OGH 4Ob2308/96g

OGH4Ob2308/96g29.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes HonProf.Dr.Gamerith als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kodek und Dr.Niederreiter sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Dr.Griß und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei I***** Gesellschaft mbH, ***** vertreten durch Dr.Hans H. Schallaböck, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Herbert S*****, vertreten durch Dr.Maximilian Sampl, Rechtsanwalt in Schladming, wegen S 1,458.100,32 sA, infolge Revision der Klägerin gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 26.März 1996, GZ 5 R 92/96f-25, mit dem das Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 2.Oktober 1995, GZ 5 Cg 242/94s-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit S 23.967,-- bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung (darin S 3.994,50 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Beklagte ist Geschäftsführer der L***** Gesellschaft mbH mit Sitz in S*****. Das Unternehmen wurde 1988 mit einem Stammkapital von S 2,000.000,-- gegründet. Bis zum 29.11.1991 waren an der Gesellschaft der Beklagte zu 25 % und die niederländische Muttergesellschaft L***** BV zu 75 % beteiligt. Gegenstand des Unternehmens war (ua) die Ausübung des Gewerbes zur Behandlung von Oberflächen von Werkstoffen aller Art und der Vertrieb sämtlicher Produkte der L***** BV in Österreich, der Schweiz und in den osteuropäischen Staaten. Neben dem Beklagten war auch Jacob van L***** als Gesellschafter der L***** BV Geschäftsführer der L***** Gesellschaft mbH; beide Geschäftsführer waren alleinvertretungsbefugt.

Mitte der 80-iger Jahre entstand zwischen der Klägerin und der L***** BV eine Geschäftsbeziehung. Die Klägerin vertrat die L***** BV in Österreich und in einigen osteuropäischen Staaten. 1990 entschloß sich die L***** BV, in Zukunft entweder eigene Niederlassungen zu gründen oder mit den bisherigen Vertriebspartnern gemeinsame Vertriebsgesellschaften zu errichten. Die L***** BV bot der Klägerin an, ihre Geschäftsanteile an der L***** Gesellschaft mbH abzutreten. In S***** sollte die gesamte Dienstleistungssparte, die Erzeugung der kleinen Maschinen der L***** BV und die Geschäftsführung für Österreich angesiedelt werden. Der Vertrieb sollte am Sitz der Klägerin in Wien abgewickelt werden. An diesem Gespräch zwischen den Vertretern der L***** BV und der Klägerin nahm auch der Beklagte teil.

Am 14.5.1991 sollte es zu einem weiteren Gespräch in S***** kommen, das jedoch nicht stattfand, weil der Beklagte verhindert war. Der Geschäftsführer der Klägerin besichtigte mit Jacob van L***** das Firmengelände der L***** Gesellschaft mbH. Die Anlagen wurden nicht im Detail erläutert.

Am 14.6.1991 übermittelte die L***** BV der Klägerin Unterlagen zu den Unternehmenskennzahlen der L***** Gesellschaft mbH einschließlich einer voraussichtlichen Gewinn- und Verlustrechnung für den Zeitraum 1.5. bis 31.12.1991, den strategischen Plan der L***** Gesellschaft mbH für 1991 bis 1993, Informationen zu den Investitionssubventionen, Grundzüge des Lizenzvertrages zwischen der L***** Gesellschaft mbH und der L***** BV sowie Grundzüge des Finanzvertrages mit der Sparkasse. Aus den Unterlagen ergab sich für 1989 ein Gewinn von S 851.416,--; für 1990 ein Gewinn von S 1,543.501,--. Das Jahresergebnis zum 30.4.1991 betrug DFL (= holländische Gulden) 208.763,--; für den Rest des Jahres 1991 DFL 380.000,-- nach Steuern. Der strategische Plan für 1990 sah umfangreiche Investitionen vor. Für 1991 bis 1993 wurden Gewinne von DFL 590.000,--, DFL 970.000,-- und DFL 1,650.000,-- vor Steuern kalkuliert. In den Erläuterungen führte die L***** BV dazu aus, daß per Juni 1991 für 1991 keine bedeutenden Abweichungen erwartet würden. Der Beklagte sollte für die österreichische Organisation insgesamt verantwortlich sein.

