Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mesut D***** wird verworfen.
Hingegen wird der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt,
I. in Ansehung des Schuldspruchs des Angeklagten Mesut D***** wegen minderschweren Raubes zu Punkt 1. des Urteilssatzes im Ausspruch, daß der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wurde, und demgemäß in der rechtlichen Unterstellung der Tat unter die Bestimmung des § 142 Abs 2 StGB sowie
II. hinsichtlich des Schuldspruchs des Angeklagten Mehmet K***** wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB laut Punkt 2. des Urteilssatzes in der Nichtannahme der Qualifikation zum schweren Raub unter Verwendung einer Waffe nach § 143 zweiter Fall StGB
und demgemäß auch in den Strafaussprüchen, jedoch unter Aufrechterhaltung des Ausspruches über die Anrechnung der Vorhaft beim Angeklagten Mesut D*****, aufgehoben.
Gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO wird
A. im Umfang der Aufhebung zu I in der Sache selbst erkannt:
Mesut D***** wird für die ihm nach dem unberührt gebliebenen Schuldspruch weiterhin zur Last liegenden strafbaren Handlungen, nämlich die Verbrechen des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB (Punkt 1) und des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB gemäß §§ 28, 143 erster Strafsatz StGB unter Anwendung des § 5 JGG sowie unter nachträglicher Straffestsetzung gemäß § 15 Abs 1 JGG zu dem mit Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 26. April 1996, GZ 23 E Vr 468/96-87, ergangenen Schuldspruch wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 1 StGB, zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt; und
B. hinsichtlich Mehmet K***** im Umfang der Aufhebung zu II die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit ihren Berufungen werden die beiden Angeklagten und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.
Den Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der am 17.Mai 1979 geborene Mehmet K***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1 StGB und der am 19.September 1980 geborene Mesut D***** des Verbrechens des (minderschweren) Raubes nach § 142 Abs 1 und Abs 2 StGB sowie des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB schuldig erkannt.
Darnach haben sie in Innsbruck fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich oder Dritte durch die Sachzueignung zu bereichern, weggenommen und zwar
1. Mesut D***** am 19.November 1995 zusammen mit dem gesondert verfolgten Adem C***** dem Bruno G***** mit Gewalt gegen seine Person, indem sie ihn festhielten und zu Boden rangen, seine Geldtasche mit einem Bargeldbetrag von 743 S, wobei der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begangen wurde;
2. Mehmet K***** und Mesut D***** am 5.Juni 1996 dem Claudio T***** mit Gewalt gegen seine Person einen Bargeldbetrag von 350 S, indem Mehmet K***** den Claudio T***** von hinten umklammerte und ihm die Geldtasche mit dem genannten Bargeldbetrag wegnahm, wobei Mesut D***** den Raub unter Verwendung einer Waffe verübte, indem er ein stählernes, ca 1,43 kg schweres massives Fahrradbügelschloß gegen das Gesicht des Claudio T***** stieß, ohne daß die Verwendung dieses Schlosses als Waffe zuvor mit Mehmet K***** abgesprochen wurde bzw dieser sich damit zumindest abgefunden hat.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte Mesut D***** und die Staatsanwaltschaft bekämpfen dieses Urteil je mit Nichtigkeitsbeschwerde, die vom Angeklagten D***** auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 5 a und 10 und von der Anklagebehörde auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützt wird.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten D*****:
Diese richtet sich allein gegen die Annahme, daß der Beschwerdeführer den Raub zu Punkt 2. des Urteilssatzes unter Verwendung einer Waffe verübte, somit gegen die Qualifikation nach § 143 zweiter Fall StGB.
