OGH 10Ob2074/96i

OGH10Ob2074/96i5.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Kropfitsch als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Bauer, Dr.Ehmayr, Dr.Steinbauer und Dr.Danzl als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Friedrich N*****, Bundesbahnpensionist, ***** vertreten durch Dr.Manfred Opperer und Mag.Dr.Gerhard Schartner, Rechtsanwälte in Telfs, wider die beklagte Partei Reingard B*****, Hausfrau, ***** vertreten durch Dr.Andreas Fink und Dr.Peter Kolb, Rechtsanwälte in Imst, wegen Unterlassung und Herausgabe (Streitwert S 60.000), infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes Innsbruck als Berufungsgerichtes vom 31.Jänner 1996, GZ 2 R 606/95-21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Telfs vom 31.Juli 1995, GZ 1 C 540/94z-15, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit S 9.639,84 bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten S 1.606,64 Umsatzsteuer) und die mit S 11.186 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten S 507 Umsatzsteuer und S 6.620 Barauslagen) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Gemeinde O***** ist Eigentümerin des Grundstückes Nr 3444/1, auf dem zugunsten der Liegenschaft EZ 84 Grundbuch O*****, deren Eigentümerin die Beklagte ist, ein Holz- und Streunutzungsrecht eingetragen ist. Auf diesem der Gemeinde gehörigen Grundstück ist die sogenannte "Kreuzerhütte" mit Zustimmung des seinerzeitigen holz- und streunutzungsberechtigten Großvaters der Streitteile im Jahre 1932 oder 1933 durch Josef K***** errichtet worden. Ob der Grundeigentümer gefragt wurde, konnte nicht festgestellt werden. Josef K***** verkaufte 1946 die Hütte, die er als Wochenendhaus benützt hatte, an Hans L*****, Hermann Sch***** und Ernst M***** zu je einem Drittel um je S 1.000. K***** war der Ansicht, das Eigentum an der Hütte zu verkaufen und nicht nur ein Benützungsrecht. Diese Ansicht teilten auch die Käufer. Der holz- und streunutzungsberechtigte Großvater der Streitteile war mit dem Verkauf durch Josef K***** einverstanden. 1962 verkaufte Hans L***** seinen Drittelanteil an der Hütte dem Kläger. Die ein Vorkaufsrecht an den Hüttenanteilen besitzenden Sch***** und M***** widersprachen dem Verkauf nicht, nachdem sie später davon Kenntnis erhalten hatten. Der Kläger war der Auffassung, Miteigentum an der Hütte erworben zu haben. Die Hütte wurde vom Kläger bzw seinem Sohn in der Zeit von 1962 bis 1985 benützt. Auch nach diesem Zeitpunkt wurde die Hütte von ihnen mehrfach benützt. Nach dem Tod der Mutter der Streitteile am 3.Oktober 1987 verweigerte die Beklagte dem Kläger ein weiteres Nutzungsrecht an der Hütte unter Berufung auf einen Schenkungsvertrag auf den Todesfall und einen Erbverzichtsvertrag zwischen der Mutter der Streitteile und der Beklagten. Im Jahr 1988 tauschte der Kläger eigenmächtig das Schloß an der Hütte aus. Daraufhin brachte der Ehegatte der Beklagten mit Einverständnis der Beklagten ein neues Schloß an. Von diesem Zeitpunkt an hatte der Kläger keinen Zutritt zur Hütte mehr. Am 15.12.1988 gaben die Eheleute Ernst und Frieda M***** eine schriftliche Erklärung ab, in der sie das Eigentum der Beklagten an der Kreuzerhütte ausdrücklich anerkannten. Erhaltungsarbeiten an der Hütte wurden immer von Ernst M***** vorgenommen. Die Hütte war auch feuerversichert durch Ernst M*****, durch die Beklagte und durch den Kläger. Die Gemeinde O***** verrechnet der Beklagten einen Pacht- und Anerkennungszins für die Hütte.

