OGH 7Ob2412/96y

OGH7Ob2412/96y18.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Warta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Niederreiter, Dr.Schalich, Dr.Tittel und Dr.I.Huber als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj. Marlene G*****, vertreten durch den Kollisionskurator Dr.Klaus Ender, Notariatssubstitut in Bezau, infolge Revisionsrekurses des die Minderjährige vertretenden Kollisionskurators gegen den Beschluß des Landesgerichtes Feldkirch als Rekursgericht vom 23.Oktober 1996, GZ 1 R 441/96b-12b, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bezau vom 4. Oktober 1996, GZ 2 P 1539/95b-10, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Vater der Minderjährigen ist grundbücherlicher Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ *****, GB S*****, mit dem darauf errichteten Wohnhaus Loch *****. Die andere Liegenschaftshälfte steht noch im bücherlichen Eigentum seiner Gattin und der Mutter der Minderjährigen, die jedoch diesen Hälfteanteil ihrem Sohn Roland B***** mit Vertrag vom 19.5.1995 geschenkt hat. Die Liegenschaft ist mit bücherlich einverleibten Pfandrechten im Betrag von S 50.000,--, S 106.550,-- und S 116.000,-- belastet. Nur hinsichtlich des Pfandrechtes über S 50.000,-- lag dem Erstgericht eine Löschungsquittung vor. Mit dem zu genehmigenden Übergabsvertrag vom 9.10.1995 will der Vater der Minderjährigen dieser und ihrem Bruder Patrick G***** seine Liegenschaftshälfte je zur Hälfte, d.i. in Ansehung des Ganzen jeweils zu einem Viertel, übergeben. Als Gegenleistung hat er sich die Einhaltung der unter Punkt II des Vertrages näher geregelten Benützungsvereinbarung vorbehalten, die für die Dauer seines und des Lebens seiner Ehegattin unkündbar sein soll. Weiters soll der Liegenschaftsanteil mit einem Belastungs- und Veräußerungsverbot zugunsten der Mutter der Minderjährigen belastet werden. Schließlich hat sich der Vater als Gegenleistung das lebenslängliche und grundbücherlich sicherzustellende Wohnungsrecht für sich und seine Ehegattin an den der Minderjährigen zur Nutzung bzw Mitnutzung zustehenden Flächen und Räumen vorbehalten. Im zweiten Rechtsgang wurde in Ergänzung dieses Vertrages die Richtigstellungsurkunde vom 23.7.1996 errichtet und unterfertigt, wonach nunmehr die Liegenschaft geteilt werden soll. Die Grenze soll danach etwa in der Mitte des Hauses quer durch dieses verlaufen. Der Bruder Patrick und die Minderjährige sollen den vorderen Teil des Hauses mit einem neu zu bildenden Grundstück, der Bruder Roland den hinteren Teil übernehmen, wobei das Pfandrecht über S 106.550,-- von den Eltern der Minderjährigen getilgt werden soll. Das Pfandrecht über S 116.000,-- sei vom Bruder Patrick aufgenommen worden und werde von diesem zurückbezahlt. Die Übergabe erfolge in einem auf sämtliche Kinder und unbeschadet allfälliger Pflichtteilergänzungsansprüche. In der Richtigstellungsurkunde haben sich die Eltern als Wohnungsberechtigte verpflichtet, für die Dauer ihres Wohnungsrechtes die baulichen und sonstigen Instandhaltungsarbeiten, die Betriebskosten des Hauses sowie die Kosten der "Infrastruktur" zu tragen. Die Eltern haben sich aber gleichzeitig vorbehalten, ab dem Zeitpunkt der Selbsterhaltungsfähigkeit der Minderjährigen über einseitiges Verlangen von dieser einen finanziellen Beitrag für das Mitwohnen zu verlangen, wie dies in Familien üblich sei. Der Minderjährigen solle es aber unbenommen bleiben, ab dem Zeitpunkt der Selbsterhaltungsfähigkeit und für den Fall, daß sie keinen Wohnungsbeitrag leisten wolle, gesondert Wohnung zu nehmen.

