OGH 13Os158/96

OGH13Os158/9620.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 20.November 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Heißenberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Johann K***** und Erich L***** wegen des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 Z 3 SGG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 13.Juni 1996, GZ 6 b Vr 14024/95-91, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Schroll, und der Verteidiger Dr.Kresbach und Dr.Bernhauser, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Den Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagten wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen (B und C) wegen des Finanzvergehens des gewerbsmäßig begangenen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG und in den darauf gegründeten Strafaussprüchen nach dem FinStrG aufgehoben.

Im übrigen werden die Nichtigkeitsbeschwerden verworfen.

Den Berufungen wird dahin Folge gegeben, daß die Freiheitsstrafe nach dem SGG bei

Johann K***** auf 4 (vier) Jahre und 9 (neun) Monate

und die Zusatzfreiheitsstrafe bei

Erich L***** auf 14 (vierzehn) Monate

herabgesetzt werden.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden Johann K***** und Erich L***** jeweils des Verbrechens nach § 12 Abs 1, Abs 2 und Abs 3 Z 3 SGG sowie des Finanzvergehens nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG, Erich L***** und Johann K***** überdies noch des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG schuldig erkannt, weil

A. Johann K***** und Erich L***** im bewußten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter zwischen Frühjahr 1995 und Mitte November 1995 in Wien und anderen Orten den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einem das 25-fache der in § 12 Abs 1 SGG angeführten Menge übersteigenden Ausmaß, und zwar

in zumindest vier Schmuggelfahrten ca 40 kg Haschisch, ca 400 g Kokain sowie 106 g Extasy-Tabletten (45 g MDMA Reinheitsgehalt) aus den Niederlanden ausführten und nach Österreich einführten sowie

zumindest 34,5 kg Haschisch, 300 g Kokain und 40 g Heroin durch Verkauf in Verkehr setzten;

B. Johann K***** durch die zu A. angeführten Suchtgifteinfuhren gewerbsmäßig eingangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich dem Zollverfahren entzog, wobei es ihm darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen;

C. Erich L***** zu der unter B. angeführten Tat des Johann K***** gewerbsmäßig dadurch beitrug, daß er Geld für den Ankauf von Suchtgift in den Niederlanden zur Verfügung stellte, wobei er wußte, daß das Suchtgift vorsätzlich dem Zollverfahren entzogen würde und es ihm überdies darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen:

D. Johann K***** zwischen Sommer 1994 und 18.November 1995 in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider wiederholt Haschisch und Kokain erwarb und besaß.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richten sich die auf die Z 5, 5 a und 9 lit a (Johann K*****) bzw 9 lit a und 11 (Erich L*****) des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten. Ihnen kommt teilweise Berechtigung zu.

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Erstangeklagten:

Nach dem Beschwerdeantrag ("... das angefochtene Urteil aufheben ...") wird das Urteil zur Gänze angefochten. Die Nichtigkeitsbeschwerde enthält indes nur Ausführungen zu den Fakten A. und B., nicht aber zum Faktum D.

In Ansehung des letzteren versagt die Nichtigkeitsbeschwerde, weil sie keine deutliche und bestimmte Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen enthält (§§ 285 Abs 1, 285 a Z 2 StPO).

Die Mängelrüge (Z 5) behauptet das Fehlen jeglicher Begründung für die Feststellung, daß eine im Sinn des § 12 Abs 3 Z 3 SGG übergroße Menge Suchtgift eingeführt und in Verkehr gesetzt wurde. Dem ist entgegenzuhalten, daß die in der Wohnung der Manuela M***** (und des Erstangeklagten) sichergestellten Haschischmengen (PZ 28 aus StBlNr. S 6694/95 = ON 25 iVm ON 20) vom Institut für gerichtliche Medizin der Universität Wien auf ihren THC(Tetrahydrocannabinol)-Gehalt untersucht wurden. Dabei wurden Konzentrationen zwischen 4,9 % und 14,4 % ermittelt (AS 307/I). Aus dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 13. Juni 1996 (S 258/II: "... werden die ... notwendigen Verlesungen ... vorgenommen") in Verbindung mit den Entscheidungsgründen im Urteil (US 6) ergibt sich, daß dieses den THC-Gehalt betreffende Gutachten (einverständlich) verlesen wurde. Gestützt darauf (US 6) stellte der Schöffensenat fest, daß der Erstangeklagte ein als Übermenge zu qualifizierendes Suchtgiftquantum (nach den weiteren Urteilsannahmen überdies mit einem den Additionseffekt umfassenden Vorsatz - vgl US 14 f) einführte und in Verkehr setzte. Einer weiteren Feststellung zum THC-Gehalt der vom Erstangeklagten eingeführten und in Verkehr gesetzten Haschischmenge bedurfte es angesichts der inkriminierten Gesamtmenge (40 kg bei der Einfuhr und zumindest 34,5 kg beim In-Verkehr-Setzen) nicht, ergäbe sich doch selbst bei Außerachtlassung der nach dem Gutachten ermittelten niedrigsten THC-Konzentration von lediglich 4,9 % und einem theoretischen THC-Gehalt des vom Schuldspruch erfaßten Haschischs von 2 % (vgl Mayerhofer/Rieder Nebenstrafrecht3 § 12 SGG E 9) bei den vom Schuldspruch A. erfaßten Suchtgiftmengen ein deutliches Überschreiten der Übermenge des § 12 Abs 3 Z 3 SGG.