Der Kläger begehrt die Einräumung der Mitbenützung an der gegenständlichen Hütte, die Unterlassung jeglicher Störung durch die Beklagte und die Ausfolgung eines Schlüssels. Seinen Anspruch gründet er einerseits auf den Kaufvertrag, der ihm das Mitbenützungsrecht einräumt und auf die durch die Nutzung der Hütte durch mehr als 40 Jahre eingetretene Ersitzung des Benützungsrechtes.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. In rechtlicher Hinsicht habe der Kläger ein Nutzungsrecht an der Hütte in Form einer Grunddienstbarkeit ersessen. Eine Freiheitsersitzung durch die Beklagte liege nicht vor, weil nur der Eigentümer durch sein Verhalten die Belastung des Eigentums beseitigen könne und es daher dem Kläger nicht schade, daß er sich durch mehr als drei Jahre dem Anbringen des Schlosses nicht widersetzt habe. Die Klägerin oder deren Rechtsvorgänger seien nie Eigentümer der Hütte gewesen.

Das Gericht der zweiten Instanz wies das Klagebegehren zur Gänze ab. Es sprach aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000 übersteige, die ordentliche Revision nicht zulässig sei.

Rechtlich führte es aus, daß ein ersessenes Recht der Dienstbarkeit gemäß § 1488 ABGB dadurch verjährt sei, daß sich der Kläger der Ausübung der Servitut durch drei aufeinanderfolgende Jahre nicht widersetzt und sein Recht nicht geltend gemacht habe. Es schade nicht, daß die Beklagte nicht Eigentümerin der Hütte oder des belasteten Grundstückes gewesen sei, weil Verpflichteter im Sinne des § 1488 ABGB nicht nur der Eigentümer des belasteten Grundstückes, sondern auch dessen Besitzer kein könne, welche Voraussetzungen jedoch auf die Beklagte zuträfen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung der Sache und dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteiles abzuändern.

Die Beklagte stellt den Antrag, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig, weil das Übersehen des auf den "Kaufvertrag" und das damit zusammenhängende Mitbenützungsrecht gestützten Rechtsgrundes zur Benützung der Hütte durch den Kläger durch das Berufungsgericht eine wesentliche Verkennung der Rechtslage darstellt.

Die Revision ist berechtigt.

Der an dem im Eigentum der Gemeinde O***** stehenden Waldteil G*****, auf dem die "K***** Hütte" errichtet ist, holz- und streunutzungsberechtigte Großvater der Beklagten Johann H***** hat der Errichtung der Hütte durch Josef K***** zugestimmt, ohne daß festgestellt werden konnte, ob über eine (Mit)Benützung irgendwelche weiteren Vereinbarungen getroffen wurden. In dieses Dienstbarkeitsverhältnis zur Gemeinde ist nach Johann H***** aufgrund der Rechtsnachfolge von Todes wegen die Mutter der Beklagten Maria P***** und nach deren Tod die Beklagte eingetreten, die ihrerseits jetzt Holz- und Streunutzungsberechtigte dieses Waldteiles ist. Keine Frage ist, daß die oben dargestellte Gestattung der Errichtung der Hütte nicht Ausfluß des Servitutsrechts des Johann H***** war. Dieses Rechtsverhältnis hat mit dem aufgrund der Gestattung der Errichtung und der Benützung der Hütte zunächst durch Josef K***** begründeten Rechtsverhältnis zwischen Johann H***** und Josef K***** nichts zu tun. Aus der Servitut des Holz- und Streunutzungsrechtes kann daher eine Berechtigung der Rechtsnachfolgerin des Johann H***** auf Benützung der Hütte aufgrund ihrer Servitutsberechtigung nicht abgeleitet werden.

Es wurde allerdings behauptet, - und gingen auch die Vorinstanzen davon aus - daß der Kläger eine Grunddienstbarkeit ersessen habe, die, wie das Berufungsgericht ausführte, durch Freiheitsersitzung durch die Beklagte gemäß § 1488 ABGB verjährt sei. Darauf braucht aber schon deshalb nicht weiter eingegangen zu werden, weil kein Anhaltspunkt dafür besteht, daß die Gemeinde als Grundeigentümer sich der Ausübung der Servitut widersetzt hätte. Selbst wenn daher der Kläger eine Servitut ersessen hätte, so hat nur die Beklagte die Ausübung derselben vereitelt, die aber nicht Verpflichteter im Sinne des § 1488 ABGB ist. Von Widersetzen im Sinne dieser Gesetzesstelle kann nämlich nur dann gesprochen werden, wenn sich der Eigentümer (Besitzer) der Ausübung der Servitut widersetzt, nicht aber ein Dritter, wie beispielsweise ein anderer Servitutsberechtigter (Schubert in Rummel ABGB2 Rz 2, 3 zu § 1488; MietSlg 38.246). Als Holz-und Streunutzungsberechtigte übte die Beklagte aber nur das Servitutsrecht am fremden Grund, auf dem die Hütte errichtet ist, aus. Sie hatte daher nicht den Willen, die Liegenschaft "als die ihrige zu behalten" (Koziol/Welser, Grundriß10 II, 18f), so daß sie nicht im Sinne des § 1488 ABGB Eigentümer oder (Sach)besitzer war.

