OGH 15Os153/96 (15Os183/96)

OGH15Os153/96 (15Os183/96)5.12.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 5.Dezember 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch, Mag.Strieder, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Huber als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Regina Ho***** und Erich Ha***** wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB über die Beschwerde des Angeklagten Erich Ha***** gegen den Beschluß (§ 285 a Z 1 StGB) des Vorsitzenden des Landesgerichtes Wr.Neustadt vom 13.Juni 1996, GZ 40 Vr 871/95-55, sowie über die (ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen beider Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Wr.Neustadt als Schöffengericht vom 3.Mai 1996, GZ 40 Vr 871/95-52, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

1. Der Beschwerde gemäß § 285 b Abs 2 StPO des Erich Ha***** wird nicht Folge gegeben.

2. Die Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagten und die Berufung des Angeklagten Erich Ha***** werden zurückgewiesen.

3. Zur Entscheidung über die Berufung der Angeklagten Regina Ho***** werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des (bisherigen) Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche beider Angeklagten enthaltenden Urteil wurden Regina Ho***** und Erich Ha***** des Verbrechens des schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 StGB schuldig erkannt und hiefür zu bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen verurteilt.

Danach haben sie mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, andere durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet, die diese oder andere am Vermögen schädigte, nämlich

1) Erich Ha***** alleine im April 1992 in Oeynhausen durch die schriftliche Verpflichtungserklärung, er werde den bei der Sparkasse B***** aufgenommenen Kredit in der Höhe von 200.000 S bis 31.Dezember 1992 abdecken, sodaß damit die Bürgschaftserklärung von Horst Hol***** erlösche, diesen zur Übernahme einer Bürgschaft, Schaden 200.000 S, und

2) Erich Ha***** und Regina Ho***** im einverständlichen Zusammenwirken am 4.Jänner 1995 in Traiskirchen Prof.Edith Sch***** durch die Vorgabe, sie sei lediglich Bürgin, zur Aufnahme eines Überbrückungsdarlehens bei der Stadtsparkasse T*****, aus dem sie wegen einer von Regina Ho***** zu erwartenden Erbschaft nicht in Anspruch genommen würde, Schaden 1 Million S.

Rechtliche Beurteilung

Nach Verkündung des Urteils und Erteilung einer Rechtsmittelbelehrung erklärte der Angeklagte Erich Ha***** nach Rücksprache mit seinem Verteidiger Rechtsmittelverzicht. Dessenungeachtet meldete dieser Angeklagte ebenso wie die Angeklagte Regina Ho***** mit gemeinsamem, beim Erstgericht am 8.Mai 1996 eingelangten Schriftsatz (ON 54) Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an.

Mit dem angefochtenen Beschluß vom 13.Juni 1996 (ON 55) wies der Vorsitzende des Schöffengerichtes gemäß § 285 a Z 1 StPO die mit dem genannten Schriftsatz von Erich Ha***** angemeldete Nichtigkeitsbeschwerde zurück, weil dieser Angeklagte, was im Schriftsatz auch zugegeben werde, nach Rücksprache mit seinem Verteidiger "das Urteil angenommen" habe und allfällige Motive der Rechtsmittelerklärung unbeachtlich seien.

Gegen diesen Beschluß erhob Erich Ha***** Beschwerde; am gleichen Tag brachten er sowie Regina Ho***** mit einem gemeinsamen Schriftsatz jeweils gesonderte Ausführungen von Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen ein.

Zu den Rechtsmitteln des Angeklagten Erich Ha*****:

Die gegen den Beschluß, mit dem die Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen wurde, gerichtete Beschwerde ist unbegründet.

Gemäß §§ 285 a Z 1, 285 b Abs 1 StPO hat der Vorsitzende des Schöffengerichtes eine Nichtigkeitsbeschwerde unter anderem dann zurückzuweisen, wenn sie von einer Person eingebracht wurde, der sie nicht zukommt oder die auf sie verzichtet hat.

Durch die Erklärung "Rechtsmittelverzicht" hatte der Angeklagte bereits unmißverständlich auf jegliches Rechtsmittel gegen das verkündete Urteil verzichtet. Nach den Umständen des Falls besteht kein Zweifel daran, daß dieser Verzicht auch dem damaligen Willen des Angeklagten tatsächlich entsprochen hat. Was immer nachträglich dagegen - teils befremdend unsachlich und solcherart einer geschäftsordnungsgemäßen Erörterung nicht zugänglich - zum Motiv des Angeklagten (oder des Verteidigers für seinen diesbezüglichen Rat) vorgebracht wird, ist, wie der angefochtene Beschluß zutreffend ausführt, für die Verbindlichkeit der prozessualen Erklärung ohne Bedeutung. Ein Motivirrtum wäre nämlich nur dann für die Wirksamkeit darauf zurückzuführender prozessualer Erklärungen beachtlich, wenn er auf einem Fehlverhalten des Gerichtes beruhte, wie zB auf einer der Manuduktionspflicht nach § 3 StPO zu widerlaufenden unrichtigen Information über den Inhalt, die Vorausssetzungen oder die (möglichen) Folgen einer Rechtsmittelerklärung (vgl 13 Os 84,85/90; 10 Os 7,13/87, 15 Os 59,60,81/96). Hiefür fehlt jedoch jeder Anhaltspunkt, der Rechtsmittelverzicht wurde vielmehr - eingestandenermaßen (S 226/II) - auf Rat des Verteidigers abgegeben.

