthaltsbewilligung in einem fremden Land sei "wohl aber auch nach türkischem Recht kein Ehezweck". Dem Beklagten liege in Wahrheit nichts am Fortbestand der Ehe.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei. Zu Art 134 Abs 2 türkZGB liege eine oberstgerichtliche Judikatur nicht vor.

Mit seiner Revision beantragt der Beklagte die Abänderung, daß das Klagebegehren auf Scheidung der Ehe abgewiesen werde.

Die Klägerin beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichtes nicht zulässig.

Die Vorinstanzen haben richtig erkannt, daß die Scheidungssache nach materiellem türkischen Recht zu beurteilen ist. Das Berufungsgericht hat die seit der Gesetzesreform vom Mai 1988 in der Türkei gegebene Rechtslage richtig dargestellt. Nach Art 134 Abs 1 türkZGB kann ein Ehegatte die Scheidungsklage erheben, wenn die eheliche Gemeinschaft in ihrem Fundament so zerrüttet ist, daß den Ehegatten die Fortsetzung des gemeinsamen Lebens nicht zugemutet werden kann. Der beklagte Ehegatte hat ein Einspruchsrecht gegen die erhobene Klage, wenn das Verschulden des klagenden Ehegatten überwiegt. Stellt der Einspruch jedoch einen Mißbrauch des Rechtes dar und besteht in (richtig wohl an) der Fortsetzung der ehelichen Gemeinschaft hinsichtlich des beklagten Ehegatten und der Kinder kein schutzwürdiges Interesse, so kann die Ehe dennoch geschieden werden (Art 2 leg cit).

Der Beklagte hat im Verfahren erster Instanz seinen Einspruch nicht begründet und keinerlei über das Vorbringen zum Verschulden hinausgehenden Sachverhalt behauptet, nach dem beurteilt werden könnte, warum er an der Ehe festhält und sein Einspruch nicht rechtsmißbräuchlich wäre. Erst in seiner Berufung hat er klargestellt, daß es ihm nur um die Aufrechterhaltung seiner Aufenthaltsbewilligung in Österreich geht. Er ist der Ansicht, daß diese im Scheidungsfall nicht verlängert werde. Die Richtigkeit der Ansicht des Berufungsgerichtes, daß dieses Motiv auch nach türkischem Recht keinen Grund darstelle, den Einspruch als nicht rechtsmißbräuchlich zu beurteilen, kann dahingestellt bleiben. Der Revisionswerber wendet sich nämlich nicht gegen diese Rechtsansicht, sondern releviert nur die Unterhaltsverpflichtung der Klägerin, die ihn böswillig verlassen habe.

Ein Einspruch gegen die Scheidung der Ehe ist dann unbeachtlich, wenn dem Widersprechenden in Wirklichkeit nichts am Fortbestand der Ehe liegt. Das Erstgericht hat im Rahmen seiner Beweiswürdigung die Feststellung getroffen, daß die Befürchtung des Beklagten, durch die Scheidung die Aufenthaltsbewilligung in Österreich zu verlieren, der einzige Grund für das Festhalten an der Ehe sei (S 9 in ON 14). Der Beklagte hat diesen Sachverhalt in der Berufung ausdrücklich als richtig zugegeben und nur eine Rechtsrüge erhoben. Er hat damit den Prozeßstoff auf die genannte Rechtsfrage eingeschränkt. Zu dieser hat das Berufungsgericht zwar die ordentliche Revision zugelassen, dazu führt der Revisionswerber aber nichts aus. Selbst wenn sein Vorbringen im Verfahren erster Instanz über Unterhaltsverletzungen der Frau auch als Vorbringen zum Einspruch qualifiziert werden könnte und daher die Revisionsausführungen zum Thema des Unterhaltsanspruchs des Beklagten keine unzulässigen Neuerungen darstellen sollten, wäre für den Revisionswerber damit noch nichts gewonnen, weil er selbst - wie schon ausgeführt - das Prozeßthema der Rechtsmißbräuchlichkeit des Einspruchs abschließend auf die Frage der Aufenthaltsbewilligung in Österreich eingeschränkt hat. Im Revisionsverfahren kann er daher nicht mehr seinen Unterhaltsanspruch als schutzwürdiges Interesse für die Aufrechterhaltung der Ehe ins Treffen führen. Die Revision geht insoweit nicht von dem von den Vorinstanzen festgestellten Sachverhalt aus, wonach es dem Beklagten einzig und allein um die Aufrechterhaltung der Aufenthaltsbewilligung in Österreich gehe. Da zu dieser vom Berufungsgericht als erheblich angesehenen Rechtsfrage kein Revisionsvorbringen erstattet wurde und die Rechtsmittelausführungen nur die Rechtsfrage des Unterhaltsanspruchs relevieren, also nicht vom festgestellten Sachverhalt ausgehen, ist die Revision nicht gesetzmäßig ausgeführt. Auf die Rechtsprechung des türkischen Höchstgerichts zur materiellrechtlichen Frage der rechtsmißbräuchlichen Ausübung des Einspruchsrechts nach Art 134 Abs 2 ZGB kommt es daher nicht entscheidend an. Mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision zurückzuweisen.

Da die Klägerin auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hinwies, sind ihr keine Kosten für die Revisionsbeantwortung zuzusprechen.

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