OGH 15Os155/96 (15Os156/96)

OGH15Os155/96 (15Os156/96)7.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 7.November 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Mayrhofer, Dr.Rouschal und Dr.Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag.Berger als Schriftführer, in der Strafvollzugssache gegen Franjo M***** wegen Verfallserklärung der Kautionssumme über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Beschlüsse der Einzelrichterin des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21.Dezember 1995, GZ 5 b E Vr 3658/95-175, und des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 6.März 1996, AZ 23 Bs 52/96 (= ON 218 des Vr-Aktes), nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Schroll, und des Verteidigers Dr.Soyer, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Beschlüsse der Einzelrichterin des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21.Dezember 1995, GZ 5 b E Vr 3658/95-175, und des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 6.März 1996, AZ 23 Bs 52/96 (= ON 218 des Vr-Aktes), verletzen das Gesetz in der Bestimmung des § 191 Abs 2 StPO.

Diese Beschlüsse werden ersatzlos aufgehoben.

Der Einzelrichterin des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wird aufgetragen, dem Gesetz gemäß zu verfahren.

Text

Gründe:

Mit Urteil der Einzelrichterin des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 29.Juni 1995, GZ 5 b E Vr 3658/95-95, wurde Franjo M***** der Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 und 2 StGB und der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB sowie des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB als Beteiligter nach § 12 zweiter Fall StGB schuldig erkannt und hiefür nach §§ 87 Abs 1, 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt.

Die über ihn am 27.Februar 1995 verhängte Untersuchungshaft (ON 16) wurde mit Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 17.Juli 1995, AZ 23 Bs 274, 275/95 (= ON 105 des Vr-Aktes), gegen Anwendung gelinderer Mittel nach § 180 Abs 5 Z 1 und 3 bis 7 StPO aufgehoben und M*****, nachdem die vom Erstgericht am 24.Juli 1995 mit einer Million Schilling bestimmte Kaution (ON 116) in Form einer Bankgarantie (ON 161) auch tatsächlich erlegt worden war, nach Ablegung der im § 180 Abs 5 Z 1 und 3 bis 6 StPO erwähnten Gelöbnisse am 22.August 1995 auf freien Fuß gesetzt (ON 129).

Nach Verkündung des (bestätigenden) Urteils des Oberlandesgerichtes Wien vom 9.November 1995, AZ 23 Bs 346/95 (= ON 158), und Eintritt der Rechtskraft des Urteils erster Instanz an diesem Tag wurde dem Verurteilten M***** am 20.November 1995 die Aufforderung zum Strafantritt zugestellt, derzufolge er die Strafe bis 20.Dezember 1995 anzutreten hatte (ON 160).

Mit Bescheid vom 12.Dezember 1995, Zl IV-823.673/FrB/95, erließ die Bundespolizeidirektion Wien, welcher der Ausgang des Gerichtsverfahrens bekannt war, gegen Franjo M***** gemäß § 18 Abs 1 und 2 Z 1 FrG ein für die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot. Dieser Bescheid erwuchs auf Grund eines vom Rechtsvertreter des Verurteilten erklärten Berufungsverzichts noch am selben Tag in Rechtskraft (Beilage A zu ON 182).

In einer am 21.Dezember 1995 beim Erstgericht eingelangten Eingabe teilte der Verteidiger des Verurteilten mit, dieser habe sich infolge des gegen ihn erlassenen Aufenthaltsverbotes nach Slowenien begeben und wolle die (in Österreich) über ihn verhängte Freiheitsstrafe in seinem Heimatstaat (Slowenien) verbüßen (ON 174); zu einer Übernahme der Vollstreckung durch Slowenien hatte er bereits am 13.Dezember 1995 in einem Schriftsatz an das Bundesministerium für Justiz Wien seine als unwiderruflich deklarierte Zustimmung erteilt (ON 171). Die Erstrichterin erklärte sodann mit Beschluß vom 21.Dezember 1995 die von Franjo M***** in Form einer Bankgarantie erlegte Kaution von einer Million Schilling gemäß § 191 Abs 2 erster Fall StPO im wesentlichen mit der Begründung für verfallen, er habe sich ohne Erlaubnis des Gerichtes von seinem Wohnort entfernt; das Aufenthaltsverbot und der beabsichtigte Strafantritt in Slowenien seien keine Rechtfertigung hiefür; es sei ihm freigestanden, das Gericht um Erlaubnis zum Verlassen seines Wohnsitzes zu ersuchen (Punkt 4. der ON 175 S 44 ff/VI).

