OGH 1Ob2346/96y

OGH1Ob2346/96y16.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** Privatstiftung, ***** vertreten durch Dr.Franz Calice, Rechtsanwalt in Wien, und der Nebenintervenienten 1. S*****, 2. Dr.Wilhelm P*****, und 3. Dkfm.Gernot T*****, wider die beklagte Partei W***** & Z*****, vertreten durch Dr.Felix Graf, Rechtsanwalt in Feldkirch, wegen Feststellung (Streitwert 235.950 S), infolge Revision der beklagten Partei gegen das mit Beschluß vom 17.April 1996 im Kostenausspruch berichtigte Urteil des Landesgerichts Feldkirch als Berufungsgerichts vom 12.März 1996, GZ 2 R 52/96d-20, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Feldkirch vom 9.November 1995, GZ 20 C 29/95m-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben und das Ersturteil wiederhergestellt.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 49.823,12 S (darin 6.095,52 S Umsatzsteuer und 13.250 S Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die beklagte Partei schloß am 10.Februar 1993 als Mieterin mit einer Immobilienverwaltungsgesellschaft als Vermieterin einen Bestandvertrag über ein Geschäftslokal. Danach begann das auf unbestimmte Zeit vereinbarte Mietverhältnis am 1.März 1993 und konnte von jedem der Vertragspartner mittels eingeschriebenen Briefs „mit einer Frist von zwölf Monaten per Jahresende“ gekündigt werden. Die beklagte Partei verzichtete jedoch mit Schreiben vom 10.Februar 1993 bis zum 31.Dezember 2002 auf die Ausübung ihres Kündigungsrechts. Aufgrund dieser Vereinbarung schloß die beklagte Partei mit der Vermieterin am 16.Februar 1993 einen gerichtlichen „Räumungsvergleich bis zum 31.Dezember 2002“. Im Mietvertrag hatten die Vertragspartner ua auch vereinbart, daß „sämtliche Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag auf etwaige beiderseitige Rechtsnachfolger übergehen und die Vermieterin darüber hinaus berechtigt ist, auch durch sonstige vertragliche Regelungen, wie zum Beispiel Verkauf der Liegenschaft, Leasing und dgl. alle Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag an einen Dritten zu übertragen, sodaß dieser Dritte anstelle der Vermieterin Bestandgeber wird“. Im Mai oder Juni 1994 übertrug dann die Vermieterin, die nicht Liegenschaftseigentümerin, sondern selbst Leasingnehmerin war, ihre Rechte am Bestandgegenstand an die klagende Partei. Aufgrund dieser Vereinbarung „sollten mit Stichtag 1.Mai 1994 sämtliche Rechte und Pflichten hinsichtlich des Mietobjekts ... einschließlich der Rechte als Vermieter aus dem Mietvertrag vom 10.Februar 1993 mit der beklagten Partei“ auf die klagende Partei übergehen. Allerdings sollte die Immobilienverwaltungsgesellschaft als bisherige Vermieterin noch bis einschließlich Juli 1994 den Mietzins einheben und mit der klagenden Partei verrechnen. Im Zusammenhang mit dieser Vertragsübernahme vereinbarte die klagende Partei mit der Leasinggeberin, „alle Ansprüche, die ihr gegenüber den Mietern zustehen, unwiderruflich an die ... Leasinggeberin ... abzutreten“. Die klagende Partei beauftragte mit der Verwaltung des Mietobjekts ein Gebäudeverwaltungsunternehmen. Dieses hatte den Mietzins einzuheben. Die beklagte Partei wurde von der Vertragsübernahme weder durch die vormalige Vermieterin noch durch die klagende Partei verständigt. Das Gebäudeverwaltungsunternehmen teilte jedoch der beklagten Partei in einem Schreiben vom 25.August 1994 folgendes mit:

„Ich erlaube mir Ihnen mitzuteilen, daß nunmehriger Vermieter ... (die klagende Partei ohne Anschrift) ... ist. Ich erlaube mir, in der Anlage eine Verständigung zu übermitteln, welche ich ersuche zum Zeichen ihrer Kenntnisnahme unterfertigt zu retournieren. Mit der Verwaltung des Objekts ist meine Kanzlei Gebäudeverwaltung ... betraut und sind daher in Zukunft sämtliche Zahlungen an mein Konto ... zu leisten. Ebenso ersuche ich in Hinkunft sämtliche Korrespondenz mit meiner Kanzlei vorzunehmen.“

Ein Hinweis darauf, daß diese Verständigung im Namen der vormaligen Vermieterin oder der klagenden Partei erfolge, war dieser Nachricht nicht zu entnehmen. Die beklagte Partei korrespondierte allerdings danach mit dem Gebäudeverwaltungsunternehmen über die Mietzinszahlung und eine „allfällige Übernahme des Hauptmietvertrags“ durch eine Untermieterin. Die vormalige Vermieterin wurde in diesen Schreiben nicht mehr erwähnt. Dennoch kündigte die beklagte Partei das Bestandverhältnis am 16.Dezember 1994 gegenüber der vormaligen Vermieterin gerichtlich auf. Diese Aufkündigung wurde der vormaligen Vermieterin am 21.Dezember 1994 zugestellt und erwuchs in Rechtskraft. Mit Schreiben vom 27.Jänner 1995 teilte der Klagevertreter „den Beklagtenvertretern“ mit, die vormalige Bestandgeberin habe die Mietrechte an die klagende Partei abgetreten. Davon sei die beklagte Partei durch das Schreiben des Hausverwaltungsunternehmens vom 25.August 1994 verständigt worden. Diese möge daher innerhalb von drei Wochen schriftlich erklären, daß ein Mietvertrag zwischen den Streitteilen bestehe. Die beklagte Partei war allerdings nicht bereit, eine solche Erklärung abzugeben. Mit Schreiben vom 20.März 1995 - dieses trug den „Briefkopf der klagenden Partei“ - verständigte das Gebäudeverwaltungsunternehmen die beklagte Partei „von der Abtretung der Ansprüche an ... (das Leasingunternehmen) ...“. Eine gleichlautende Nachricht erhielt die beklagte Partei dann auch durch ein Schreiben des Leasingunternehmens vom 17.August 1995.

Die klagende Partei begehrte die Feststellung, „daß der am 10.Februar 1993 zwischen ... (der vormaligen Vermieterin) ... und der beklagten Partei als Mieterin abgeschlossenen Mietervertrag ... mit Wirksamkeit vom 1.Mai 1994 samt allen bis dahin zwischen ... (der vormaligen Vermieterin) ... und der beklagten Partei als Mieterin bis zum 1.Mai 1994 vereinbarten Abänderungen dieses Vertrags auf die klagende Partei übergegangen“ sei, „noch aufrecht“ bestehe „und durch die Aufkündigung der beklagten Partei ... zum 31.Dezember 1995 nicht aufgelöst“ worden sei. Vorgebracht wurde, daß die klagende Partei die beklagte Partei von dem aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen „zulässigen Vermieterwechsel im August 1994“ verständigt habe. Das habe die beklagte Partei zur Kenntnis genommen und die danach monatlich fällig gewordenen Mietzinse auch an die klagende Partei überwiesen. Die von der beklagten Partei später gegen die vormalige Vermieterin eingebrachte und schließlich auch in Rechtskraft erwachsene gerichtliche Aufkündigung sei unwirksam. Das Bestandverhältnis zwischen den Streitteilen sei nach wie vor aufrecht. Ein Feststellungsinteresse bestehe, weil die beklagte Partei diese Rechtslage bestreite. Die klagende Partei habe im Zessionsvertrag mit der Leasinggeberin vereinbart, „das gegenständliche Verfahren auf Feststellung“ als deren „Treuhänderin“ zu führen. Gleichzeitig habe die Leasinggeberin der klagenden Partei das Recht, „die Feststellung des Weiterbestehens des Bestandverhältnisses zu begehren, abgetreten“. Das beziehe sich nicht nur auf den „Rechtsschutzanspruch“, sondern auch auf die „materielle Berechtigung“.