Ende August 1991 kam es zu einem Gespräch zwischen dem Geschäftsführer der Klägerin und den beiden Geschäftsführern der L***** Gesellschaft mbH. Es wurden organisatorische Fragen und jedenfalls der strategische Plan der L***** Gesellschaft mbH besprochen. Beide Seiten zeigten sich an einer Beteiligung der Klägerin an der L***** Gesellschaft mbH interessiert.

Am 4.9.1991 wurden die organisatorischen Belange in W***** im Detail besprochen. Die L***** BV beabsichtigte ua, bei der L***** Gesellschaft mbH in S***** ein Managementteam mit dem Beklagten als general manager und einem noch zu bestellenden Verkaufsmanager einzurichten. Die Klägerin sollte sich an der L***** Gesellschaft mbH im Zuge einer Kapitalerhöhung durch Übernahme von Anteilen der L***** BV und des Beklagten beteiligen. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, ob schon bei diesem Gespräch über ein Agio gesprochen wurde.

Am 10.9.1991 faßte die L***** BV in einem Schreiben an die Klägerin die Ergebnisse des Gesprächs vom 4.9.1991 zusammen. Für die Bewertung der L***** Gesellschaft mbH sei wesentlich, daß es nach den Erfahrungen der ersten beiden Jahre einen großen und profitablen Markt für die L***** Ausrüstung an Vakuum-Sandstrahlgeräten und für die Sandstrahlaktivitäten einen interessanten Markt gebe. Die neue Fabrik sei für ein Jahr ausgebucht. Die Maschinen der L***** Gesellschaft mbH würden zum Großteil von den Konzernbetrieben der L***** BV verkauft; beide besäßen Verkaufskontakte mit Osteuropa.

In einem weiteren Gespräch am 12.9.1991 in W*****, an dem der Beklagte, Jacob van L*****, der Finanzreferent der L***** BV C.H.L. van der L***** auf der einen Seite und der Geschäftsführer der Klägerin auf der anderen Seite teilnahmen, einigten sich die Verhandlungspartner auf eine Beteiligung der Klägerin an der L***** Gesellschaft mbH. Das Kapital der L***** Gesellschaft mbH sollte von S 2,000.000,-- auf S 9,000.000,-- erhöht werden; der Beklagte sollte 7,5 % seiner Geschäftsanteile und die L***** BV 25 % ihrer Geschäftsanteile an die Klägerin "abtreten". In der Folge sollten die Klägerin mit 32,5 %, der Beklagte mit 17,5 % und die L***** BV mit 50 % an der L***** Gesellschaft mbH beteiligt sein. Die Klägerin sollte zusätzlich zur Stammeinlage von S 2,925.000,-- ein Agio von S 1,475.000,-- zahlen. Damit sollte die Klägerin ihre Beteiligung an den erwarteten Erträgen abgelten. Durch die Inbetriebnahme von zwei neuen Werkshallen sollte 1991 ein Gewinn von S 1,650.000,-- erwirtschaftet werden; die Hallen sollten bis 1.5.1991 fertig sein und S 10,500.000,-- kosten. In den der Klägerin übergebenen Unterlagen wurden die Geschäftsaussichten der L***** Gesellschaft mbH sehr positiv beurteilt.

Das Erstgericht konnte nicht feststellen, daß sich der Beklagte besonders aktiv an den Verhandlungen beteiligt und für die Entrichtung eines Agios eingetreten wäre. Dem Beklagten war aber der Inhalt der Unterlagen bekannt, die die Klägerin erhalten hatte.

Die Errichtung der Hallen verzögerte sich; die Hallen wurden erst am 15.10.1991 und am 1.12.1991 fertiggestellt; die Produktion lief etwa Mitte September 1991 an. Durch die Verzögerungen erhöhten sich die Baukosten auf S 13,100.000,--. Ein Auftrag der L***** BV konnte nicht zeitgerecht erfüllt werden, woraus sich beträchtliche Einbußen in der ordentlichen Geschäftstätigkeit der L***** Gesellschaft mbH ergaben. Am 2.11.1991 gab es eine Eröffnungsfeier. Der Geschäftsführer der Klägerin war eingeladen, nahm aber an der Eröffnungsfeier nicht teil.

