OGH 15Os143/96

OGH15Os143/965.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.Dezember 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Huber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Friedrich K***** und Helmut M***** wegen des Finanzvergehens der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 und 13 FinStrG und eines anderen Finanzvergehens über die Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes für Körperschaften als Finanzstrafbehörde erster Instanz gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 2.Mai 1996, GZ 12 e Vr 476/96-29, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr.Raunig, des Angeklagten K*****, sowie der Verteidiger Mag.Potyka und Dr.Wagner, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten M***** und eines Vertreters des Finanzamtes für Körperschaften als Finanzstrafbehörde erster Instanz zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem bekämpften Urteil wurden Friedrich K***** und Helmut M***** von der ihnen die Finanzvergehen (zu A. und B.) jeweils der Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs 1 FinStrG (richtig: die Finanzvergehen der teils vollendeten, teils versuchten Abgabenhinterziehung nach §§ 33 Abs 1 und 13 FinStrG) und (zu C.) nach § 33 Abs 2 lit a FinStrG, Helmut M***** als Bestimmungstäter nach § 11 zweiter Fall FinStrG, zur Last liegenden Anklage, es hätten

I. Friedrich K***** von Anfang 1991 bis Herbst 1992 in Wien als Geschäftsführer der Firma H***** GesmbH fortgesetzt vorsätzlich

A. unter Verletzung einer abgabenrechtlichen Offenlegungs- und Wahrheitpflicht, nämlich durch Abgabe von Erlöse und Gewinne zu niedrig ausweisende Jahreserklärungen, nachgenannte bescheidmäßig festzusetzende Steuern für 1991 zu verkürzen versucht, und zwar Umsatzsteuer um 288.983 S, Körperschaftssteuer um 197.790 S und Gewerbesteuer um 95.645 S;

B. durch Unterlassung der Anmeldung, Einbehaltung und Abfuhr der selbst zu berechnenden Kapitalertragsteuer eine Verkürzung dieser Steuer bewirkt, nämlich

1. für 1991 um 387.527 S

2. für 1992 um 529.606 S;

C. unter Verletzung der Verpflichtung der Abgabe von dem § 21 UStG 1972 entsprechenden Voranmeldungen, nämlich durch Abgabe unrichtiger, nicht sämtliche Erlöse ausweisender und überdies fingierte Vorsteuern enthaltender Voranmeldungen, Verkürzungen von Vorauszahlungen an Umsatzsteuer für die Voranmeldezeiträume Jänner bis Juli 1992 in der Höhe von 466.206,94 S bewirkt und dies für gewiß gehalten;

II. Helmut M***** den Friedrich K***** zu den unter I. geschilderten Taten bestimmt,

gemäß § 214 Abs 2 FinStrG freigesprochen.

Das Erstgericht erachtete jene durch die vier (von den Beschwerdeführern stets als Subunternehmer bezeichneten) Firmen, nämlich B***** GesmbH, Anton O*****, B***** und G***** ausgestellten Rechnungen trotz unrichtiger Firmenanschriften und fehlender steuerlicher Erfassung dieser Unternehmen mit der wesentlichen Begründung nicht als Scheinfakturen, aus den Verantwortungen der Angeklagten in der Hauptverhandlung habe sich durchwegs glaubwürdig ergeben, daß sie den tatsächlich als Subunternehmen beschäftigt gewesenen Firmen die den Abgabenerklärungen zugrundeliegenden Leistungen für erbrachte Arbeiten ausgezahlt hätten, die finanzbehördlichen Erhebungen - insbesonders im Hinblick auf die in der Baubranche übliche Verwendung von "wandernden Arbeitspartien" im allgemeinen und bezüglich der fatierungskonformen Heranziehung lokaler Arbeitskräfte für ein Bauprojekt in Seefeld/Tirol im besonderen - mangelhaft und nicht zielführend gewesen wären, die Barzahlung von 600.000 S an einen der Subunternehmer ungeachtet der in Verstoß geratenen Bautagesberichte durchwegs branchenüblich sei und nach den Ausführungen des Gerichtssachverständigen in der Haupverhandlung ein strafbestimmender Wertbetrag von 1 Mio S in keiner Weise erreicht werde.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die allein auf § 281 Abs 1 Z 5 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes für Körperschaftssteuern als Finanzstrafbehörde erster Instanz, der Berechtigung zukommt.

Zutreffend bemängelt nämlich die Finanzstrafbehörde, die Urteilsbegründung sei unvollständig geblieben, weil das Erstgericht bei Feststellung entscheidender Tatsachen wichtige Verfahrensergebnisse mit Stillschweigen übergangen, Widersprüche zwischen den Aussagen vernommener Personen nicht gewürdigt und seinen Konstatierungen widerstreitende Umstände nicht erörtert habe (EvBl 1972/17), bei deren Berücksichtigung eine andere Lösung der Beweisfrage denkbar sei (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 5 E 63).