Einer dagegen vom Verurteilten erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Wien mit Beschluß vom 6.März 1996, AZ 23 Bs 52/96 (ON 218 des Vr-Aktes), nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend zeigt die Generalprokuratur in ihrer gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes auf, daß die im Spruch bezeichneten Beschlüsse mit § 191 Abs 2 StPO nicht im Einklang stehen.

Gemäß § 192 Abs 2 StPO wird unter anderem bei einer Verurteilung zu einer nicht bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe (wie vorliegend) die Kautions- oder Bürgschaftssumme erst (dann) frei, wenn der Verurteilte die Strafe angetreten hat. Auf einen Verfall der Kautionssumme im Sinne des § 191 Abs 2 StPO wird dabei nicht Bezug genommen.

Daraus könnte - wie es die Verteidigung unternimmt - geschlossen werden, daß in der Phase zwischen Rechtskraft eines Urteils, das über einen Angeklagten eine nicht bedingt nachgesehene Freiheitsstrafe ausspricht, und dem tatsächlichen Strafantritt zwar keine "Lösung" der Kautionsbindung, aber auch kein Verfall der als Kaution hingegebenen Sicherheiten möglich wäre.

Dem widerstreitet aber schon eine grammatikalisch-systematische Auslegung:

Eine solche Haftung im weiteren Sinn ist zwar bei einer Sicherheitsleistung in Form von Bargeld oder Wertpapieren auch ohne Verfall zugunsten des Staates gegeben, weil dem Verurteilten jedenfalls die Ausfolgung der bei Gericht erliegenden Gelder oder Wertpapiere bis zum tatsächlichen Strafantritt verweigert werden kann. Hingegen könnte unter der von der Verteidigung vertretenen These bei einer als Sicherheit dienenden Bankgarantie (wie hier) oder bei einer Pfandbestellung oder Bürgschaft die fehlende "Lösbarkeit" der verfangenen Sicherheitsleistung keine Wirkung (mehr) erzielen, weil eine tatsächliche Verwertung - also die Abrufung der Bankgarantie, die Exekution in die Pfandliegenschaft oder die Inanspruchnahme des Bürgen - mangels Verfallsmöglichkeit ausgeschlossen ist.

Daraus folgt, daß eine nach §§ 190 Abs 1, 191 Abs 1 StPO geleistete Sicherheit, die nur dann frei wird, wenn der freigelassene Beschuldigte/Angeklagte (neuerlich) verhaf- tet wird, weil er Anstalten zur Flucht trifft oder neue, die Haft rechtfertigende Umstände vorkommen (§ 192 Abs 1 StPO), und ebenso, wenn das Strafverfahren durch Einstellung oder durch Endurteil rechtskräftig beendet ist (§ 192 Abs 2 erster Halbsatz StPO), kraft der ausdehnenden Bestimmung des § 192 Abs 2 letzter Halbsatz StPO im Falle eines eine unbedingte Freiheitsstrafe aussprechenden Urteils - ausnahms- weise, aber unter gleichen Bedingungen - bis zum Strafantritt haftet und demnach auch in der Zeit zwischen Rechtskraft des Urteils und Strafantritt unter den Voraussetzungen des § 191 Abs 2 StPO für verfallen zu erklären ist.