Die Vereinbarung vom 12.9.1991 wurde am 29.11.1991 in einer außerordentlichen Generalversammlung der L***** Gesellschaft mbH in W***** umgesetzt. Die L***** BV übernahm S 4,500.000,-- des auf S 9,000.000,-- erhöhten Stammkapitals, der Beklagte S 1,575.000,-- und die Klägerin S 2,925.000,--. Die Klägerin zahlte überdies ein Agio von S 1,475.000,--. Das Agio wurde als gebundene Kapitalrücklage eingestellt. Der Beklagte finanzierte die Aufstockung seiner Stammeinlage um S 1,075.000,-- durch ein Darlehen der Sparkasse S*****. Das Darlehen wurde auf der Wohnung der Ehegattin des Beklagten hypothekarisch sichergestellt.

Im September 1991 war dem Beklagten bekannt, daß sich der Hallenbau verzögerte. Damit war ihm bewußt, daß sich der strategische Plan nicht mehr verwirklichen ließ. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, ob der Beklagte bei den Verhandlungen über die Beteiligung der Klägerin wußte, daß die Ertragslage der L***** Gesellschaft mbH nicht mehr den Erwartungen entsprach. Im November 1991 wußte der Beklagte jedenfalls, daß die L***** Gesellschaft mbH 1991 keinen Gewinn erwirtschaften werde. Der Beklagte teilte dies der Klägerin nicht mit. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, daß die Klägerin von den Bauverzögerungen wußte; die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Verzögerungen waren ihr nicht bekannt.

Im Februar 1992 erkundigte sich der Geschäftsführer der Klägerin beim Beklagten nach dem Geschäftsverlauf. Er ersuchte den Beklagten, die Abweichungen zwischen Ist und Soll bei der Errichtung der neuen Hallen darzustellen. Am 21.4.1992 schickte der Beklagte der Klägerin eine Übersicht, in der er dem Fertigstellungstermin 1.5.1991, den Gesamtkosten von S 10,500.000,-- und dem Gewinn von S 1,650.000,--, wovon in den Verhandlungen ausgegangen worden war, die Fertigstellungstermine 15.10.1991 und 1.12.1991, Baukosten von S 13,100.000,-- und die durch die Bauverzögerungen entstandene Umsatzminderung von S 5,500.000,--, aus der sich ein Verlust von S 4,000.000,-- ergab, gegenüberstellte.

Am 29.4.1992 ersuchte die Klägerin die Geschäftsführung der L***** Gesellschaft mbH, als Punkt 1. der Tagesordnung der für die Feststellung der Bilanz 1991 bestimmten Generalversammlung den Antrag der Klägerin zu behandeln, daß die Generalversammlung beschließen möge, der Klägerin das Agio von S 1,475.000,-- innerhalb von 14 Tagen zurückzuzahlen. Die Voraussetzungen für die Zahlung eines Agios seien nicht eingetreten; dies habe der Geschäftsführung der L***** Gesellschaft mbH jedenfalls am 29.11.1991 bekannt sein müssen. Sollte die Generalversammlung nicht bis zum 15.5.1992 einberufen werden, werde die Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung beantragt.

In der Folge wurde mehrmals versucht, eine Generalversammlung einzuberufen. Jacob van L***** war jedoch jedesmal verhindert.

Die Sparkasse S***** erfuhr bereits im Februar 1992, daß sich die L***** BV in finanziellen Schwierigkeiten befand und ihre Zahlungen nicht mehr fristgerecht leistete. Die Sparkasse sperrte daraufhin der L***** Gesellschaft mbH den Kontokorrentkredit. Die offenen Forderungen der L***** Gesellschaft mbH gegen die L***** BV betrugen zu diesem Zeitpunkt rund S 2,700.000,--. Im Herbst 1991 hatte Jacob van L***** für die L***** Gesellschaft mbH bei der L***** BV Maschinen im Wert von rund S 4,000.000,-- bestellt. Die bezahlten Maschinen konnten in der Folge nicht verkauft werden und mußten auf Lager genommen werden. 1991 entfielen rund 60 % des Umsatzes der L***** Gesellschaft mbH auf die Geschäftsverbindung mit der L*****

BV.

