OGH 14Os135/96

OGH14Os135/9612.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. November 1996 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer, Dr. Ebner, Dr. E.Adamovic und Dr. Holzweber als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pösinger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Rudolf K***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 und § 15 StGB, teilweise als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB, sowie weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Rudolf K***** sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 8. Juli 1996, GZ 11 a Vr 4.650/96-49, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Wasserbauer und der Verteidigerin Dr. Kaufmann, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Beiden Nichtigkeitsbeschwerden wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch laut Punkt B des Urteilssatzes und demgemäß auch in dem den Angeklagten Rudolf K***** betreffenden Strafausspruch (mit Ausnahme der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Rudolf K***** wird von der Anklage, er habe am 24. August 1995 versucht, dem Roman H***** eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), und zwar einen Bruch des linken Armes, absichtlich zuzufügen, indem er ihm mit einem Baseballschläger gegen den linken Arm schlug, was jedoch lediglich eine Prellung des Ellbogens zur Folge hatte, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Für die ihm nach den unberührt gebliebenen Teilen des Schuldspruchs zur Last fallenden strafbaren Handlungen, nämlich die Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (A) und des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 und § 15 StGB, teilweise als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (D/I und E), sowie die Vergehen der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB (F/I) und nach § 36 Abs 1 Z 1 und 5 WaffG (H/I und IV) wird der Angeklagte nach §§ 28 Abs 1, 147 Abs 3 StGB zu 3 1/2 (dreieinhalb) Jahren Freiheitsstrafe verurteilt.

Mit seiner Berufung gegen den Strafausspruch wird der Angeklagte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Seine Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld wird zurückgewiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Rudolf K***** des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (A), des Vergehens der versuchten schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB (B), des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs 3 und § 15 StGB, teilweise als Beteiligter nach § 12 dritter Fall StGB (D/I und E), sowie der Vergehen der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB (F/I) und nach § 36 Abs 1 Z 1 und Z 5 WaffG (H/I/1 und IV) schuldig erkannt.

Nur den Schuldspruch wegen des Vergehens der versuchten schweren Körperverletzung (B) bekämpfen der Angeklagte und - zu seinen Gunsten - auch die Staatsanwaltschaft mit inhaltlich übereinstimmenden, auf die Nichtigkeitsgründe der Z 9 lit a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden, die berechtigt sind.

Rechtliche Beurteilung

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat Rudolf K***** am 24. August 1995 in der Nähe von Wr.Neustadt versucht, dem Roman H***** eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB), nämlich einen Bruch des linken Unterarmes zuzufügen, indem er dem Genannten mit einem Baseballschläger gegen den linken Unterarm schlug, was jedoch lediglich eine Prellung des Ellbogens zur Folge hatte.

Zu dieser Tat war der Angeklagte nach den weiteren Urteilsfeststellungen vom Verletzten Roman H***** selbst aufgefordert worden, weil dieser damit bei seiner Freundin Mitleid erregen wollte. Der daraufhin vom Angeklagten geführte Schlag hatte allerdings nur eine Prellung des Ellbogens, sohin eine leichte Verletzung, zur Folge, doch hatte er es dabei ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden (§ 5 Abs 1 zweiter Halbsatz StGB), daß Roman H***** dadurch auch eine an sich schwere Verletzung erleiden könnte (US 16/17).

Durchaus im Bewußtsein der damit aktualisierten dogmatischen Streitfrage beurteilte das Erstgericht die Tat als Vergehen der versuchten schweren Körperverletzung nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB.

Diese Rechtsfrage, ob nämlich der Täter wegen Versuchs einer schweren Körperverletzung strafbar sein kann, wenn der von seinem bedingten Vorsatz umfaßte schwere Verletzungserfolg nicht eintritt, ist in der Lehre mehr denn je umstritten (für die Strafbarkeit:

Leukauf/Steininger Komm3 § 84 RN 10 ff, 37; Kienapfel BT I3 § 84 RN 4 ff, 23 f; Triffterer AT2 Kap 15 Rz 97; E.Steininger in Triffterer StGB-Komm § 7 Rz 48; Fuchs AT I, 233; so schon Laich ÖJZ 1979, 614; tendenziell auch Hager/Massauer in WK § 15 Rz 19. Dagegen:

Burgstaller in WK § 84 Rz 39 und § 7 Rz 27; Foregger/Serini StGB5 Anm V zu § 84; Mayerhofer/Rieder StGB4 E 41, 42 zu § 84; Schmoller JBl 1984, 657; Bertel/Schwaighofer BT I4 § 84 Rz 7).

Der Oberste Gerichtshof verneint eine solche Versuchsmöglichkeit in ständiger Rechtsprechung (SSt 47/84, SSt 57/10; EvBl 1987/141 uva) und sieht keinen Anlaß davon abzugehen.

Demnach sind beide Beschwerden zunächst mit ihren Subsumtionsrügen (Z 10) im Recht, daß in der Annahme eines Versuchs nach §§ 15, 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB die der Entscheidung zugrunde liegende Tat durch unrichtige Gesetzesauslegung einem Strafgesetz unterzogen wurde, das darauf nicht anzuwenden ist.

Berechtigt ist aber auch der weitere Einwand (Z 9 lit b), daß in der Einwilligung des Verletzten (§ 90 Abs 1 StGB) nach Lage des Falles ein Umstand vorhanden sei, durch den die Strafbarkeit der - lediglich nach § 83 Abs 1 StGB zu beurteilenden - Tat aufgehoben ist. Denn die festgestellte Prellung des Ellbogens des in diese einwilligenden Roman H***** verstößt als solche nicht gegen die guten Sitten.

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerden war der angefochtene Schuldspruch (Punkt B) demnach aufzuheben und Rudolf K***** vom bezüglichen Anklagepunkt freizusprechen (§§ 259 Z 3, 288 Abs 2 Z 3 StPO).

Bei der damit notwendig gewordenen Strafneubemessung wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die Begehung von mehreren strafbaren Handlungen derselben und verschiedener Art, die einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten und die Begehung der Tat (zu A) aus besonders verwerflichen Beweggründen, als mildernd hingegen das Geständnis und den Umstand, daß es teilweise (D/I und D/III iVm E) beim Versuch geblieben ist und der Angeklagte die Tat (A, E) unter der Einwirkung eines Dritten verübt hat.

Davon ausgehend entspricht die verhängte Freiheitsstrafe bei gebührender Berücksichtigung der gravierenden und rückfallsbegründenden Vorstrafen der unrechtsbezogenen Schuld des Angeklagten (§ 32 Abs 1 StGB).

Seine Berufung wegen des Ausspruchs über die Strafe ist damit gegenstandslos.

Die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld war zurückzuweisen, weil dieses Rechtsmittel gegen Urteile von Kollegialgerichten im Gesetz nicht vorgesehen ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390 a StPO.

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