OGH 11Os151/96

OGH11Os151/965.11.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. November 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Massauer, Dr. Schindler, Dr. Mayrhofer und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Riedler als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Heinz P***** wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 29. Juli 1996, GZ 39 Vr 1100/96-62, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Heinz P***** des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB (A) und des Vergehens des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 und Abs 2 StGB (B) schuldig erkannt.

Darnach hat er

A. in B***** fremde bewegliche Sachen in einem 25.000 S übersteigenden Wert nachgenannten Verfügungsberechtigten durch Einbruch in Gebäude mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch die Zueignung folgender Sachen unrechtmäßig zu bereichern, und zwar

1. am 1. April 1996 mit dem abgesondert verfolgten Ingolf Horst L*****adinig Verfügungsberechtigten der Firma Z***** vier originalverpackte EDV-Anlagen, ein Schichtdicken - Meßgerät, ein Funktelefon Marke Hirschmann und einen gebrauchten EDV-Bildschirm im Gesamtwert von etwa 170.000 S durch Einsteigen in das Firmengebäude und

2. am 2. März 1996 Verfügungsberechtigten des Gemeindeamtes einen Bargeldbetrag von 4.450,-- S sowie eine Gaspistole, ein Schraubenzieherset, eine Beschriftungsmaschine, ein Schnurlostelefon, zwei Radiogeräte sowie ein Diktier- und ein Abspielgerät im Gesamtwert von 23.464,-- S durch Einsteigen in das Gebäude;

B. am 8. Februar 1996 in Salzburg im bewußten und gewollten Zusammenwirken mit einem unbekannt gebliebenen Täter ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, nämlich den PKW des Francesco N*****, ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch genommen, wobei er sich die Gewalt über das Fahrzeug unter Verwendung eines gestohlenen Autoschlüssels, also durch eine der in den §§ 129 bis 131 StGB geschilderte Handlungen, verschaffte.

Rechtliche Beurteilung

Gegen das Urteil richtet sich die auf die Z 1, 4, 5, 5 a und 9 lit a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die jedoch unberechtigt ist.

Zunächst reklamiert die Beschwerde die Ausgeschlossenheit des Vorsitzenden Dr. G*****, weil dieser als Journalrichter einen mündlichen Haftbefehl gegen den zu diesem Zeitpunkt im gegenständlichen Strafverfahren der Beteiligung an den dem Angeklagten zur Last gelegten Vermögensdelikten verdächtigten Klaus L***** erlassen hat.

Sie übersieht dabei allerdings, daß prozessuale Voraussetzung für die Geltendmachung dieses Nichtigkeitsgrundes ist, daß der Beschwerdeführer den hier herangezogenen, Nichtigkeit begründenden Umstand gleich bei Beginn der Hauptverhandlung oder sofort, nachdem er ihm bekannt geworden ist, rügt. Diese Voraussetzung liegt fallbezogen nicht vor, weil dem Verteidiger seit 3.April 1996, somit vor dem Beginn der ersten, am 10.Juni 1996 durchgeführten Hauptverhandlung eine Aktenkopie (jedenfalls bis einschließlich ON 14) zur Verfügung stand (1 f iVm 28 ff/III), bereits in der - in der Hauptverhandlung am 29. Juli 1996 verlesenen (60/III) - Anzeige des Landesgendarmeriekommandos für Salzburg (ON 5) angeführt ist, daß der spätere Vorsitzende des Schöffensenates Dr. G***** einen Haftbefehl gegen Klaus L***** erlassen hat und die Person des Vorsitzenden den mit dessen Namen versehenen, dem Verteidiger jeweils zugestellten Ladungen zu den Hauptverhandlungen am 10. Juni und 29. Juli 1996 (1 n bis 1 o verso) zu entnehmen war. Hinzu kommt, daß der Verteidiger nach Verkündung des Beschlusses auf Vertagung der Hauptverhandlung vom 10. Juni 1996 die Übermittlung einer gleichfalls den Namen des Vorsitzenden des Schöffensenates ausweisenden "Protokollabschrift" beantragt hat (17, 33/III). Damit war aber dem Beschwerdeführer der die relevierte Nichtigkeit begründende Umstand bekannt, weshalb die erst in der Nichtigkeitsbeschwerde erfolgte Rüge verspätet ist.