Der Geschäftsführer der Klägerin bedrängte den Beklagten wegen der Rückzahlung des Agios. Da die Klägerin behauptete, falsche Unterlagen erhalten zu haben, ließ sich der Beklagte von der L***** BV jene Unterlagen schicken, die die Klägerin am 14.6.1991 erhalten hatte.

Der Beklagte setzte sich mit der P***** Gesellschaft mbH in M***** in Verbindung, von der ihm seinerzeit zugesagt worden war, daß sie ihm bei Schwierigkeiten helfen würde. Am 11.7.1992 wurde vereinbart, daß die P***** Gesellschaft mbH die Geschäftsanteile der L***** BV übernehmen solle, über deren Vermögen mittlerweile das Konkursverfahren eröffnet worden war. Da die Klägerin aufgriffsberechtigt war, mußte deren Zustimmung eingeholt werden.

Am 13.7.1992 fand ein Gespräch in M***** statt, an dem Vertreter der Sparkasse S*****, der Geschäftsführer der Klägerin und der Beklagte teilnahmen. Die Klägerin machte den Verzicht auf ihr Aufgriffsrecht davon abhängig, daß der Beklagte folgende Erklärung unterfertigte:

"Ich, Herbert St*****, Gesellschafter und Geschäftsführer der L***** Gesellschaft mbH, *****, geboren am *****, Kaufmann, bestätige hiermit, daß der Inhalt des Schreibens des Gesellschafters I*****gesellschaft mbH, ***** vom 29.4.1992 'Agio' in vollem Umfang zutrifft.

Für die Rückzahlung des Agios bis spätestens 30.11.1993 in Höhe von S 1,475.000,-- zuzüglich 1 % Zinsen p.m. übernehme ich die uneingeschränkte, persönliche Haftung als Bürge und Zahler.

Ich erkläre hiermit unwiderruflich, auf sämtliche Einwendungen aus dem Grundgeschäft zu verzichten."

Der Beklagte sah keine andere Möglichkeit, als die Erklärung zu unterschreiben. Hätte die Klägerin nicht auf ihr Aufgriffsrecht verzichtet und der L***** Gesellschaft mbH nicht gleichzeitig neue Geldmittel zugeführt, hätte die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der L***** Gesellschaft mbH angemeldet werden müssen.

Der Geschäftsführer der Klägerin schlug vor, die Geschäftsanteile durch die S***** AG (S*****) bewerten zu lassen. Die Sparkasse S***** erteilte mit Schreiben vom 10.8.1992 den Bewertungsauftrag. Die S***** führte Erhebungen im Betrieb der L***** Gesellschaft mbH durch; maßgebliche Auskunftsperson war der Beklagte. Nach Erörterung mit dem Beklagten wurde das Agio wegen der drohenden Rückzahlungspflicht aus dem Eigenkapital herausgenommen und als Fremdkapital unter dem Titel Rückstellung ausgewiesen. Im September 1992 hatte die S***** das Gutachten fertiggestellt. Sie hielt darin fest, daß die L***** Gesellschaft mbH 1991 schwere Verluste erlitten habe. Die S***** habe den Eindruck, daß die Umsatzerwartungen von Anfang an überhöht gewesen seien. Selbst unter Auflösung stiller Reserven sei das Unternehmen zum 31.12.1991 bei Ansetzung der Liquidationswerte mit S 14,150.000,-- überschuldet gewesen. Zum 31.12.1991 seien die Geschäftsanteile wertlos gewesen.

In der Generalversammlung der L***** Gesellschaft mbH am 21.10.1992 hielt der Beklagte in seinem Bericht fest, daß 1991 durch den verspäteten Arbeitsbeginn in den neuen Hallen hohe Verluste entstanden seien und daß die tatsächlichen Baukosten S 14,000.000,-- betrügen. Dem Geschäftsführer der Klägerin sei jedoch rechtsverbindlich zugesichert worden, daß die Baukosten S 10,500.000,-- nicht übersteigen würden. Das Agio von S 1,475.000,-- sei als rückgestelltes Kapital ausgewiesen worden. Der Beklagte und die Klägerin stimmten der Bilanz zu, der Vertreter der L***** BV verweigerte auf Weisung des Masseverwalters die Zustimmung. Die Bilanz konnte daher nicht festgestellt werden; die Geschäftsführer wurden nicht entlastet.

