OGH 6Ob2093/96d

OGH6Ob2093/96d7.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** Aktiengesellschaft, ***** vertreten durch Dr.Karl Schleinzer, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Almaida K*****, vertreten durch Dr.Widukind W. Nordmeyer, Rechtsanwalt in Wels, wegen 61.732 S infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Berufungsgerichtes vom 27.November 1995, GZ 22 R 402/95-33, womit das Urteil des Bezirksgerichtes Wels vom 1.Juni 1995, GZ 13 C 1318/93-27, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat der klagenden Partei die mit 4.870 S (darin 811 S USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die klagende Partei begehrte von Pedrag A***** als Erstbeklagten, gegen welchen der Zahlungsbefehl in Rechtskraft erwachsen ist, und von Almaida K***** als Zweitbeklagter 61.732 S an rückständigen Kreditraten und Schadenersatz für Ausfolgungskosten mit dem Vorbringen, sie habe den beiden Beklagten einen Kredit von 57.292,70 S gewährt, der zuzüglich Zinsen und Nebengebühren in 36 monatlichen Raten, beginnend ab 25.8.1992, bei Terminsverlust an die klagende Partei zurückzuzahlen gewesen wäre. Die beiden Beklagten hätten die Raten nicht vereinbarungsgemäß geleistet, der Kredit sei nach den getroffenen Vereinbarungen fällig gestellt worden. Die Beklagte habe dem Vertreter der klagenden Partei gegenüber ihre Haftung aus dem gewährten Kredit bei mehreren Interventionen zugestanden.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren nur dem Grunde nach und wandte ein, sie habe lediglich einmal, und zwar blanko, einen Kreditantrag unterschrieben, allerdings nicht für den vormaligen Erstbeklagten, sondern für Salko S*****, der sich ein Auto habe kaufen wollen. Ihrer Meinung nach habe Salko S***** den Kreditantrag an den vormaligen Erstbeklagten ohne ihr Wissen und ohne ihren Willen weitergegeben. Der von ihr abgeschlossene Vertrag werde daher auch wegen Irrtums, den die klagende Partei veranlaßt habe, angefochten. Die Verpflichtungserklärung sei auch formungültig, weil die Erklärung zum Zeitpunkt der Unterschrift noch nicht ausgefüllt gewesen sei, insbesondere die essentialia eines Bürgschaftsvertrages nicht enthalten habe.

Das Erstgericht gab der Klage unter Zugrundelegung folgender wesentlicher Feststellungen statt:

Im Sommer 1992 führte der vormalige Erstbeklagte in den Geschäftsräumlichkeiten der E***** AutohandelsgesmbH in M***** Gespräche über den Ankauf eines gebrauchten PKW Opel Ascona. Zur Ankaufsfinanzierung stellte er einen Kreditantrag an die mit der E***** AutohandelsgesmbH in Verbindung stehende klagende Partei. Diese teilte in der Folge allerdings mit, daß die Bonität des Antragstellers nicht ausreichend sei und dieser daher einen Bürgen benötige.

Einige Tage später, am 15.7.1992 kamen der vormalige Erstbeklagte, die Beklagte und Salko S***** in die Geschäftsräumlichkeiten der E***** AutohandelsgesmbH. Die Beklagte hatte alle erforderlichen Unterlagen für eine Bürgschaftserklärung, nämlich Beschäftigungsbewilligung, Gehaltsbestätigung und Reisepaß mitgebracht. Dann unterfertigten der vormalige Erstbeklagte und die Beklagte eine ausgefüllte Kreditanfrage an die klagende Partei, in welcher neben den Kreditdaten in der Rubrik "Selbstauskunft" in den zwei vorgesehenen Spalten "Kredit-/Leasingnehmer" und "Mitschuldner/Mitleasingnehmer" die Angaben über die Vermögensverhältnisse des Kreditnehmers (Pedrag A*****) sowie "der Bürgin" (Beklagte) enthalten waren (Beilage I); weiters unterschrieben sie blanko einen förmlichen Kreditantrag an die klagende Partei, der unter der vorgedruckten Rubrik "Kreditnehmer" wiederum zwei Spalten für a) Kreditnehmer und b) Mitschuldner sowie für deren persönliche Daten enthielt (Beilage A). Noch am selben Tag wurden von der klagenden Partei die Angaben vom ausgefüllten Kreditanfragebogen auf das blanko unterfertigte Kreditantragsformular übertragen und am 31.8.1992 ein schriftlicher Kreditvertrag ausgefertigt, in welchem als Kreditnehmer der vormalige Erstbeklagte und die Beklagte angeführt sind (Beilage B). Der Beklagten wurde eine Ausfertigung des Kreditvertrages zugesandt.

Der mit dem Kredit finanzierte PKW wurde in der Folge hauptsächlich von Salko S***** benützt, für den das Fahrzeug gekauft worden war. Der vormals Erstbeklagte war nur deshalb als Käufer aufgetreten, um einen Kredit für die Finanzierung des PKW zu erlangen.