Auch eine historische Interpretation zeigt, daß die erst mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 1987 vorgenommene Änderung des § 192 Abs 2 StPO nicht nur auf einen Aufschub des Freiwerdens der Sicherheit abstellt, sondern vielmehr auch den Verfall nach § 191 Abs 2 StPO erfaßt. Der Gesetzgeber zielte nämlich mit dieser Neuregelung auf eine Absicherung der schon damals überwiegenden Lehre (zB Lohsing/Serini Österr.Strafprozeßrecht4 249 f; Roeder Lehrbuch des Österr.Strafverfahrensrechtes2 134; Foregger/Serini StPO3 Anm II zu § 192) und herrschenden Judikatur (SSt 2/58, 12/37; RZ 1955, 90 uvam) ab (vgl JA StRÄG 1987, 359 Blg NR, XVII.GP, 38, wonach schon aus der Bestimmung, daß die Kaution erst frei wird, wenn das Strafverfahren "rechtskräftig beendet ist", eine solche Fortwirkung der Haftung der geleisteten Sicherheit bis zum Strafantritt abzuleiten sei). Diese sich aus der Entstehungsgeschichte der Strafprozeßordnung 1873 ergebende Interpretation (vgl Rosenblatt in GZ 1882/13; Mitterbacher, Comm. 297 f; Hoegel in JBl 1902, 241) sollte durch das Strafrechtsänderungsgesetz 1987 gesetzlich klargestellt wer- den. Eine "Zwischenlösung" dergestalt, daß zwar nach rechtskräftiger Verfahrensbeendigung ein Freiwerden der Sicherheit verhindert werden, aber trotzdem keine Verfallsmöglichkeit mehr bestehen sollte, widerspricht somit dem erkennbaren historischen Willen des Gesetzgebers.

Zum gleichen Ergebnis gelangt man durch teleologische Auslegung; kann doch dem Gesetz im zentralen Anwendungsbereich der Norm, also bei der auch im vorliegenden Fall geleisteten Sicherheit durch Bankgarantie, kein sinnloser, weil nie mehr effektierbarer Regelungsinhalt unterstellt werden (vgl die insoweit deutlichere Lösung in § 124 dStPO).

Von all dem abgesehen vermag aber auch im Vollzugsverfahren bis zum Strafantritt nur ein auf § 191 Abs 2 StPO gestützter Verfallstatbestand eine Realisierung der Haftung auszulösen (vgl S.Mayer Comm. II, 690).

Der von der Verteidigung im Gerichtstag unter Hinweis auf die Entscheidung eines verstärkten Senates (13 Os 81/93 = EvBl 1995/21 = JBl 1995, 386 = RZ 1995/11) nachdrücklich vorgetragene Einwand, ein Ergebnis der dargestellten Art verstoße gegen das Analogieverbot, übersieht, daß die genannte Entscheidung Ausführungen zum Analogieverbot im Zusammenhang mit einem Begriff des materiellen Strafrechtes enthält, hingegen im Strafverfahrensrecht die Möglichkeit der Analogie in Lehre (Burgstaller Grundzüge6 7; Höpfel, Zu Sinn und Reichweite des Analogieverbotes JBl 1979, 505 ff und 575 ff <insb 587>; Roeder aaO 8; Lohsing/Serini aaO 35 f) und Rechtsprechung (EvBl 1994/175; JBl 1992, 466 = RZ 1992/65; EvBl 1991/48 = JBl 1991, 603; EvBl 1980/221 uam) anerkannt ist.

Die von der Beschwerde als gesetzwidrig gerügten Beschlüsse des Landesgerichtes für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichtes Wien stellen darauf ab, daß sich Franjo M***** durch seine Abreise nach Slowenien "ohne Erlaubnis des Gerichtes" von seinem Wohnort entfernt hat, weil nach Ansicht der Gerichte der vom Verurteilten als Grund für seine Rückkehr in den Heimatstaat genannte rechtskräftige Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 12.Dezember 1995 (mit dem über ihn gemäß § 18 Abs 1 und 2 Z 1 FrG ein Aufenthaltsverbot verhängt wurde) die nach § 180 Abs 5 Z 1, 3 und 4 StPO gebotene Erlaubnis des Gerichtes zum Verlassen Österreichs nicht substituieren konnte.