Der Beklagte ist seit 3.3.1993 allein Geschäftsführer der L***** Gesellschaft mbH. Am 1.4.1993 trat die Klägerin der P***** Gesellschaft mbH ihre Geschäftsanteile an der L***** Gesellschaft mbH ab. Sie erhielt dafür S 1,600.000,--. Gemäß Punkt 4 des Notariatsaktes sollte die Übernehmerin "den gegenständlichen Geschäftsanteil mit allen Rechten und Pflichten, die der abtretenden Gesellschafterin der Gesellschaft sowie den Mitgesellschaftern gegenüber zustehen bzw. obliegen" erwerben; nach Punkt 6 sollten "alle mit dem gegenständlichen Geschäftsanteil verbundenen Rechte und Verbindlichkeiten mit heutigem Tage auf die Übernehmerin" übergehen. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, ob der Notariatsakt mit diesem Inhalt unterschrieben wurde.

Am 1.12.1993 forderte die Klägerin den Beklagten "als Bürge und Zahler" auf, das Agio zurückzuzahlen. Am 25.1.1994 wurde beim Landesgericht Leoben über das Vermögen der L***** Gesellschaft mbH das Ausgleichsverfahren eröffnet. Im folgenden Anschlußkonkurs wurde ein Zwangsausgleich geschlossen.

Die Klägerin begehrt S 1,458.100,32 sA.

Der Beklagte habe als Geschäftsführer der L***** Gesellschaft mbH von der schlechten Ertragslage des Unternehmens wissen müssen. Er hafte als Geschäftsführer wegen pflichtwidriger Verletzung seiner vertraglichen Aufklärungs- und Sorgfaltspflicht. Für ihn sei erkennbar gewesen, daß die Geschäftsgrundlage für ein Agio nicht bestanden habe. Er habe die Klägerin irregeführt und sei arglistig vorgegangen. Der Beklagte hafte auch aufgrund seiner Erklärung, mit der er sich für die Rückzahlung des Agios verbürgt habe. Die Forderung werde auf jeden erdenklichen Rechtsgrund gestützt, insbesondere auf das Anerkenntnis des Beklagten. Die Klägerin habe vom Agio Gegenforderungen der L***** Gesellschaft mbH von S 356.179,68 für Warenlieferungen abgezogen und gleichzeitig 12 % Zinsen für die Zeit vom 1.1.1992 bis 30.11.1993 (S 339.250,--) hinzugerechnet.

Der Beklagte beantragt, das Klagebegehren abzuweisen.

Der Beklagte sei in die Verhandlungen über die Beteiligung der Klägerin an der L***** Gesellschaft mbH nicht einbezogen gewesen. Er habe von den finanziellen Schwierigkeiten der L***** Gesellschaft mbH und denen ihrer Muttergesellschaft nichts gewußt. Die Bürgschaftsverpflichtung sei unwirksam, weil keine Hauptschuld bestehe. Sie sei auch nichtig, weil der Geschäftsführer der Klägerin gedroht habe, andernfalls den Beklagten finanziell zu ruinieren. Die Klägerin sei nicht aktiv legitimiert, weil sie die Geschäftsanteile mit allen Rechten und Pflichten abgetreten habe.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Die Klägerin sei trotz der Abtretung aktiv legitimiert, weil die hier geltend gemachten Ansprüche davon nicht berührt würden. Sie stütze ihre Ansprüche auf culpa in contrahendo. Das Verfahren habe nicht ergeben, daß der Beklagte an den Beteiligungsverhandlungen gestaltend mitgewirkt habe. Er habe das Agio auch nicht gefordert.

Der Beklagte habe jedoch jedenfalls im November 1991 gewußt, daß die L***** Gesellschaft mbH 1991 keinen Gewinn erwirtschaften würde; er habe die Klägerin jedoch nicht informiert. Beteilige sich ein Dritter im Zuge einer Kapitalerhöhung an einer Gesellschaft mbH, so folge seine Verpflichtung zur Leistung der Stammeinlage und eines allfälligen Agios aus dem Übernahmevertrag, dessen Partner der übernehmende Dritte und die Gesellschaft seien. Der Geschäftsführer der das Kapital erhöhenden Gesellschaft werde grundsätzlich als deren Vertreter tätig.