Der Beschwerde kommt daher keine Berechtigung zu.

Auch die nach dem in Rede stehenden Verzicht eingebrachte Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Erich Ha***** wäre demnach schon vom Vorsitzenden des Schöffengerichtes gemäß §§ 285 a Z 1, 285 b Abs 1 StPO als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Da dies nicht geschehen ist, hatte dies durch den Obersten Gerichtshof bei einer nichtöffentlichen Beratung zu erfolgen (§ 285 d Abs 1 Z 1 StPO), zumal dem bekämpften Urteil kein - allenfalls auch von Amts wegen wahrzunehmender - materieller Nichtigkeitsgrund anhaftet.

Zugleich war aber auch die (angemeldete und ausgeführte) Berufung dieses Angeklagten gemäß §§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO vom Obersten Gerichtshof zurückzuweisen. Dem steht § 285 i StPO nicht entgegen; denn durch diese (nach dem Strafrechtsänderungsgesetz 1987, BGBl 1987/605, geschaffene, seit 1.März 1988 geltende) Bestimmung sollte nur die schon bisher in den Fällen des § 285 d Abs 1 Z 1 StPO geübte Praxis, die meritorische Erledigung einer Berufung dem (hiefür an sich zuständigen) Gerichtshof zweiter Instanz zu überlassen, auch auf die Fälle des § 285 d Abs 1 Z 2 StPO ausgedehnt werden (JAB zum StRÄG 359 BlgNR XVII. GP S 45 zweite Spalte oben). Die bis dahin vom Obersten Gerichtshof - auch in den Fällen der Z 1 - in Anspruch genommene Kompetenz zur formellen Berufungsentscheidung durch Zurückweisung gemäß §§ 294 Abs 4, 296 Abs 2 StPO wurde hingegen durch die Neuregelung nicht tangiert (vgl 15 Os 68/88 uva, zuletzt 15 Os 69,60,81/96).

Zu den Rechtsmitteln der Angeklagten Regina Ho*****:

Die auf die Z 5, 5 a und 8 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht berechtigt.

Die Mängelrüge (Z 5) behauptet eine unzureichende, inhaltlich jedoch eine unvollständige Begründung, weil sich die Tatrichter nicht kritisch mit den Angaben des Zeugen S***** auseinandergesetzt hätten, er hätte Prof.Sch***** klargemacht, daß sie Kreditnehmerin (und nicht Bürgin) wäre. Die Rüge übersieht dabei die auf US 18 dargestellten ausführlichen Überlegungen der Tatrichter zu diesem Punkt.

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) ist nicht geeignet, sich aus den Akten ergebende erhebliche Zweifel an der Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrundeliegenden entscheidenden Feststellungen zu erwecken oder schwerwiegende Verletzungen der Pflicht zur amtswegigen Erforschung der Wahrheit durch das Erstgericht aufzuzeigen. Vielmehr versucht sie spekulativ die tatrichterliche Beweiswürdigung unzulässig nach Art einer Schuldberufung in Zweifel zu ziehen und bringt somit diesen Nichtigkeitsgrund nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 5 a E 4).

Verfehlt ist auch die Rüge einer Anklageüberschreitung (Z 8), die darin bestehen soll, daß sich die Feststellung der Täuschung auch auf die falsche Mitteilung einer zu erwartenden Erbschaft stützte, obwohl die Anklage nur die Vorgabe, Prof.Sch***** sei lediglich Bürgin, inkriminiere.

Die Identität der Tat geht nämlich nicht verloren und es wird die Anklage daher nicht überschritten, wenn das Urteil, abweichend von der Anklage (hier: in deren Sachverhaltsergänzung) andere in den Rahmen des Gesamtverhaltens der Angeklagten fallende Handlungen, die auf denselben strafgesetzwidrigen Erfolg zielen, als strafbar erklärt (Mayerhofer/Rieder aaO § 262 E 40).

Die von den Tatrichtern zusätzlich angenommene Täuschungshandlung vermag daher die behauptete Nichtigkeit nicht zu begründen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war demnach schon bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen (§ 285 d StPO), sodaß über die außerdem erhobene Berufung dieser Angeklagten das Oberlandesgericht Wien zu befinden hat (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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