Das zentrale Problem in dem hier zu beurteilenden Fall besteht demnach darin, daß den Verurteilten M***** zwei einander widersprechende, jeweils durch staatliche Hoheitsakte begründete Pflichten belasteten, nämlich einerseits die (durch Zwangsmittel exekutierbare) Aufforderung des Gerichtes, die Freiheitsstrafe spätestens bis 20.Dezember 1995 anzutreten, andererseits die mit Rechtskraft des Bescheides der Fremdenpolizei vom 12.Dezember 1995 bestehende (gegebenenfalls mit Zwangsmaßnahmen durchzusetzende) Verpflichtung, Österreich unverzüglich zu verlassen. Die Antwort auf die sich für den Verurteilten daraus ergebende Frage, welchem der beiden individuellen Rechtsakte der Vorzug zu geben war, blieb - mangels innerstaatlicher Vorschriften über eine allfällige prävalierende Stellung des einen Gebotes im Verhältnis zum anderen - ihm überlassen.

Es wäre allerdings Sache der Verwaltungsbehörde gewesen, diese Antinomie erst gar nicht entstehen zu lassen. Denn obwohl die Fremdenbehörde im Fall einer rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilung zu einer mehr als dreimonatigen unbedingten Freiheitsstrafe grundsätzlich ohne Verzug ein Aufenthaltsverbot auszusprechen hat (§ 18 Abs 1 und 2 Z 1 FrG), hätte die Bundespolizeidirektion Wien im Interesse der Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit unter den konkreten, ihr auch bekannten, in der Bescheidbegründung erwähnten Umständen vor Bescheiderlassung den aus der Verfassung ableitbaren Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung beachten müssen. Danach entfalten individuelle Rechtsakte verschiedener Staatsorgane - soweit sie dieselbe Person betreffen - eine wechselseitige Bindungswirkung (Morscher in JBl 1991, 86 ff), derzufolge - fallbezogen - die Erfüllung einer vom Gericht bereits begründeten Pflicht (die rechtskräftig verhängte Freiheitsstrafe entweder sogleich oder doch termingemäß in Österreich zu verbüßen) die gesetzeskonforme Befolgung des (dieser Pflicht widersprechenden) Gebotes im zeitlich später erlassenen Bescheid der Fremdenpolizei über das unverzüglich wirksame Aufenthaltsverbot naturgemäß ausschließt. Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß in den fremdenpolizeilichen Vorschriften bereits rechtskräftige Gerichtsentscheidungen gegenständlicher Art als berücksichtigungswürdiger Aufschubsgrund nicht ausdrücklich genannt sind.

Insofern wäre daher auch der Gesetzgeber gefordert, für eine wirklichkeitsnahe, ausgewogene und rechtsstaatlichen Interessen Rechnung tragende Regelung zu sorgen. Denn einem - wenngleich den erwähnten rechtsstaatlichen Prinzipien entgegenstehender - rechtskräftiger Bescheid der Verwaltungsbehörde kann die verbindliche Wirkung für den Betroffenen nicht abgesprochen werden. Allerdings gerät ein solcherart mit zwei einander ausschließenden gerichtlichen und fremdenpolizeilichen Aufträgen konfrontierter Verurteilter zwangsläufig in eine Pflichtenkollision. Befolgt er nämlich (wie vorliegend Franjo M*****) das durch Zwangsmittel durchsetzbare Aufenthaltsverbot, so kann man ihm die damit zwangsläufig verbundene Vernachlässigung der Pflicht, die Freiheitsstrafe rechtzeitig anzutreten, mit Fug nicht vorwerfen, noch viel weniger darf sie die gerichtliche Entscheidung des Kautionsverfalls nach sich ziehen.