Die Tatsachenrüge (Z 5 a) sucht nach Art einer Schuldberufung die Glaubwürdigkeit des geständigen und den Beschwerdeführer belastenden Zweitangeklagten Erich L***** in Zweifel zu ziehen. Die behaupteten Widersprüche in der Aussage des Zweitangeklagten betreffend die Benutzung des konkret zum Schmuggel verwendeten Fahrzeugs sowie die Begleitung durch Manuela M***** beziehen sich auf keine entscheidungswesentlichen Umstände, sodaß sie keiner weiteren Erörterungen bedurften. Im übrigen haben sich die Tatrichter mit der Verläßlichkeit der Angaben des Zweitangeklagten im Vergleich zur leugnenden Einlassung des Erstangeklagten eingehend auseinandergesetzt (US 13 f). Sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrundegelegten entscheidenden Tatsachen werden jedenfalls nicht aufgezeigt.

Den Rechtsrügen der beiden Angeklagten (Z 9 lit a), wonach die ihnen im Urteil zur Last gelegten Finanzvergehen deswegen nicht vorliegen, weil nach dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union die Einfuhr von Waren aus den Niederlanden nach Österreich kein Zollverfahren oder sonst eine zollamtliche Überwachung auslöst, ist hingegen beizupflichten.

Österreich wurde mit dem Wirksamwerden des Beitritts zur Europäischen Union am 1.Jänner 1995 Mitglied der von der Gemeinschaft bereits gebildeten Zollunion (Art 9 EGV), innerhalb der Einfuhrzölle und Abgaben gleicher Wirkung abgeschafft sind (Art 13 EGV iVm Art 8 EGV). Durch die Verbringung der Waren innerhalb der Zollunion ist somit keine Zollschuld entstanden.

Abgesehen davon kann selbst durch eine seit 1.Jänner 1995 vorgenommene Einfuhr (aus Drittstaaten) von Suchtstoffen nach Österreich, sofern diese nicht (ausnahmsweise legal) in den Wirtschaftskreislauf eingehen, kein Schmuggel mehr begangen werden (EvBl 1996/142; Fellner, FinStrG5 § 35 RN 42). Das Erstgericht hat damit zu Unrecht (und inkonsequent = s. SSt 52/27) das Verhalten beider Angeklagter auch als Schmuggel nach § 35 Abs 1 FinStrG gewertet. Diese Schuldsprüche (B. und C.) und damit auch die Strafaussprüche nach dem FinStrG waren ersatzlos - ohne förmlichen Freispruch nach § 259 Z 3 StPO - aufzuheben (Dorazil-Harbich, FinStrG, § 214 Anm 3 und E 4; Mayerhofer-Rieder StPO3, § 259 E 61; EvBl 1976/229 = RZ 1976/89 (verst. Senat); jedoch bei anderer Verfahrenslage: zu EvBl 1996/142).

Die Strafbemessungsrüge (Z 11) des Zweitangeklagten bekämpft die über ihn nach § 13 Abs 2 SGG verhängte Wertersatzstrafe, weil er aus den ihm zur Last gelegten Straftaten keinen Erlös im Sinne eines Gewinns erzielt habe.

Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Rechtsmeinung ist die anstelle des Verfalls des Erlöses tretende Wertersatzstrafe nicht am Gewinn des Täters aus den Suchtgiftgeschäften zu messen, sondern am Wert des einziehungsbedroht gewesenen Suchtgiftes oder des Erlöses; sie ist auch gegen Tatbeteiligte auszusprechen, die durch die Einziehung gar nicht in ihrem Vermögen getroffen worden wären (SSt 52/8 - verst. Senat). Vorliegend berechnete aber das Erstgericht rechtsirrig die Wertersatzstrafe zugunsten des Zweitangeklagten niedriger als nach § 13 Abs 2 SGG gefordert. Hätte es doch den vom Erstangeklagten erzielten Verkaufspreis des in Verkehr gesetzten Suchtgifts zugrundelegen müssen und nicht den vom Beschwerdeführer für den Suchtgiftankauf zur Verfügung gestellten Betrag. Selbst unter gebotener Berücksichtigung des beschlagnahmten Suchtgiftes von 200 g Marihuana, knapp 4 kg Haschisch und 106 g Extasy-Tabletten (US 10) sowie des sichergestellten und für verfallen erklärten Suchtgifterlöses von 145.520 S (US 11), wirkte sich diese unrichtige Wertersatzberechnung nur zum Vorteil des Beschwerdeführers aus.