Haus und Liegenschaft haben zusammen einen Schätzwert von ca. 1 Mill.S. Es handelt sich dabei um ein altes Gebäude, in dessen vorderem Teil, den die Minderjährige und ihr Bruder Patrick übernehmen sollen, in den nächsten Jahren umfangreiche Renovierungsarbeiten durchzuführen sind. Insbesondere ist dort der gesamte Dachstuhl samt Dach auszuwechseln. Danach wird die Heizungsanlage zu erneuern sein. Der Grund für die Übergabe des Hauses liegt darin, daß die Eltern allein finanziell nicht in der Lage sind, die Renovierungsarbeiten zu finanzieren. Umgekehrt sind aber die beiden Söhne nicht bereit, sich an den Kosten für die Renovierung zu beteiligen, ohne an der Liegenschaft Eigentum zu erhalten. Zur Durchführung der Erhaltungsarbeiten wären die Eltern gezwungen, Kredite aufzunehmen. Der Vater der Minderjährigen ist 59 Jahre und die Mutter 56 Jahre alt.

Der für die Minderjährige als "ad hoc" einschreitende Kollisionskurator Dr.Klaus Ender beantragte die Genehmigung des Übergabsvertrages und der Richtigstellungsurkunde mit der Begründung, daß diese Verträge zum Vorteil der Minderjährigen abgeschlossen worden seien. Den Söhnen Roland und Patrick werde die Liegenschaft auf jeden Fall übergeben. Falls die vorgelegten Verträge nicht genehmigt würden, bestünde die Möglichkeit, daß der übergebende Vater über die Wohnung noch zu Lebzeiten verfüge und das Realisat verbrauche. Die Minderjährige könnte dann von ihrem Bruder Patrick nur den Schenkungspflichtteil verlangen, der aber geringer als der Wert des jetzt zu übergebenden Liegenschaftsanteiles sei. Das den Eltern einzuräumende Wohnungsrecht mindere den Wert des zu übergebenden Liegenschaftsviertels nur unbeträchtlich. Der Vorteil der beabsichtigten Lösung liege darin, daß die Wohnung im Familienbesitz bleibe und vom Vater nicht anderweitig verwertet werde.

Das Erstgericht hat mit Beschluß vom 4.10.1996 Dr.Klaus Ender zum Kollisionskurator für die Minderjährige bestellt (Punkt 1) und den Übergabsvertrag sowie die Richtigstellungsurkunde pflegschaftsbehördlich (Punkt 2) nicht genehmigt. Es vertrat die Auffassung, daß die Annahme einer mit einer Belastung verbundenen Schenkung nicht dem Kindeswohl entspreche. Die Minderjährige werde - soferne das Teilungsvorhaben genehmigt werde - grundbücherliche Hälfteeigentümerin des vorderen Hausteiles ohne Verfügungsberechtigung darüber. Sie müsse neben der Duldung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes zugunsten ihrer Mutter und eines lebenslänglichen Wohnrechtes zugunsten ihrer Eltern auch die Verpflichtung übernehmen, ab dem Zeitpunkt ihrer Selbsterhaltungsfähigkeit über einseitiges Verlangen ihrer Eltern für das Weiterwohnen etwas zu bezahlen. Durch all diese Verpflichtungen werde sie weit über ihre Volljährigkeit hinaus gebunden. Die von den Eltern versprochene Übernahme der laufenden Betriebs- und Erhaltungskosten erscheine im Hinblick darauf, daß die Eltern nicht in der Lage seien, die unbedingt notwendigen Renovierungsarbeiten zu finanzieren, nicht gesichert. Es müßten für diese daher Kreditmittel in Anspruch genommen werden, die wahrscheinlich nur dann verfügbar wären, wenn auch der Miteigentumsanteil der Minderjährigen belastet werde. Auch im Hinblick auf den geringen Wert der Liegenschaft liege die Übernahme eines Viertelanteiles nicht im wohlverstandenen Kindesinteresse, wenn man die damit verbundenen mehrfachen Belastungen berücksichtige.