Entgegen der Mängelrüge (Z 5) war das Erstgericht nicht dazu verhalten, die Ausführungen des medizinischen Sachverständigen zur Wucht des dem Raubopfer mit dem Fahrradschloß versetzten Schlages (437 I) zu erörtern, weil dessen Intensität keine für die rechtliche Beurteilung entscheidende Tatsache betrifft. Eine Waffe wird nämlich dann im Sinne des zweiten Falles des § 143 StGB bei Begehung des Raubes verwendet, wenn sie bei der Gewaltausübung gegen eine Person oder bei der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben zum Einsatz gelangt; sie muß mithin Mittel der Gewalt oder Drohung sein (Leukauf/Steininger Komm3 § 143 RN 6). Da bereits die Drohung mit einer Waffe im erwähnten Sinn für die Erfüllung der Qualifikation ausreicht, kommt es auf die Intensität der mittels der Waffe gegebenenfalls tatsächlich ausgeübten Gewalt nicht an. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist es daher nicht von Bedeutung, ob er vor dem Schlag mit dem Stahlbügelschloß ausholte oder den Schlag mit nur geringer Energie führte. Deshalb mußte sich das Erstgericht auch nicht mit der Frage auseinandersetzen, ob das Raubopfer dem Schlag des Angeklagten D***** auswich. Soweit der Beschwerdeführer die Unterlassung der Erörterung der angeblichen Aussage des Zeugen T***** in der Hauptverhandlung, wonach dieser keine Ausweichbewegung gemacht habe, rügt, ist die Beschwerde im übrigen nicht aktenkonform ausgeführt, weil ein derartiges Verfahrensergebnis dem - vollen Beweis machenden - Protokoll über die Hauptverhandlung nicht zu entnehmen ist (63 ff II).
Die Tatsachenrüge (Z 5 a) vermag mit der Betonung der Richtigkeit der in der Hauptverhandlung gewählten Verantwortung des Angeklagten, wonach er dem Raubopfer den in Rede stehenden Schlag mit dem Fahrradbügelschloß fahrlässig zugefügt habe, keine erheblichen sich aus den Akten ergebende Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruches des Gerichtshofes über die vorsätzliche Verwendung des Schlosses als Waffe (US 9) zu erwecken, weil sich das Erstgericht bei seinen gegenteiligen Feststellungen auf die geständige Verantwortung des Beschwerdeführers gegenüber der Polizei (389 I) stützen konnte (US 10).
Soweit die Subsumtionsrüge (Z 10), die zwar einräumt, daß ein Fahrradbügelschloß dem Waffenbegriff des § 143 Satz 1 zweiter Fall StGB entsprechen könne, die qualifikationsspezifische Verwendung unter Wiederholung der Argumentation der Mängelrüge (abermals) problematisiert, ist auf das bei deren Erledigung dazu bereits Gesagte zu verweisen.
Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten D***** war daher zu verwerfen.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft:
Der den Schuldspruch des Angeklagten Mesut D***** zu Punkt 1. des Urteilssatzes wegen sogenannten minderschweren Raubes nach § 142 Abs 2 StGB bekämpfenden, die Ausschaltung dieser Privilegierung anstrebenden Subsumtionsrüge (Z 10) kommt Berechtigung zu. Zutreffend verweist die Anklagebehörde darauf, daß der Raub unter Anwendung erheblicher Gewalt begangen wurde. Nach ständiger Rechtsprechung ist die angewendete Gewalt dann erheblich, wenn beachtliche physische Kraft in vehementer Weise eingesetzt wird, wobei dies unter den jeweiligen Umständen des Einzelfalles, insbesondere unter Berücksichtigung des Zustandes des Angegriffenen, nach einem objektiv-individualisierenden Maßstab zu beurteilen ist (Leukauf/Steininger aaO § 142 RN 28 mwN). Davon ausgehend kann aber, da das Raubopfer Bruno G***** infolge Alkoholisierung in der Widerstandsfähigkeit stark herabgesetzt und den Angriffen zweier Täter ausgesetzt war, die gegen ihn angewendete Gewalt nicht als unerheblich beurteilt werden.
Es mangelt daher schon an dieser Voraussetzung für die Annahme der in § 142 Abs 2 normierten Privilegierung (vgl dazu auch die identen Gründe des in der Strafsache gegen den gesondert verfolgten Adem C***** ergangenen Urteils des Obersten Gerichtshofes vom 24.Oktober 1996, 15 Os 146/96), weshalb - ohne daß auf die weiteren Voraussetzungen einzugehen war - insoweit mit Urteilsaufhebung und der bezüglichen Ausschaltung vorzugehen war.
Berechtigung kommt auch der gegen den Schuldspruch des Angeklagten Mehmet K***** zu Punkt 2. des Urteilssatzes unter dem Gesichtspunkt unvollständiger Begründung erhobenen Mängelrüge (Z 5) zu, mit der die Staatsanwaltschaft die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen zur inneren Tatseite dieses Angeklagten in bezug auf die Verwendung einer Waffe durch den Mitangeklagten Mesut D***** bekämpft.