Die in diesem Zusammenhang von der Generalprokuratur in der Stellungnahme zur Nichtigkeitsbeschwerde vertretene Auffassung, es sei bei der Frage der Rechtzeitigkeit der Rüge auf die tatsächliche Kenntnis und nicht auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme abzustellen, weshalb - der (bloßen) nicht widerlegbaren Behauptung des Beschwerdeführers folgend, der Ausschlußgrund sei "nunmehr" festgestellt worden - vom Fehlen der prozessualen Voraussetzungen für die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes keine Rede sein könne, kann somit nicht gefolgt werden, weil bei Beurteilung der in Rede stehenden formellen Prämissen - soll die normierte Rügepflicht nicht gänzlich unterlaufen werden - auf objektive Kriterien, nämlich im gegebenen Konnex auf die Zugänglichkeit des relevanten Tatsachensubstrats (in diesem Sinn SSt 48/74, EvBl 1991/146), nicht aber auf das darauf basierende individuell unterschiedliche, letztlich unüberprüfbare Erfassen der sich daraus ergebenden rechtlichen Konsequenzen abzustellen ist.

In der Verfahrensrüge (Z 4) erachtet sich der Beschwerdeführer durch die Abweisung seines Antrages auf Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Orthopädie in seinen Verteidigungsrechten verletzt; dies indes zu Unrecht. Es fehlen nämlich für die Geltendmachung des Nichtigkeitsgrundes schon die formalen Voraussetzungen (§§ 125, 126 StPO). Zu dem genannten Beweisthema hat sich nämlich bereits der Sachverständige Dr. S***** gutächtlich geäußert (ON 40), sodaß ein weiteres Sachverständigengutachten erst dann in Erwägung zu ziehen wäre, wenn sich Widersprüche oder Mängel ergeben, die auch durch eine nochmalige Vernehmung des Sachverständigen nicht ausgeräumt werden können. Auch davon ist bei der gegebenen Konstellation keine Rede.

Soweit der Beschwerdeführer im Rahmen der Mängelrüge (Z 5) einzelne Passagen aus den Aussagen der vor dem erkennenden Gericht vernommenen Zeugen herauslöst und deren Beweiswert untersucht, zeigt er keinen Begründungsmangel in der Bedeutung dieses Nichtigkeitsgrundes auf, sondern bekämpft damit in Wahrheit auf eine im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Weise die Beweiswürdigung der erkennenden Richter nach Art einer Schuldberufung.

Schließlich verkennt er die Bedeutung des Nichtigkeitsgrundes auch unter dem Aspekt einer Aktenwidrigkeit, die (nur) dann vorliegt, wenn zwischen den Angaben der Entscheidungsgründe über den Inhalt einer bei den Akten befindlichen Urkunde oder über eine gerichtliche Aussage oder dem Vernehmungs- oder Sitzungsprotokoll selbst ein erheblicher Widerspruch besteht. Mit der Behauptung aber, es gäbe für eine Tatsachenfeststellung keinen Beweis, ist dieser Nichtigkeitsgrund nicht dargetan.

Rückgreifend auf die Ausführungen zur Mängelrüge stellt der Beschwerdeführer seine Tatsachenrüge (Z 5 a) dar; er vermag damit allerdings keine erheblichen Bedenken gegen die dem Schuldspruch zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen zu wecken.

Bei der Rechtsrüge (Z 9 lit a), in welcher Feststellungsmängel zur subjektiven Tatseite sowohl beim Diebstahl als auch beim unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen behauptet werden, übersieht der Beschwerdeführer, daß Spruch und Gründe des Urteils eine Einheit darstellen, sodaß bei der gebotenen Gesamtschau im angefochtenen Urteil sowohl der Vorsatz unrechtmäßiger Bereicherung als auch der unbefugte Gebrauchsvorsatz hinlänglich festgestellt - und im übrigen auch mit den Denkgesetzen in Einklang stehend begründet - wurde.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen. Die Entscheidung über die Berufung kommt demnach dem Gerichtshof zweiter Instanz zu (§ 285 i StPO).

Die Kostenentscheidung ist im § 390 a StPO begründet.

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