Das Rekursgericht bestätigte den - allein angefochtenen - Punkt 2 des erstgerichtlichen Beschlusses. Es erklärte den Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Die Annahme einer mit Belastungen verbundenen Schenkung entspreche nur dann dem Kindeswohl, wenn der Wert der geschenkten Sache die Belastungen eindeutig übersteige. Bei dieser Beurteilung dürfe nicht bloß die Zeit der fehlenden Eigenberechtigung der Minderjährigen berücksichtigt werden, vielmehr dürfe ein Rechtsgeschäft auch dann nicht genehmigt werden, wenn die Nachteile für das Kind erst in der Folgezeit seiner Eigenberechtigung eintreten können. Bei Genehmigung von Schenkungsverträgen zugunsten Minderjähriger sei einerseits der Vorteil aus dem Gesamtkonzept zu beurteilen und andererseits, soweit eine zukunftsweisende Vorausschau möglich erscheine, mit ins Kalkül zu ziehen, welche Belastungen durch die Auflagen dem Kind erwachsen könnten und in welcher Relation sie zu den Vorteilen stehen. Der Nachteil, daß die Minderjährige im Falle einer Nichtgenehmigung der Verträge nach einem Ableben ihrer Eltern von deren Eigentum weniger oder allenfalls nichts mehr erhält, könne ebenso eintreten, wenn die in die Verträge aufgenommenen Sicherungen des Kindes nicht realisierbar seien. Allein die die Liegenschaft belastenden Pfandrechte kämen schon an den der Minderjährigen zu schenkenden Viertelanteil heran. Auch wenn sich die Eltern der Minderjährigen bereiterklärt hätten, diese wegen der Pfandbelastung der Liegenschaft schad- und klaglos zu halten, mangle es an einer gleichartigen Verpflichtung seitens ihres Bruders Patrick, sodaß die vom Geschenkgeber übernommene Verpflichtung zur Schad- und Klagloshaltung der Minderjährigen nicht ausreichend gesichert sei. Darüber hinaus dürfe nicht übersehen werden, daß für die geplante Grundstücksteilung noch keine Bewilligung vorliege. Dafür wären nach dem Akteninhalt auch noch beträchtliche Umbauarbeiten (Feuerwand) notwendig, was mit weiteren Kosten verbunden wäre. Eine Gesamtbeurteilung der auf die Minderjährige nach dem geplanten Übergabsvertrag samt Richtigstellungsurkunde zukommenden Belastungen ergebe, daß die dadurch geschaffene Rechtslage für die Minderjährige nachteilig erscheine. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zuzulassen, da keine oberstgerichtliche Rechtsprechung darüber bestehe, welchen Einfluß die verweigerte pflegschaftsgerichtliche Genehmigung eines Vertrages für den Fall habe, daß ohne dessen Genehmigung der Minderjährigen möglicherweise weniger oder gar kein Eigentum an der Liegenschaft in Zukunft zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung vom Kollisionskurator der Minderjährigen erhobene Revisionsrekurs erweist sich als unzulässig.

Der Oberste Gerichtshof hat bereits in den Entscheidungen 3 Ob 522/92 (= RZ 1994/3) sowie 9 Ob 2039/96k unter Berufung auf Vorentscheidungen den Standpunkt vertreten, daß die Annahme einer mit Belastungen verbundenen Schenkung nur dann dem Kindeswohl entspreche, wenn der Wert der geschenkten Sache die Belastungen eindeutig übersteige und eine Belastung des Vermögens des Beschenkten ausgeschlossen werden könne. Hiebei sei eine vom Geschenkgeber übernommene Verpflichtung zur Schad- und Klagloshaltung des Beschenkten nicht ausreichend, wenn nicht dargetan werde, daß dieser Anspruch gegebenenfalls mit Erfolg durchgesetzt werden könne, etwa durch eine den Erfordernissen des § 230c ABGB entsprechenden Höchstbetragshypothek in angemessener Höhe. Das Rekursgericht hat diese Grundsätze im Ergebnis beachtet. Ob in concreto die Annahme einer mit Belastungen verbundenen Schenkung - hier mit einer den Liegenschaftsanteil in seinem Wert fast erreichenden Pfandbelastung, die bei Ausführung der mit dem Schenkungsvertrag bezweckten Renovierungsarbeiten erhöht werden müßte, dem Wohnungsrecht zugunsten der Eltern sowie einem Veräußerungs- und Belastungsverbot zugunsten der Mutter - zu genehmigen ist, ist eine nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung im Einzelfall, der keine darüber hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. 8 Ob 1537/90 = ÖA 1991, 54). Daß die Minderjährige ohne pflegschaftsbehördliche Genehmigung des Vertrages (möglicherweise) weniger oder gar kein Eigentum an der Liegenschaft erwerben wird, ist unter den vorliegenden Umständen ohne Bedeutung; es ist besser, kein Eigentum zu erwerben als eines mit den dargestellten Belastungen. Ob aber das Wohnungsrecht zugunsten der Eltern der Minderjährigen für sich allein als Belastung anzusehen wäre, wiewohl sich die Wohnungsberechtigten gegenüber ihrer Tochter vertraglich verpflichtet haben, die Erhaltungs- und Betriebskosten für die Dauer des Wohnungsrechtes zu tragen, ist eine Frage des Einzelfalls und zudem hier nicht zu entscheiden, weil die Belastung der Liegenschaft nicht nur in diesem Punkt besteht.

Stichworte