OGH 13Os168/96

OGH13Os168/966.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.November 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Markel, Dr.Mayrhofer, Dr.Ebner und Dr.Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Heißenberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Gerhard K***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgericht vom 25.April 1996, AZ 9 Bl 49/96, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr.Wasserbauer, des Vertreters des Privatbeteiligten Dr.Reif, des Verurteilten und des Verteidigers Dr.Moser zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Berufungsgericht vom 25. April 1996, 9 Bl 49/96, verletzt § 473 Abs 2 StPO. Es wird aufgehoben und dem Landesgericht Leoben aufgetragen, über die Berufung der Staatsanwaltschaft neuerlich zu verhandeln und zu entscheiden.

Text

Gründe:

Gerhard K***** wurde mit Urteil des Bezirksgerichtes Oberwölz vom 28. Dezember 1995, GZ U 21/95-12, der Vergehen nach §§ 88 Abs 1, 94 Abs 1 StGB gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Dem Strafantrag lag der Vorwurf zugrunde, er habe als Lenker eines PKW infolge unaufmerksamer Fahrweise einen Radfahrer niedergestoßen, fahrlässig leicht verletzt und sei ohne Hilfeleistung von der Unfallstelle weggefahren. Auf Grund der Ergebnisse des Beweisverfahrens (insbesondere des Gutachtens des kraftfahrtechnischen Sachverständigen) konnte das Gericht nicht feststellen, daß der Beschuldigte der Lenker jenes PKW war, der den Radfahrer niedergestoßen, verletzt und liegengelassen hatte (S 169).

Der gegen dieses Urteil erhobenen Berufung des öffentlichen Anklägers wegen Nichtigkeit und Schuld gab das Landesgericht Leoben mit Urteil vom 25.April 1996, 9 Bl 49/96 (ON 25) Folge, hob das angefochtene Urteil auf und erkannte Gerhard K***** im Sinn des Strafantrages schuldig.

In der in Anwesenheit des Angeklagten durchgeführten Berufungsverhandlung vom 25.April 1996 wurden zur "Beweisergänzung" (S 191) lediglich der Akteninhalt verlesen und die sichergestellten Beweisgegenstände dargestellt.

Rechtliche Beurteilung

Das Urteil des Berufungsgerichtes steht, wie der Generalprokurator zu Recht in seiner gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde ausführt, mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Nach Aufhebung eines freisprechenden Urteiles darf das Berufungsgericht nur dann in der Sache selbst entscheiden, wenn es im Urteil die Tatsachen, die bei richtiger Anwendung des Gesetzes dem Erkenntnis zugrunde zu legen wären, nach einem mängelfreien Verfahren mit unbedenklicher Begründung festgestellt findet. Andernfalls muß es (außer es wäre nach § 470 Z 3 StPO vorzugehen) in der Berufungsverhandlung, die den Charakter einer neuen, mit erhöhten Garantien für die Ermittlung der Wahrheit ausgestatteten Hauptverhandlung hat (EvBl 1981/177; Foregger/Kodek, StPO6 §§ 463 Erl.III, 473 Erl.II), den Grundsätzen der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit folgend das vom Erstgericht durchgeführte Beweisverfahren wiederholen und ergänzen. Das Berufungsgericht ist grundsätzlich an den vom Erstgericht festgestellten Sachverhalt gebunden. Es ist nicht berechtigt, ohne Beweiswiederholung von den für bedenklich erachteten Tatsachengrundlagen des Ersturteiles abzugehen und verstößt dann gegen die zwingende Bestimmung des § 473 Abs 2 StPO, wenn nicht alle Zeugen und Sachverständigen, die in der Hauptverhandlung in erster Instanz gehört worden sind, noch einmal vernommen werden (Mayerhofer/Rieder, StPO3, § 474 E 14, 16 und 17).

Im vorliegenden Fall hätte daher das Berufungsgericht die eine Täterschaft des Beschuldigten bejahenden Feststellungen (die im übrigen zur subjektiven Seite des § 94 StGB gar nicht ausreichen) nur nach Wiederholung des vom Erstgericht durchgeführten Beweisverfahrens, insbesondere nach neuerlicher Vernehmung des kraftfahrtechnischen Sachverständigen, dessen Gutachten vom Bezirksgericht ausdrücklich als Feststellungsgrundlage herangezogen werde, treffen dürfen. Durch das Unterbleiben einer solchen Beweisaufnahme in der mündlichen Berufungsverhandlung wurde das Gesetz zum Nachteil des Angeklagten verletzt, das angefochtene Urteil war daher zu kassieren und dem Berufungsgericht (unter Beachtung des § 68 Abs 2 StPO; vgl 12 Os 49,50/96-4) die neuerliche Verhandlung und Entscheidung aufzutragen (Mayerhofer/Rieder, aaO E 12).

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