OGH 8ObS2257/96m

OGH8ObS2257/96m28.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Langer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Dipl.Ing.Dr.Hans Peter Bobek und Werner Fendrich als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Michael P*****, vertreten durch Dr.Markus Orgler und Dr.Josef Pfurtscheller, Rechtsanwälte in Innsbruck, wider die beklagte Partei Bundessozialamt für Tirol, Herzog-Friedrich-Straße 3, 6020 Innsbruck, vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 926,80 S Insolvenzausfallgeld, infolge Revision des Klägers gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2.Juli 1996, GZ 25 Rs 60/96a-11, womit infolge Berufung des Klägers das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 1.April 1996, GZ 47 Cgs 57/96b-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß die Entscheidung zu lauten hat:

"Die beklagte Partei ist schuldig, dem Kläger einen Betrag von 926,80 S binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, dem Kläger zu Handen des Klagevertreters die mit 2.448 S bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin 408 S Umsatzsteuer) sowie die mit 1.015,68 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin 169,29 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist ferner schuldig, dem Kläger zu Handen des Klagevertreters die mit 1.223,04 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 203,84 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 1.August 1994 bis 19.September 1994 bei der Transporte R***** GmbH beschäftigt. Nachdem der Kläger zu 43 Cg 216/94g des Erstgerichtes einen vollstreckbaren Zahlungsbefehl über restliches Überstundenentgelt von 26.754,35 S brutto sA erwirkt und zur Hereinbringung dieser Forderung und der zuerkannten Kosten von 4.625,04 S vergeblich Fahrnisexekution geführt hatte, rief die in der Kanzlei des Klagevertreters beschäftigte Sekretärin Irmgard M***** am 21. Juli 1995 in der zuständigen Konkursabteilung des Erstgerichtes an und fragte nach, ob bezüglich der Transporte R***** GmbH ein Beschluß über die Abweisung eines Konkursantrages ergangen sei. Die Gerichtsbedienstete teilte ihr mit, daß kein derartiger Beschluß ergangen sei. Daraufhin beantragte der Kläger beim Erstgericht die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Transporte R***** GmbH und führte zur Bescheinigung der Zahlungsunfähigkeit und der Gläubigermehrheit mehrere Exekutionsakten an. Aufgrund dieses Antrages erhob das Gericht von Amts wegen, ob die Schuldnerin Eigentümerin von Liegenschaften sei sowie, wieviele Exekutionsverfahren gegen sie anhängig seien und ob in diesen Verfahren Pfanddeckung gegeben sei. Sodann wurde er Kläger zu Handen des Klagevertreters aufgefordert, binnen 14 Tagen bekanntzugeben, ob der Konkursantrag im Hinblick auf das Ergebnis dieser Erhebungen aufrechterhalten werde oder das Vorliegen eines verwertbaren Vermögens zu bescheinigen. Der Klagevertreter teilte namens des Klägers mit, daß ein verwertbares Vermögen nicht bescheinigt werden könne.

Mit Beschluß vom 15.September 1995 wies sodann das Erstgericht den Antrag des Klägers auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der R***** Transporte GmbH mangels "Nachweises" verwertbaren Vermögens ab. In der Begründung führte es aus, daß die von der antragstellenden Partei beantragten und von Amts wegen durchgeführten Erhebungen den Mangel jeglichen verwertbaren Vermögens ergeben hätten. Dem Ersuchen, Bescheinigungsmittel für das Vorhandensein verwertbaren Vermögens bekanntzugeben, sei der Antragsteller nicht nachgekommen. Dieser Beschluß wurde nicht veröffentlicht. Bereits zuvor hat ein anderer Arbeitnehmer der Transporte R***** GmbH beim Erstgericht den Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen seiner Arbeitgeberin gestellt. Dieser Antrag war mit dem eine gleichlautende Begründung aufweisenden, gleichfalls nicht veröffentlichten Beschluß vom 29.Juli 1994 "mangels Nachweises verwertbaren Vermögens" abgewiesen worden.

