Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Heinz S***** des Verbrechens der Unzucht mit Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und des Vergehens des Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB schuldig erkannt, weil er im Zeitraum von Mai 1994 bis Februar 1995 in Deutsch-Wagram und Wien in einer nicht mehr feststellbaren Anzahl von Angriffen die seiner Aufsicht unterstehende unmündige Anita A*****, geboren am 14.November 1982, unter Ausnützung seiner Stellung durch Streicheln an der nackten Brust auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht mißbrauchte.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen vom Angeklagten erhobenen, auf § 281 Abs 1 Z 4, 5, 5 a und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kommt keine Berechtigung zu.
Zu Unrecht releviert die Verfahrensrüge (Z 4) eine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte durch Ablehnung der in der Hauptverhandlung beantragten Einholung des Gutachtens eines gerichtsmedizinischen Sachverständigen zum Beweis dafür, daß der Angeklagte aufgrund seiner Zuckerkrankheit seit Ende 1992 "zu sexuellen Regungen nicht mehr fähig" sei (97); gingen doch die Tatrichter ohnehin vom Vorliegen der vom Angeklagten behaupteten Impotenz aus (US 4 iVm US 6). Im übrigen wurde der Angeklagte nach dem ersten Deliktsfall des § 207 Abs 1 StGB schuldig erkannt, der einen vom - zumindest bedingten - Vorsatz umfaßten Mißbrauch der unmündigen Person zur Unzucht verlangt, jedoch - anders als beim dritten Deliktsfall der genannten Gesetzesstelle - keine auf Befriedigung der Lüste gerichtete Absicht des Täters voraussetzt (Leukauf-Steininger Komm3 § 207 RN 12).
Verteidigungsrechte wurden - den weiteren Ausführungen der Verfahrensrüge zuwider - auch nicht durch die Ablehnung der Einholung des Gutachtens eines "kinderpsychiatrischen" Sachverständigen geschmälert. Der diesbezügliche Antrag war in der Hauptverhandlung
(97) zum Beweis dafür gestellt worden, "daß noch in der psychischen Situation des Kindes dessen Aussagen die für das Strafverfahren notwendige Glaubwürdigkeit nicht zukommt, da Zweifel der objektiven Angaben angenommen werden müssen". Dem ist zu entgegnen, daß die Beweiswürdigung gemäß § 258 StPO ausschließlich den Tatrichtern zukommt, diese sich aufgrund des Beweisverfahrens, des persönlichen Eindruckes von Zeugen und Angeklagtem sowie aufgrund ihrer Berufs- und Lebenserfahrung über die Verläßlichkeit der Aussagen schlüssig zu werden haben und ein Gutachten nur bei besonderer Sachkonstellation erforderlich ist, nämlich wenn die Frage, ob die Glaubwürdigkeit eines Zeugen wahrscheinlich ist oder nicht, von Fachkenntnissen abhängt, deren Vorliegen bei den Mitgliedern des erkennenden Senates nicht ohne weiteres vorausgesetzt werden kann (vgl Mayerhofer/Rieder, StPO3 § 281 Z 4 ENr 117, 118). Ein derartiger Fall liegt nach den Verfahrensergebnissen hier nicht vor; im übrigen wurde ohnehin das Sachverständigengutachten einer Psychologin eingeholt (96f; ON 5), die sich auch mit - allenfalls in Richtung einer denkmöglichen fälschlichen Belastung des Angeklagten durch die Zeugin deutbaren - Umständen auseinandersetzte und dazu Stellung nahm, daß das Mädchen vor kurzem einen Selbstmordversuch unternommen hat und in psychotherapeutischer Behandlung steht. Dem für die Relevanzprüfung allein maßgeblichen Vorbringen im Beweisantrag fehlen zudem entsprechende Hinweise, weshalb - über das Gutachten der beigezogenen Psychologin hinaus - durch die Bestellung auch eines psychiatrischen Sachverständigen andere Erkenntnisse zu erwarten wären.
Mit dem in der Mängelrüge (Z 5) erhobenen Einwand, daß Anita A***** im Tatzeitraum noch keine "entwickelten" Brüste gehabt habe, wird kein formeller Begründungsmangel geltend gemacht, sondern in unzulässiger Weise die Beweiswürdigung des Kollegialgerichtes bekämpft. Der Schöffensenat hat erkennbar auf der Basis des persönlichen Eindruckes und denkrichtig vom Entwicklungszustand der Zeugin anläßlich ihrer - nach § 162 a Abs 2 StPO unter Videoübertragung und -aufnahme erfolgten - Vernehmung auf den Reifegrad des Mädchens im Tatzeitraum geschlossen. Die Beschwerde verkennt demgegenüber das Wesen einer Aktenwidrigkeit, die nur dann vorliegt, wenn in den Entscheidungsgründen der Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels unrichtig wiedergegeben wird (Mayerhofer/Rieder, aaO § 281 Z 5 ENr 185), nicht jedoch wenn der persönliche Eindruck die Tatrichter bei ihrer Beweiswürdigung zu bestimmten Schlußfolgerungen veranlaßt hat.
Durch den Umstand, daß das Schöffengericht im Schuldspruch die Anzahl der Tatangriffe des Angeklagten nicht für zweifelsfrei feststellbar erachtete (US 2, 4 und 7), obgleich das Mädchen in der Hauptverhandlung von einem zweimaligen Streicheln an der Brust sprach, kann sich der Angeklagte nicht für beschwert erachten.
Dem nominell in der Mängelrüge (Z 5) erhobenen, der Sache nach jedoch einen Feststellungsmangel (Z 9 lit a) relevierenden Einwand - der sich im wesentlichen auch mit den Ausführungen der Rechtsrüge deckt -, das Erstgericht habe es verabsäumt, zur Abgrenzung von einer bloß flüchtigen Berührung den Intensitätsgrad festzustellen, genügt es zu erwidern, daß das von den Tatrichtern festgestellte "Streicheln" unter dem Leibchen an der nacken Brust schon begrifflich eine bloß flüchtige Berührung ausschließt. Die sich solcherart nicht am Urteilssachverhalt orientierende Rechtsrüge gelangt demzufolge nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.
Nicht zielführend ist schließlich auch die Tatsachenrüge (Z 5 a), weil ihre Ausführungen keine Bedenken - umsoweniger solche erheblicher Art - gegen die sich aus den Akten ergebenden den Schuldspruch tragenden Feststellungen darzulegen vermögen, die das Erstgericht hauptsächlich auf die Angaben des Tatopfers gestützt hat, das in der Hauptverhandlung im wesentlichen übereinstimmend mit seinen früheren Angaben aussagte und über dessen Aussagefähigkeit ein psychologisches Gutachten eingeholt wurde.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war folglich bereits in nichtöffentlicher Sitzung gemäß § 285 d Abs 1 StPO sofort zurückzuweisen.
Die Kompetenz zur Entscheidung über die Berufungen fällt demnach dem Oberlandesgericht Wien zu (§ 285 i StPO).
Die Kostenentscheidung basiert auf § 390 a StPO.
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