Das Schöffengericht hat der Verantwortung des Angeklagten D***** ebenso wie den Angaben des Angeklagten K***** und des Zeugen T***** jeweils vor der Polizei zwar im wesentlichen Glaubwürdigkeit zuerkannt, dabei aber nicht als erwiesen angenommen, daß Mehmet K***** von der Verwendung des Stahlbügelschlosses als Waffe durch Mesut D***** wußte und ist davon ausgegangen, daß letzterer offensichtlich überraschend mit diesem Gegenstand gegen das Gesicht des Claudio T***** schlug.
Im Sinne der Beschwerdeargumentation ist das Erstgericht dabei seiner Verpflichtung zur Würdigung der im Vorverfahren abgelegten Aussagen des Angeklagten D***** - entgegen der Ansicht der Generalprokuratur - insoweit nicht ausreichend nachgekommen, als die Tatrichter die die subjektiven Qualifikationserfordernisse in Ansehung des Angeklagten K***** berührende Verantwortung des Angeklagten D***** vor der Polizei und dessen ähnlich lautende, vor dem Untersuchungsrichter bekundete Tatschilderung (197 ff I) unerörtert ließen, wonach der Angeklagte K***** dem Zeugen T***** das Fahrradschloß entriß und diesen zu Boden schlug, das Schloß ihm (D*****) übergab und an ihn, nachdem T***** sich wieder erhoben hatte und während er (K*****) den Zeugen von hinten mit einem Arm umschlungen hielt, die Aufforderung richtete: "Mesut schlag, ich nehme die Geldtasche!" (387 ff I). Diese Darstellung des komplexen Geschehensablaufes legt einen unmittelbaren chronologisch-sachlichen Zusammenhang zwischen Übergabe und Gebrauch des als Waffe zum Einsatz gelangten Gegenstandes als Teilen einer mehraktigen Tat nahe und war somit jedenfalls erörterungsbedürftig. Diese dem Erstgericht unterlaufene formelle Nichtigkeit macht hinsichtlich des Angeklagten K***** die Verfahrenserneuerung unumgänglich, da nicht auszuschließen ist, daß die Tatrichter bei Beachtung auch dieser Verfahrensergebnisse zu einer anderen Entscheidung gelangt wären.
Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und dieser Angeklagte auf die getroffene (teil-)kassatorische Entscheidung zu verweisen.
Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten D***** unter Anwendung der §§ 28 StGB und 5 JGG unter nachträglicher Straffestsetzung gemäß § 15 JGG zum Verfahren 23 E Vr 468/96 des Landesgerichtes Innsbruck nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB zu einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren.
Bei der Strafbemessung wertete es als erschwerend den raschen Rückfall während des wegen des Schuldspruchfaktums 1. anhängigen Strafverfahrens, die Verletzung des Zeugen T*****, die Begehung der Taten in Gesellschaft von Mittätern, das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, die Wiederholung des Raubes und die Begehung des Raubes unter Verwendung einer Waffe zum Nachteil eines Behinderten, als mildernd hingegen das Alter unter sechzehn Jahren, die teilweise Schadensgutmachung, die teilweise Begehung der Taten vor der letzten Verurteilung sowie das reumütige Geständnis.
Bei der Neubemessung der über den Angeklagten D***** zu verhängenden Strafe waren die vom Schöffengericht im wesentlichen richtig und vollständig festgestellten Strafzumessungstatsachen mit der Einschränkung zu übernehmen, daß die Deliktskonkurrenz zwei Verbrechen und ein Vergehen (§§ 83 Abs 1, 84 Abs 2 Z 2 StGB) umfaßt. Der Oberste Gerichtshof erachtete eine Vorgangsweise nach § 15 Abs 1 JGG (nachträglicher Strafausspruch) hinsichtlich der zum AZ 23 E Vr 468/96 des Landesgerichtes Innsbruck erfolgten Verurteilung für geboten, um den Angeklagten D***** von weiteren strafbaren Handlungen abzuhalten.
Auf der Basis der somit unter dem Aspekt der Täterschuld und des Unrechtsgehaltes der Tat gegebenen Strafbemessungssituation ist eine Freiheitsstrafe von zwei Jahren tat- und tätergerecht.
Der Angeklagte D***** und die Staatsanwaltschaft waren mit ihren Berufungen auf diese Entscheidung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 390 a StPO.
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