Der Kläger beantragte die Gewährung von insgesamt 30.729,29 S an Insolvenzausfallgeld.

Mit Bescheid vom 29.Jänner 1996 wies die beklagte Partei lediglich das Begehren auf Ersatz der dem Kläger im Verfahren über seinen Konkursantrag erwachsenen Kosten von 926,80 S ab, während sie für die übrigen Ansprüche Insolvenzausfallgeld zuerkannte.

Das Erstgericht wies das auf Zuerkennung dieses Betrages gerichtete Klagebegehren ab. Es wäre dem Klagevertreter ein Leichtes gewesen, sich vor Antragstellung auf Konkurseröffnung bei der Konkursabteilung des Erstgerichtes durch eine Kommission zu vergewissern, ob bereits Beschlüsse über die Abweisung von Konkursanträgen vorgelegen seien. Eine derartige Kommission wäre kostengünstiger, rationeller und zeitsparender gewesen als die neuerliche Antragstellung. Der Zuspruch von Kosten einer Kommission von 660,48 S könne mangels eines dem Inhaltserfordernis des § 6 Abs 2 IESG entsprechenden diesbezüglichen Antrages nicht erfolgen.

Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes und sprach aus, daß die Revision zulässig sei. Dem Berufungswerber sei zwar zuzugeben, daß auch bei einer Kommission bei Gericht keine andere Auskunft erteilt worden wäre als bei der telefonischen Anfrage; dies führe aber noch nicht zur Klagestattgebung, da es sich bei den Beschlüssen des Konkursgerichtes, mit denen über die Konkursanträge gegen die ehemalige Arbeitgeberin des Klägers entschieden worden sei, nicht um Beschlüsse im Sinne des § 1 Abs 1 Z 3 IESG handle. In beiden Fällen seien die Anträge "mangels Nachweises" verwertbaren Vermögens und damit aus formellen Gründen abgewiesen worden. Es bestehe ein erheblicher Unterschied, ob bei der Entscheidung vom Fehlen hinreichenden Vermögens oder lediglich davon ausgegangen werde, daß derartiges nicht nachgewiesen oder bescheinigt sei. Daß auch das Konkursgericht seine Entscheidung nicht als Abweisung des Konkursantrages mangels hinreichenden Vermögens im Sinne des § 72 KO angesehen habe, ergebe sich daraus, daß es in beiden Fällen davon Abstand genommen habe, den Beschluß gemäß § 72 Abs 3 KO öffentlich bekanntzugeben. Da ein Beschluß im Sinne des 3 1 Abs 1 Z 3 IESG nicht vorliege, sei eine Grundvoraussetzung für die Gewährung von Insolvenzausfallgeld nicht erfüllt.

Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Revisionsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Sinne des § 46 Abs 1 ASGG zulässig, weil der Frage, ob die beiden Beschlüsse des Konkursgerichtes als solche im Sinne des § 1 Abs 1 Z 3 IESG anzusehen sind, eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt und darüber eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes noch nicht besteht.

Die Revision ist auch berechtigt.

Der Ansicht des Berufungsgerichtes, das Konkursgericht habe die hinsichtlich der Arbeitgeberin des Klägers gestellten Anträge auf Konkurseröffnung nur aus formellen Gründen abgewiesen, kann nicht gefolgt werden. Da Spruch und Gründe einer gerichtlichen Entscheidung notwendigerweise eine Einheit bilden, sind die Entscheidungsgründe nach ständiger Rechtsprechung für die Tragweite des Spruches von erheblicher Bedeutung. Wie oben dargestellt, hat das Konkursgericht die Konkurseröffnungsanträge spruchmäßig zwar "mangels Nachweises eines verwertbaren Vermögens" abgewiesen, in seinen Entscheidungsbegründungen jedoch jeweils auch ausgeführt, die amtswegigen Erhebungen hätten den Mangel jeglichen verwertbaren Vermögens ergeben. Damit hat es aber ausdrücklich auch den Mangel eines hinreichenden Vermögens zugrundegelegt, weshalb diese in Rechtskraft erwachsenen Beschlüsse als solche im Sinn des § 1 Abs 1 Z 3 IESG (Ablehnung des Antrages auf Konkurseröffnung mangels hinreichenden Vermögens) zu qualifizieren sind (siehe auch Liebeg, Insolvenzentgeltsicherungsgesetz, 69; 8 ObS 2247/96s).