Die beklagte Partei wendete ein, die Mietrechte seien nicht auf die klagende Partei übergegangen. Wäre diese als Rechtsnachfolgerin der vormaligen Vermieterin an deren Stelle getreten, sei davon die beklagte Partei von der gerichtlichen Aufkündigung des Bestandverhältnisses nicht verständigt worden. Das Mietverhältnis sei daher infolge der rechtskräftigen gerichtlichen Aufkündigung aufgelöst. Die klagende Partei sei auch gar nicht aktiv legitimiert. Diese habe nämlich „die Rechte und Pflichten aus dem ... Mietvertrag“ an die Leasinggesellschaft abgetreten. Das von der klagenden Partei dazu erstattete Vorbringen weise auf eine „unzulässige Prozeßstandschaft“ hin.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und führte in rechtlicher Hinsicht aus, die klagende Partei habe bloß die aus dem „Bestandverhältnis resultierenden Forderungen“ an das Leasingunternehmen abgetreten. Da das Klagebegehren nicht auf die „Bezahlung von offenen Mietzinsen gerichtet“ sei, könne die Aktivlegitimation der klagenden Partei nicht verneint werden. Die beklagte Partei sei jedoch vor Einbringung der gerichtlichen Aufkündigung in unzureichender Weise von der Vertragsübernahme durch die klagende Partei verständigt worden. Das Hausverwaltungsunternehmen habe sich im Schreiben vom 25.August 1994 nicht auf eine Bevollmächtigung durch die klagende Partei oder deren Rechtsvorgängerin berufen; auch sei eine Bekanntgabe der Adresse der beklagten Partei unterblieben.