Dem Verurteilten M***** ist aber auch nicht anzulasten, er habe die Verwaltungsbehörde über das Aufenthaltsverbot betreffende maßgebliche Umstände getäuscht und somit die Pflichtenkollision selbst verschuldet, weshalb ihn die Verfallssanktion zu Recht trifft (vgl Lohsing/Serini aaO 249). Standen doch dem Entscheidungsorgan der Bundespolizeidirektion Wien - wie die Bescheidbegründung zeigt - die ausschlaggebenden Daten zur Verfügung, nämlich sowohl der Einreisetag M*****s nach Österreich als auch die Tatsache der rechtskräftigen Verhängung einer unbedingten Freiheitsstrafe von drei Jahren. Damit war offenkundig, daß zumindest ein erheblicher Teil der verhängten Freiheitsstrafe von dem auf freien Fuß befindlichen M***** noch zu verbüßen war. Aber dessen ungeachtet wurde ein unverzügliches Aufenthaltsverbot gegen ihn erlassen.

Der Umstand hinwieder, daß M***** durch seinen Rechtsanwalt sofort einen Rechtsmittelverzicht gegen die Entscheidung der Verwaltungsbehörde erklären ließ, ist ihm - entgegen der Ansicht des Gerichtshofes zweiter Instanz (vgl 267/VI) - aus rechtsstaatlicher Sicht ebensowenig vorzuwerfen. Von einem verurteilten Ausländer kann nämlich nicht verlangt werden, gegen einen verwaltungsbehördlichen Bescheid ein Rechtsmittel mit der Intention zu ergreifen, der Rechtssicherheit abträgliche Koordinationsschwierigkeiten zwischen Gericht und Fremdenbehörde auszuräumen und der ihn weit schwerer belastenden Verpflichtung zum Strafantritt gegenüber der Befolgung des Aufenthaltsverbotes den Vorrang zu geben. Ebensowenig trifft ihn unter den gegebenen Umständen der Vorwurf, daß er vor Ablauf der ihm nach § 3 Abs 2 StrafvollzugsG eingeräumten Frist nicht freiwillig die Freiheitsstrafe angetreten oder vor Verlassen des österreichischen Bundesgebietes eine gerichtliche Erlaubnis hiezu eingeholt hat, um es dem Erstgericht solcherart zu ermöglichen, ihn (wegen der nunmehr zufolge des rechtskräftigen fremdenpolizeilichen Aufenthaltsverbotes drohenden Fluchtgefahr) zu verhaften (vgl 269/VI).

Daraus folgt, daß Franjo M***** - fallbezogen - die Republik Österreich nicht "ohne Erlaubnis" verlassen hat, sondern vielmehr in Befolgung eines rechtskräftig verhängten unverzüglichen Aufenthaltsverbotes der Fremdenbehörde, demnach in Erfüllung einer (anderen) ihm verwaltungsbehördlich auferlegten Verpflichtung, sodaß der Verfallstatbestand des § 191 Abs 2 StPO nicht vorlag.

Sonach erfolgte der dennoch vom Erstgericht ausgesprochene und vom Oberlandesgericht Wien als Beschwerdegericht bestätigte Verfall der für Franjo M***** erlegten Kaution rechtsirrtümlich, weshalb der dagegen erhobenen Beschwerde der Generalprokuratur Folge zu geben, die Gesetzwidrigkeit festzustellen und die Verfahrenserneuerung anzuordnen war, wobei am Rande darauf verwiesen sei, daß jene Bekanntgabe der Interpol Ljubljana (ON 215), wonach der Verurteilte an der vom Verteidiger bekanntgegebenen Adresse (ON 193) nicht wohnhaft ist und dort seit 13 Jahren nicht mehr aufhältig war, aus welchem Grund das Bundesministerium für Justiz Wien nicht in Aussicht nahm, an Slowenien um Übernahme der Strafverfolgung heranzutreten (ON 219 und 221), möglicherweise nicht mehr dem aktuellen Stand entsprechen könnte; denn nach den von der Generalprokuratur dem Obersten Gerichtshof übermittelten Kopien fand im Sommer 1996 ein Notenaustausch zwischen dem (österreichischen) Bundesministerium für Justiz und dem Ministerium für Justiz der Republik Slowenien über die Einholung einer Zustimmung des Verurteilten zur Strafvollstreckung in Slowenien statt, die allerdings ohnedies bereits unwiderruflich erteilt worden war (vgl erneut ON 171).

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