Formelle Voraussetzung für den Anspruch auf Insolvenzausfallgeld und damit auch für die diesbezügliche Antragstellung des Klägers war gemäß § 1 Abs 1 IESG die Eröffnung des Konkursverfahrens über den Arbeitgeber, wobei einer solchen gemäß Z 3 leg cit die Ablehnung eines Antrages auf Eröffnung des Konkurses mangels hinreichenden Vermögens gleichsteht. Der Kläger hatte hier daher mangels erfolgter Eröffnung eines Konkursverfahrens die letztgenannte Voraussetzung darzutun, sollte sein Antrag nicht von vorneherein mangels Erfüllung dieser Anspruchsvoraussetzungen abgelehnt werden. Er mußte sich demnach auf einen bereits ergangenen konkreten konkursgerichtlichen Ablehnungsbeschluß berufen und in dessen Ermangelung einen solchen selbst erwirken, wollte er dieses sein Recht auf Insolvenzausfallgeld erfolgreich verfolgen. Eine Berufung auf einen derartigen Beschluß setzte aber dessen Kenntnis und diese wiederum die objektive Möglichkeit der Kenntnisnahme hievon voraus. Eine solche Kenntnis vermag ein Anspruchswerber zufolge der gemäß § 72 Abs 3 KO für derartige Beschlüsse vorgeschriebenen öffentlichen Bekanntmachung (§ 79 Ab 1 KO) zu erwerben.

Im vorliegenden Fall wurde bereits der Beschluß des Konkursgerichtes vom 29.Juli 1994 nicht öffentlich bekannt gemacht. Der Kläger konnte daher von dieser Ablehnung des Konkursantrages gegen seine Arbeitgeberin höchstens durch eine Anfrage beim Konkursgericht Kenntnis erlangen. Dies hat sein Vertreter auch versucht, doch wurde von der zuständigen Gerichtsbeamtin irrtümlich eine negative Auskunft erteilt.

Unter diesen Umständen war der Kläger somit zwecks Erfüllung der formellen Anspruchsvoraussetzungen nach § 1 Abs 1 IESG jedenfalls gezwungen, selbst einen Antrag auf Konkurseröffnung einzubringen, denn anders konnte er seinen Anspruch und damit sein Recht nicht mit Aussicht auf Erfolg verfolgen. Die Kosten dieses Antrages waren demgemäß aber zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung jedenfalls notwendig. Weil sich das Berufungsgericht zur Begründung seiner auch insoweit gegenteiligen Rechtsansicht auf die Entscheidung des erkennenden Senates 8 ObS 13/94 beruft, ist ihm zu erwidern, daß auch in dieser Entscheidung die objektive Möglichkeit der Kenntnisnahme von dem einen Konkurseröffnungsantrag bereits früher abweisenden Beschluß vorausgesetzt wurde; der Antragsteller hat in jenem Fall weder behauptet noch bewiesen, daß er vor seiner eigenen Antragstellung auch objektiv nicht die Möglichkeit gehabt habe, sich von dem bereits vorliegenden gerichtlichen Beschluß auf Ablehnung des Konkurseröffnungsantrages mangels hinreichenden Vermögens Kenntnis zu verschaffen und sich diesen Beschluß somit im Sinne der §§ 1 Abs 1 Z 3, 6 Abs 1 IESG zunutze zu machen.

Da es sich bei den eingeklagten Kosten daher im Sinne der ausdrücklichen Anordnung des § 1 Abs 2 Z 4 lit f IESG um "die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Kosten" und damit um gesicherte Ansprüche handelt, war der Revision Folge zu geben und waren die Urteile der Vorinstanzen im Sinne der Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit a ASGG.

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