Das Berufungsgericht gab dem Klagebegehren statt. Es sprach im übrigen aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 50.000 S übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei. Es erwog in rechtlicher Hinsicht, daß der beklagten Partei durch das Schreiben vom 25.August 1994 der „Umfang der Zession und der Name des neuen Vermieters bekannt geworden“ sei. Es habe bloß dessen Anschrift gefehlt. Diese durch Nachforschungen in Erfahrung zu bringen, wäre der beklagten Partei zumutbar gewesen. Das erwähnte Schreiben habe daher als Verständigung von der Vertragsübernahme durch die klagende Partei auf der Vermieterseite ausgereicht. Die gegen die vormalige Vermieterin eingebrachte und auch in Rechtskraft erwachsene gerichtliche Aufkündigung könne daher „im Verhältnis der Streitteile keine Rechtswirkung“ entfalten. Die Aktivlegitimation der klagenden Partei sei „trotz der festgestellten Abtretung der Forderungen ... zu bejahen“. Da bloß alle „gegenüber den Mietern zustehenden Ansprüche“an das Leasingunternehmen abgetreten worden seien, könne darin keine Vertragsübernahme erblickt werden. Nach dem Wortsinn und der Verkehrssitte sei Gegenstand der Abtretung daher nur der Anspruch auf Bezahlung des Mietzinses gewesen, nicht dagegen ein Übergang der Rechtszuständigkeit auf den Zessionar, die „Feststellung des Bestehens eines Mietverhältnisses gerichtlich geltend zu machen“.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist, wie sich aus den folgenden Ausführungen ergeben wird, zulässig und auch berechtigt.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts ist als erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO zu klären, ob den abgetretenen Schuldner bei einer unvollständigen Zessionsverständigung eine „Nachforschungspflicht“ treffe, wenn das zur Vollständigkeit fehlende Detail - hier die Anschrift desjenigen, der in die Rechtsstellung des bisherigen Vermieters eintrat - unschwer in Erfahrung gebracht werden könnte. Dieses Thema bedarf jedoch keiner Erörterung, weil die Entscheidung nicht von der Lösung dieser Rechtsfrage abhängt. Die Vorinstanzen legten nämlich die über die Abtretungsvereinbarung zwischen der klagenden Partei und dem Leasingunternehmen getroffenen Feststellungen - im Widerspruch zu den Behauptungen der klagenden Partei - offenbar unzutreffend aus. Gegenstand der Abtretung waren „alle Ansprüche“, die der klagenden Partei „gegenüber den Mietern zustehen“. Darin kann aber - entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts - nicht nur eine Abtretung der Bestandszinsforderung verstanden werden. Legt man daher den Zessionsvertrag gemäß § 914 ABGB aus, so verblieben in der Rechtszuständigkeit der klagenden Partei als Vermieterin nur die Pflichten, jedoch nicht die Rechte aus dem Bestandverhältnis. Allein dieses Verständnis läßt sich auch mit den durch die Vorinstanzen übergangenen Prozeßbehauptungen der klagenden Partei in Einklang bringen. Diese erwiderte nämlich auf die Bestreitung ihrer Aktivlegitimation ausdrücklich, bloß als „Treuhänderin“ der Leasinggeberin berechtigt zu sein, den Anspruch auf „Feststellung des Weiterbestehens des Bestandverhältnisses“ geltend zu machen. Das beziehe sich nicht nur auf die materielle Berechtigung, sondern auch auf den „Rechtsschutzanspruch“ (ON 13 S 10). Die klagende Partei ging also in ihrem Prozeßvorbringen selbst davon aus, nicht nur ihre Mietzinsforderungen, sondern jedenfalls auch das Recht des Vermieters, auf Feststellung des Bestehens eines Bestandverhältnisses zu klagen, abgetreten zu haben. Den Entscheidungen der Vorinstanzen sind jedoch keine Feststellungen über das behauptete Treuhandverhältnis zu entnehmen. Erst wenn der klagenden Partei der Beweis einer solchen Rechtsbeziehung zur Leasinggeberin gelungen wäre, hätte es einer Stellungnahme dazu bedurft, ob sich deren Aktivlegitimation allein durch ein derartiges Treuhandverhältnis begründen ließe oder darin bloß eine gewillkürte Prozeßstandschaft, aus der eine Klageberechtigung nicht abgeleitet werden kann (SZ 68/36 mzwN), zu erblicken wäre. In diesem Zusammenhang ist hervorzuheben, daß die beklagte Partei ihre Einrede der mangelnden Aktivlegitimation der klagenden Partei im Berufungs- und im Revisionsverfahren aufrechterhielt. Die klagende Partei unterließ es dagegen, die hier maßgeblichen Tatsachenfeststellungen des Ersturteils entsprechend ihren Prozeßbehauptungen im Berufungsverfahren zu bekämpfen. Im Rechtsmittelverfahren zweiter und dritter Instanz wurden auch keinerlei Feststellungsmängel gerügt. Es hätte daher auch dann keiner Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen bedurft, wenn die Prozeßbehauptung der klagenden Partei, das behauptete Treuhandverhältnis reiche für eine Bejahung deren Aktivlegitimation aus, rechtlich schlüssig wäre. Allein aufgrund der über die Abtretungsvereinbarung feststehenden Tatsachen ist nämlich die Aktivlegitimation der klagenden Partei jedenfalls zu verneinen, weil ihr die Rechtszuständigkeit, den eingeklagten Feststellungsanspruch geltend zu machen, nach ihren eigenen Prozeßbehauptungen nur als Treuhänderin zukommen könnte.

Diese vom Berufungsgericht nicht erkannten rechtlichen Zusammenhänge sind im Revisionsverfahren im Interesse der Wahrung der Rechtssicherheit als erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO aufzugreifen. Der Revision der beklagten Partei ist aufgrund der dargestellten Erwägungen daher auch durch Wiederherstellung des im Ergebnis zutreffenden Ersturteils Folge zu geben.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten stützt sich auf § 41 ZPO und § 50 ZPO.

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