Josef K***** hat die Hütte in der Überzeugung, Eigentümer zu sein, mit Einverständnis des holz- und streunutzungsberechtigten Johann H***** an Hans L*****, Hermann Sch***** und Ernst M***** "verkauft". Selbst wenn es sich bei der Hütte um ein Bauwerk handelt, das in der Absicht, daß es nicht stets auf dem Grund verbleibt, auf fremden Grund errichtet wurde und das daher als Superädifikat Gegenstand eines besonderen Eigentumsrechtes hätte sein können (Koziol/Welser, Grundriß10, II, 8 f), ändert dies nichts am Rechtsverhältnis der daran Berechtigten. Auch wenn K***** und dann L*****, Sch***** und M***** und schließlich der Kläger glaubten, Eigentum an der Hütte erworben zu haben, konnten nur Mitbenützungsrechte an der Hütte begründet werden, weil weder K***** noch L***** mehr Rechte übertragen konnten, als ihnen selbst zustanden (Koziol/Welser aaO, 4 mwN). In Ansehung dieser Mitbenützungsrechte aufgrund der von ihnen "gekauften" "Drittelanteile" an der Hütte standen die jeweiligen Rechtserwerber in Rechtsgemeinschaft nach § 825 ABGB (MietSlg 36.553/36; SZ 57/120).

Ob die Eheleute Ernst und Frieda M***** mit einer schriftlichen Erklärung das "Eigentum" der Beklagten an der "K***** Hütte" anerkannten und ob damit das dem Ernst M***** zustehende Benützungsrecht an der Hütte auch auf die Beklagte überging und was mit dem dem Hermann Sch***** zustehenden Benützungsrecht an der Hütte geschah, hatte keinen Einfluß auf das aufgrund des "Kaufes" des "Drittelanteiles" an der Hütte auf den Kläger übergegangene Mitbenützungsrecht. Sofern die Beklagte in das Recht des Ernst M***** auf Benützung der Hütte eingetreten ist, hat sie nur eine Berechtigung im Ausmaß des dem Ernst M***** zustehenden Mitbenützungsrechtes erworben. Auch wenn sie daraus keine Rechtsansprüche geltend macht, könnten ihr aus der Rechtsgemeinschaft insgesamt nicht mehr Rechte an der Hütte zustehen als dem Kläger, sohin nur Mitbenützungsrechte im Sinne des § 833 ABGB.

Danach steht aber die Benützung allen Teilhabern gemeinsam zu. Abweichende Benützungsregelungen, auf die sich die Beklagte gar nicht berufen hat, könnten nur auf Grund einer einstimmigen Benützungsvereinbarung oder rechtsgestaltend durch den Außerstreitrichter imWege der Benützungsregelung eingeräumt werden (Gamerith in Rummel aaO Rz 3 zu § 834 mwN, Rz 5 zu § 835). Der als Ausfluß des ideellen Anteilsrechtes bestehende Anspruch auf Aufhebung der Gemeinschaft (EvBl 1979/126; MietSlg 37.044) gewährt für sich aber noch nicht das Recht die Herausgabe des Objektes, an dem das gemeinsame Benützungsrecht besteht zu verlangen (JBl 1986,722), umso weniger aber das Recht, eigenmächtig den ideell mitbenützungsberechtigten Kläger von der Benützung der Hütte wie sie bisher gehandhabt wurde, auszuschließen.

Der Revision war daher spruchgemäß Folge zu geben und das angefochtene Urteil der zweiten Instanz im Sinne einer Wiederherstellung des Urteiles des Erstgerichtes abzuändern.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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