Rechtlich beurteilte das Erstgericht den Sachverhalt dahin, daß der Beklagten bewußt gewesen sei, ihre Bürgschaftserklärung für den vormals Erstbeklagten abgegeben zu haben. Sie sei in keinem von der klagenden Partei veranlaßten Irrtum gewesen und hafte daher als Bürgin.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge. Es billigte die Feststellungen des Erstgerichtes, daß sich die Beklagte nicht in einem Irrtum über die Person des Kreditnehmers Pedrag A***** befunden habe. Zu der gerügten fehlenden Schriftform einer Bürgschaftserklärung führte es aus, die Schriftlichkeit beziehe sich nur auf die Verpflichtungserklärung des Bürgen, nicht auch auf die Annahmeerklärung des Gläubigers. Es genüge, daß dieser die schriftliche Erklärung des Bürgen mündlich oder stillschweigend annehme. Grundsätzlich müßten aus der Urkunde selbst die wesentlichen Merkmale der Bürgschaftsverpflichtung, nämlich Name des Gläubigers, des Schuldners, Bezeichnung und Umfang der zu sichernden Schuld hervorgehen. Die Formbedürftigkeit der Bürgschaftsverpflichtung schließe aber die Heranziehung weiterer, außerhalb der Urkunde liegender Beweismittel zur Ermittlung des wahren Willens der Bürgschaftserklärung keineswegs aus. Es sei daher nicht unbedingt erforderlich, daß in der Urkunde der Hauptschuldner namentlich genannt werde. Die Umstände dürften nur keinen Zweifel darüber lassen, wen die Parteien als Verpflichteten im Sinn gehabt hätten. Vom Hauptschuldner und der Bürgin sei eine weitere vollständig ausgefüllte Urkunde (nämlich das Kreditanfrageformular) gefertigt worden, aus welcher hervorgegangen sei, für welche Schuld und für welche Person eine Mithaftung erklärt worden sei. Auch stehe das Wissen der Beklagten darüber, daß es sich um einen Autokredit gehandelt habe, nach ihren eigenen Angaben außer Zweifel. Das Formerfordernis des § 1346 Abs 2 ABGB sei daher nach der Gesamtheit der hier vorliegenden Umstände eingehalten worden.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die ordentliche Revison zulässig sei, weil zur Frage der Wirksamkeit einer Blankobürgschaft unter Berücksichtigung anderer Urkunden als der eigentlichen Bürgschaftserklärung keine eindeutige jüngste höchstgerichtliche Judikatur aufzufinden gewesen sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Die Qualifikation einer Erklärung als Bürgschaft ist nicht Feststellung, sondern rechtliche Beurteilung. Das Erstgericht hat seine "Feststellung", die Beklagte habe eine Bürgschaftserklärung für den vormals Erstbeklagten als Kreditnehmer abgegeben, ausschließlich aus den vorgelegten Urkunden: Kreditanfrage (Beilage I), Kreditantrag (Beilage A) und Kreditvertrag (Beilage B) getroffen und diese Urkunden seinen Feststellungen ausdrücklich zugrundegelegt, aber deren Inhalt unvollständig festgestellt. Dies konnte auch noch im Revisionsverfahren nachgeholt werden.

Die klagende Partei hat vorgebracht, daß sie dem vormals Erstbeklagten und der nunmehr noch allein Beklagten gemäß Kreditvertrag einen Kredit gewährt habe und die Beklagten mit den monatlichen Rückzahlungsraten in Verzug geraten seien. Die Beklagte hat Irrtum lediglich in der Person des Kreditnehmers Pedrag A***** anstelle von Salko S***** eingewendet, nicht aber, daß ihr ein Irrtum dahin unterlaufen wäre, sie habe nach den Urkunden als Mitschuldner und nicht als Bürgin unterschrieben (ein Umstand, der an der damit verbundenen Möglichkeit der primären Inanspruchnahme nichts geändert hätte, weil von einer Ausfallsbürgschaft jedenfalls nie die Rede war). Der Beklagten war bewußt, daß sie für einen aufzunehmenden Autokredit die persönliche Haftung übernommen hat. Die Bedeutung einer Willenserklärung richtet sich danach, wie sie unter Berücksichtigung aller Umstände aus der Sicht des Erklärungsempfängers objektiv verstanden werden muß. Der objektive Erklärungswert der von der Beklagten unterfertigten Urkunden war aber aus der Sicht der klagenden Partei die Übernahme der Haftung der Beklagten als Mitschuldner. Den Urkunden ist keinerlei Hinweis darauf zu entnehmen, daß die Beklagte durch ihre Unterschrift auf Kreditanfrage und Kreditantrag lediglich eine Haftung als Bürge (und Zahler) erklären wollte. Sie hat auch den ihr übermittelten Kreditvertrag, in welchem sie neben Pedrag A***** als Kreditnehmerin aufscheint, nicht widersprochen und, wie schon ausgeführt, auch im Verfahren einen entsprechenden Irrtumseinwand nicht erhoben. Auf die Rechtsansicht des Berufungsgerichtes, daß die tatsächlich von der Beklagten durch Unterfertigung der Urkunden abgegebenen Erklärungen für das Zustandekommen einer schriftlichen Bürgschaftsvereinbarung ausreichten, muß daher nicht mehr eingegangen werden. Der Revision kommt daher im Ergebnis keine Berechtigung zu.

Der Ausspruch über die Kosten der Revisionsbeantwortung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.

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