OGH 12Os150/96 (12Os151/96)

OGH12Os150/96 (12Os151/96)21.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. November 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut, Dr. Schindler, Dr. E.Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Stitz als Schriftführer, in der Strafsache gegen Mario P***** wegen des Vergehens der öffentlichen unzüchtigen Handlungen nach § 218 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 9. April 1996, GZ 4 U 706/92-9, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluß des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 9.April 1996, GZ 4 U 706/92-9, auf Feststellung der endgültigen Strafnachsicht verletzt das Gesetz in dem sich aus dem XX.Hauptstück der Strafprozeßordnung abzuleitenden Grundsatz der materiellen Rechtskraft.

Dieser Beschluß wird aufgehoben und der ihm zugrunde liegende Antrag des Bezirksanwaltes zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit dem in gekürzter Form (§ 458 Abs 3 StPO) ausgefertigten Urteil des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 17.Februar 1993, GZ 4 U 706/92-4, wurde der am 22.April 1972 geborene Mario P***** wegen des Vergehens der öffentlichen unzüchtigen Handlungen nach § 218 StGB zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Geldstrafe verurteilt. Wegen des (innerhalb der vorerwähnten Probezeit begangenen) Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten geschlechtlichen Nötigung nach §§ 202 Abs 1 und 15 StGB verhängte das Landesgericht Leoben mit Urteil vom 12. Jänner 1996, GZ 11 Vr 1.134/95-6, über Mario P***** eine sechsmonatige Freiheitsstrafe, deren Vollzug für eine Dauer von zwei Jahren gemäß § 43 Abs 1 StGB bedingt nachgesehen wurde. Gleichzeitig erging der (ebenfalls in Rechtskraft erwachsene) Beschluß, wonach gemäß § 494 a Abs 1 Z 4 StPO die im vorerwähnten Verfahren gewährte bedingte Strafnachsicht widerrufen wird (S 81).

Dem Akt 11 Ns 2/96 des Landesgerichtes Leoben ist zu entnehmen, daß der Vorsitzende des Schöffengerichtes am 17.Jänner 1996 die Verständigung des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom Widerrufsbeschluß verfügt hat. Der Zeitpunkt ihres Einlangens bei diesem Bezirksgericht ist aber mangels Eingangsvermerkes nicht feststellbar. Im Akt 4 U 706/92 des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur erliegt aber eine am 29.März 1996 dort eingelangte Strafregisterauskunft bezüglich des Verurteilten (ON 10), aus der der Widerruf der gewährten bedingten Strafnachsicht hervorgeht. Ungeachtet der aktenkundigen Widerrufsentscheidung sprach das Bezirksgericht Bruck an der Mur mit Beschluß vom 9.April 1996 aus, daß die dem Mario P***** gewährte bedingte Strafnachsicht endgültig geworden sei (ON 9).

Rechtliche Beurteilung

Dieser Beschluß des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur steht - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend aufzeigt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Der im Verfahren AZ 11 Vr 1.134/95 des Landesgerichtes Leoben gefaßte und in Rechtskraft erwachsene Widerrufsbeschluß vom 12.Jänner 1996 entfaltete ab seiner Verkündung eine Bindungswirkung, derzufolge kein Gericht ohne vorangegangene Aufhebung des Beschlusses berechtigt gewesen ist, über den Entscheidungsgegenstand neuerlich abzusprechen. Das Bezirksgericht Bruck an der Mur hat daher durch seine Beschlußfassung vom 9.April 1996 seine Entscheidungskompetenz rechtswidrig in Anspruch genommen.

Dieser Beschluß konnte weder den schon vorher wirksam (und rechtskräftig) beschlossenen Widerruf der bedingten Strafnachsicht beseitigen, noch sonst für Mario P***** irgendwelche rechtserheblichen Wirkungen nach sich ziehen.

Der Beschluß des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 9.April 1996 war daher zu kassieren und der ihm zugrunde liegende Antrag des Bezirksanwaltes zurückzuweisen.

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