Spruch:
Die Urteile des Bezirksgerichtes St.Veit a.d.Glan vom 10.April 1995, GZ 2 U 1/95-7, und vom 19.Juli 1995, GZ 5 U 177/95-4, verletzen § 5 Z 5 JGG, das zweitbezeichnete Urteil auch § 31 StGB, § 15 Abs 1 JGG und Art 4 Abs 1 des 7.Zusatzprotokolles zur Menschenrechtskonvention, BGBl 1988/628.
Die Urteile, die im übrigen unberührt bleiben, werden in ihren Strafaussprüchen, das Urteil vom 19.Juli 1995 auch im neuerlichen Strafausspruch zu 2 U 4/94-10 des Bezirksgerichtes St.Veit a.d.Glan, aufgehoben und die Sachen im Umfang dieser Aufhebung zur neuerlichen Entscheidung an das Bezirksgericht St.Veit a.d.Glan verwiesen.
Text
Gründe:
Der am 19.Juni 1976 geborene Alois K***** wurde mit (rechtskräftigem) Urteil des Bezirksgerichtes St.Veit a.d.Glan vom 30.Mai 1994, GZ 2 U 4/94-10, des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG (Tatzeit Juni 1992 bis Mitte Jänner 1994) schuldig erkannt. Gemäß § 13 Abs 1 JGG wurde der Ausspruch der wegen seiner Jugendstraftat (§ 1 Z 3 JGG) zu verhängenden Strafe für eine Probezeit von drei Jahren vorbehalten.
In der Folge wurde K***** mit (gemäß § 458 Abs 3 StPO ausgefertigtem) Urteil desselben Gerichtes vom 10.April 1995, GZ 2 U 1/95-7, neuerlich des Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG (Tatzeit Jänner bis Oktober 1994) schuldig erkannt und unter Einbeziehung des Verfahrens mit gleichzeitigem nachträglichen Strafausspruch zu 2 U 4/94 dieses Gerichtes (§§ 15, 16 JGG) ohne Anwendung von § 5 JGG zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt.
Schließlich wurde er mit (wiederum gemäß § 458 Abs 3 StPO ausgefertigtem) Urteil dieses Bezirksgerichtes vom 19.Juli 1995, GZ 5 U 177/95-4, bereits nach Vollendung des 19.Lebensjahres wieder des (als Jugendstraftat begangenen) Vergehens nach § 16 Abs 1 SGG (Tatzeit September bis Dezember 1994; aus der Aktenlage ist zur teilweisen Überschneidung mit jener des Verfahrens 2 U 1/95 im Hinblick auf das Zusammenwirken mit jeweils anderen Personen keine partielle Tatidentität indiziert) schuldig erkannt. Über ihn wurde (trotz rechtzeitig erfolgter Verständigung zu 2 U 4/94 von dem bereits im Verfahren 2 U 1/95 ergangenen nachträglichen Strafausspruch; vgl Abfertigungsvermerk vom 19.April 1994, ON 8 in 2 U 1/95, ON 15 in 2 U 4/94) unter abermaligem gleichzeitigen nachträglichen Strafausspruch zu 2 U 4/94 (der Sache nach offenbar nach § 16 Abs 1 SGG) ohne Anwendung des § 5 Z 5 JGG eine Geldstrafe von 60 Tagessätzen verhängt. Eine Verständigung von diesem (verfehlten zweiten) nachträglichen Strafausspruch erfolgte nicht.
Rechtliche Beurteilung
Die Urteile des Bezirksgerichtes St.Veit a.d.Glan vom 10.April 1995, GZ 2 U 1/95-7, und vom 19.Juli 1995, GZ 5 U 177/95-4, stehen, wie der Generalprokurator in seiner gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zu Recht geltend macht, mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Die diesen beiden Urteilen zugrundeliegenden strafbaren Handlungen waren Jugendstraftaten gemäß § 1 Z 3 JGG. In beiden Urteilen wäre somit jeweils die Strafe unter Bedachtnahme auf § 5 Z 5 JGG festzusetzen gewesen. Die Nichtanwendung dieser Bestimmung hat sich in beiden Fällen zum Nachteil des Alois K***** ausgewirkt, weil die gerichtliche Strafbefugnis überschritten wurde. Nach herrschender Auffassung stellt jede Strafbemessung, der ein unrichtiger Strafrahmen zugrunde liegt, auch dann eine Überschreitung der Strafbefugnis des Gerichtes dar, wenn die verhängte Strafe innerhalb jenes Strafrahmens liegt, welcher richtigerweise anzuwenden gewesen wäre (14 Os 12/92; Foregger-Kodek, StPO6 Erl V zu § 281 Abs 1 Z 11).
Das Urteil des Bezirksgerichtes St.Veit a.d.Glan vom 19.Juli 1995, GZ 5 U 177/95-4, verletzt das Gesetz aber darüber hinaus noch in mehrfacher Weise.
Gemäß § 31 StGB ist über einen Täter, der bereits zu einer Strafe verurteilt worden ist und in der Folge wegen weiterer Straftaten schuldig erkannt wird, die nach der Zeit ihrer Begehung schon im früher Strafverfahren hätten abgeurteilt werden können, eine Zusatzstrafe zu verhängen, soweit nicht gemäß § 40 StGB von einer solchen abgesehen werden kann. Das Bezirksgericht St.Veit a.d.Glan hätte daher in seinem Urteil vom 19.Juli 1995 (GZ 5 U 177/95-4) auf jenes vom 10.April 1995 (GZ 2 U 1/95-7) Bedacht zu nehmen gehabt, weil der Zeitpunkt der abgeurteilten Taten (September bis Dezember 1994) vor der Fällung des letztgenannten Urteiles lag.
Das Urteil vom 19.Juli 1995 verletzt darüber hinaus auch § 15 Abs 1 JGG, soweit damit zu dem im Strafverfahren 2 U 4/94 ergangenen Schuldspruch die Strafe nochmals nachträglich ausgesprochen wurde, war doch im Zeitpunkt dieses Urteils der gesetzlich nur einmal zulässige nachträgliche Strafausspruch rechtskräftig bereits ergangen. Zum anderen steht es damit auch nicht im Einklang mit Art 4 Abs 1 des 7.Zusatzprotokolles zur Menschenrechtskonvention, BGBl 1988/628, wonach niemand, der wegen einer strafbaren Handlung bereits rechtskräftig verurteilt worden ist, in einem Strafverfahren desselben Staates erneut bestraft werden darf.
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