Wenngleich das Gericht nach § 258 Abs 2 StPO in der Beweiswürdigung freie Hand hat und gemäß § 270 Abs 2 Z 5 StPO die Urteilsbegründung nur in gedrängter Darstellung abzufassen hat, demnach nicht verpflichtet ist, in den Entscheidungsgründen den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen wie überhaupt alle Verfahrensergebnisse im einzelnen in extenso zu erörtern und darauf zu untersuchen, wieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen (abermals EvBl 1972/17), muß es bei seinen Feststellungen in formell richtiger Weise vorgehen (Mayerhofer/Rieder aaO E 57).

Diesem Gebot zuwider hat das Schöffengericht nachvollziehbar weder die ins Auge springenden "Ungereimtheiten" bezüglich Unterschriften, Schreibweise und Anschriften der fraglichen Subunternehmer auf den (dem Finanzamt für Körperschaften) vorgelegten Auftragschreiben und Rechnungen berücksichtigt (7 f iVm 101 ff), noch das massive Überwiegen (fallweise bis zu 100 %) des den Eingangsrechnungen zugrunde gelegten Zeitaufwandes der Subunternehmer gegenüber den in den korrespondierenden Ausgangsrechnungen bezifferten Arbeitsstunden (85 f) in seine Erwägungen miteinbezogen. Insoweit ging der gerichtliche Sachverständige für das Rechnungswesen Mag.Z*****, auf den sich das Schöffengericht stützen zu können vermeint, in der Hauptverhandlung bloß von durch den Vorsitzenden bei Befragung des Sachverständigen - gleichsam in Vorwegnahme der im Urteil mangelhaft begründeten Tatsachenannahmen - eingeführten hypothetischen Annahmen aus, relativierte aber damit seinen anhand von erhobenen Fakten dargelegten Standpunkt keineswegs (85 ff; 286 f), wie das Erstgericht - isoliert betrachtet - irrig vermeint (US 7).

Der Umstand, daß Anton O***** einerseits vom 27.August bis 22.Oktober 1991 als Arbeitnehmer der H***** GesmbH gemeldet war, andererseits eine Rechnung vom 30.August 1991 über erbrachte Leistungen als selbständiger Unternehmer vorgelegt hat (105, 191 f), blieb ebenso unerörtert wie die vom genannten Experten daraus sowie aus der Tatsache, daß nach Mitteilung der Wiener Gebietskrankenkasse die genannten Subunternehmer keine Arbeitnehmer gemeldet hatten, abgeleiteten Schlußfolgerungen (abermals 105, 195 ff), welche mit jenen der Beschwerdeführerin übereinstimmen.

Lediglich von isoliert und verallgemeinernd gesehenen angeblich branchenspezifischen Gewohnheiten ausgehend, übergingen die Tatrichter aber auch, daß speziell für behauptete Barzahlungen in Höhe von 600.000 S sowie für den Einsatz örtlicher Arbeitskräfte bei einem Bauprojekt in Tirol nicht nur keine Bautageberichte, sondern vor allem keine entsprechenden Kassenbelege bzw Zahlungsquittungen vorgelegt werden konnten (85).

Unerwähnt blieb des weiteren die Aussage des Zeugen O***** in der Hauptverhandlung (276 f), wonach er (als Subunternehmer) auf der Basis eines Werkvertrages dem Angeklagten M***** stets nur blanko unterschriebene "normale rosa Zettel" (Rechnungsformulare) vorgelegt und nie Zahlungen in der von den Angeklagten behaupteten Höhe von 267.631,55 S erhalten hat.

Schließlich lassen die Entscheidungsgründe jedwede sachbezogene Auseinandersetzung mit den Verantwortungen der Angeklagten vermissen, die sich nach dem Vortrag der Anklagepunkte samt Begründung und, nachdem sich der Vorsitzende vergewissert hatte, daß sie vom Gegenstand und Umfang der Anklage ausreichend in Kenntnis gesetzt sind, uneingeschränkt "schuldig" (Angeklagter K***** - 255) bzw"bezüglich der Abgabenverkürzungen schuldig" bekannten (Angeklagter M***** - 268).

Schon aus all dem erhellt, daß das Erstgericht nicht von der gebotenen Gesamtschau der maßgeblichen Verfahrensergebnisse ausging, sondern unter unbegründeter Bevorzugung des Standpunktes der Angeklagten entscheidungswesentliche Ergebnisse des Beweisverfahrens vernachlässigte und ungewürdigt ließ, die bei der gegebenen Sachlage in ihrer Gesamtheit durchaus zur Feststellung führen könnten, die Angeklagten hätten zur Vorgabe eines tatsächlich nicht erbrachten Fremdaufwandes der Finanzbehörde fingierte Rechnungen vorgelegt.

Der solcherart formell fehlerhaft begründete Freispruch war demnach in Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Finanzamtes für Körperschaften als Finanzstrafbehörde erster Instanz aufzuheben und die Verfahrenserneuerung anzuordnen. Im zweiten Rechtsgang wird das Erstgericht auf Grund seiner Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitsforschung - als unzureichend empfundene Ermittlungen der Untersuchungsbehörden sind nicht bereits ein Freispruchsgrund, sondern haben das Gericht zur Ergänzung der Ermittlungen zu veranlassen - den inkriminierten Sachverhalt abschließend zu klären und seine Entscheidung mängelfrei zu begründen haben.

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