Demgemäß war den Nichtigkeitsbeschwerden der beiden Angeklagten teilweise Folge zu geben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt zu bleiben hatte, in den Schuldsprüchen B. und C. und in den darauf gegründeten Strafaussprüchen nach dem FinStrG aufzuheben.

Im übrigen waren die Nichtigkeitsbeschwerden zu verwerfen.

Das Schöffengericht wertete bei Johann K***** als erschwerend dessen schwer getrübtes Vorleben und die (auch im Rahmen des § 12 Abs 3 Z 3 SGG) große Suchtgiftmenge und als mildernd die teilweise Sicherstellung des Suchtgiftes; bei Erich L***** wurde kein weiterer Umstand als erschwerend, als mildernd hingegen sein Geständnis, das wesentlich zur Wahrheitsfindung beitrug, berücksichtigt. Auch das jeweilige Zusammentreffen der Suchtgiftdelikte mit Finanzvergehen wurde jeweils als erschwerend gewertet.

Über die Angeklagten wurden Freiheitsstrafen nach § 12 Abs 3 SGG verhängt, und zwar über K***** unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB fünf Jahre, über Erich L***** 17 Monate, diese gemäß §§ 31, 40 StGB unter Bedachtnahme auf Urteile der Landesgerichte Klagenfurt und für Strafsachen Wien (mit welchen er zu 21 Monaten bzw 10 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden war). Weiters wurde Erich L***** gemäß § 13 Abs 2 SGG zu einer Geldstrafe in der Höhe von 450.000 S, für den Fall der Uneinbringlichkeit zu drei Monaten Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt.

Gegen diese Strafaussprüche richten sich die Berufungen der Angeklagten mit dem Begehren auf Herabsetzung der Freiheitsstrafe (Johann K*****) bzw auch der Geld- und deren Ersatzfreiheitsstrafe (Erich L*****).

Den Berufungen kommt insoweit Berechtigung zu, als bei beiden Angeklagten der Erschwerungsgrund des Zusammentreffens des Suchtgiftdeliktes mit einem Finanzvergehen wegfällt. Demgemäß waren die Freiheitsstrafen - moderat - herabzusetzen. Im übrigen überzeugen die Berufungen nicht.

Das von Johann K***** nur im geringen Umfang abgelegte Geständnis fällt nicht ins Gewicht; daß er zur Wahrheitsfindung wesentlich beigetragen hätte und andere Täter (unter anderem Johann S*****) auf Grund seiner Aussage verurteilt worden wären, trifft nicht zu.

Das Geständnis des Erich L***** wiederum ist ohnedies ausreichend mildernd gewertet worden, ein (gänzlich) ordentlicher Wandel liegt bei ihm nicht vor; von einer geringen Tatbeteiligung kann keine Rede sein kann, weil nur durch sein bereitgestelltes Geld das Suchtgiftverbrechen ermöglicht wurden. Daß es ihm keinen Gewinn (sondern durch die ohnehin als mildernd gewertete Sicherstellung letztlich einen Verlust) gebracht hat, kann wohl nicht ernstlich für eine Strafreduktion ins Treffen geführt werden.

Schließlich liegt auch kein Grund vor, die ohnedies zu seinen Vorteil niedrig bemessene Geldstrafe (siehe oben) bzw deren Ersatzfreiheitsstrafe zu mildern oder gar nachzusehen.

Der Vollständigkeit wegen sei bemerkt: Bei der Strafbemessung wertete (wie erwähnt) das Schöffengericht (von Anfang an rechtsirrig; s. FinStrG Dorazil-Harbich § 23 E 11 a) als erschwerend beim Erstangeklagten das Zusammentreffen eines Verbrechens mit zwei (darunter auch einem Finanz-)Vergehen und beim Zweitangeklagten das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Finanzvergehen. Dieser (an sich Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z 11 StPO begründende) Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot wurde aber bereits durch die Ausschaltung der Schuld- und Strafsprüche wegen der Finanzvergehen und in Erledigung der diesbezüglich erfolgreich erhobenen Berufungen beseitigt (vgl auch § 290 Abs 1 StPO letzter Satz), sodaß sich ein zusätzliches (ansonsten notwendig gewesenes) Vorgehen nach § 290 Abs 1 StPO hier erübrigt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a StPO.

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