Schon mit Beginn der Verhandlungen sei zwischen der L***** Gesellschaft mbH, der L***** BV und der Klägerin ein vorvertragliches Schuldverhältnis entstanden. Jeder Vertragsteil sei verpflichtet gewesen, die anderen über für sie wesentliche Umstände aufzuklären. Die Klägerin habe erwarten dürfen, informiert zu werden, daß das tatsächliche wirtschaftliche Ergebnis der L***** Gesellschaft mbH den Erwartungen nicht entsprach, die den Verhandlungen zugrunde gelegt worden waren.

Für die Verletzung vorvertraglicher Aufklärungspflichten durch einen Vertreter hafte der Vertretene. Die Verletzung der Aufklärungspflichten sei dann (auch) dem Vertreter zuzurechnen, wenn er ein erhebliches und unmittelbares eigenwirtschaftliches Interesse am Zustandekommen des Vertrages habe oder wenn er bei den Vertragsverhandlungen in besonderem Maß persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und die Vertragsverhandlungen dadurch beeinflußt habe. Der Beklagte habe die Vertragsverhandlungen nicht wesentlich beeinflußt. Sein Anteil habe nur 25 % betragen; der Geschäftsführer hafte aufgrund eigenwirtschaftlichen Interesses nur, wenn er allein oder zumindest überwiegend an der Gesellschaft mbH beteiligt sei. Die Klägerin habe nicht dargetan, worin ein über die Kapitalverflechtung hinausgehendes eigenständiges Interesse des Beklagten am Zustandekommen des Beteiligungsvertrages bestehen solle. Der Beklagte habe im November 1991 nicht erkannt, daß sich das Geschäftsergebnis derart negativ entwickeln würde. Der Beklagte habe auch nicht deshalb ein unmittelbares Interesse am Abschluß des Beteiligungsvertrages gehabt, weil er den Wert seiner Geschäftsanteile erhalten habe wollen.

Der Beklagte hafte daher nicht aus culpa in contrahendo. Es bedürfe einer massiven wirtschaftlichen Einbindung des Gehilfen in das Rechtsgeschäft oder einer außergewöhnlichen Rückwirkung des Rechtsgeschäfts auf die Position des Gehilfen, damit seine Stellung als der des Geschäftsherrn gleichwertig angesehen werde könne. Anhaltspunkte für eine deliktische Haftung des Beklagten lägen nicht vor.

Der Beklagte hafte auch nicht als Bürge. Er habe sich nicht verbürgen können, weil keine Hauptschuld bestehe. Das Agio sei Teil des Vermögens der Gesellschaft; die Rückzahlung verstieße gegen § 82 Abs 1 GmbHG. Ob der Einwendungsausschluß wirksam sei, müsse nicht geklärt werden, weil die Erklärung durch widerrechtlichen Zwang zustandegekommen und daher nichtig sei.

Das Berufungsgericht bestätigte die Entscheidung des Erstgerichtes. Es sprach aus, daß die ordentliche Revision zulässig sei.

Die Klägerin habe kein besonderes Vertrauen in den Beklagten gesetzt. Dafür reiche das Vertrauen nicht aus, das jedermann seinem Vertrags- oder Verhandlungspartner entgegenbringe. Die Haftung sei aber gerechtfertigt, wenn besondere Umstände vorlägen, die unter anderem in der persönlichen Zuverlässigkeit des Vertreters oder in seiner Einflußmöglichkeit auf die Vertragsabwicklung, vor allem aber in einer Zahlungszusage liegen könnten. Der Beklagte habe bei den Vertragsverhandlungen nicht in besonderem Maß persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und die Verhandlungen dadurch beeinflußt. Die Klägerin sei bereits vorher mit der Muttergesellschaft der L***** Gesellschaft mbH in Geschäftsverbindung gestanden; sie habe von dieser die Unterlagen erhalten, welche für sie die Grundlage für die Vereinbarung des Agios gewesen seien. Der Beklagte sei auch nicht der alleinige Gesprächspartner gewesen.

Ein eigenwirtschaftliches Interesse des Beklagten habe die Klägerin in erster Instanz nicht mit jenen Umständen behauptet, die sie in der Berufung anführe. Der Beklagte hafte auch nicht deliktisch. Für bloße Vermögensschäden werde aufgrund fahrlässigen irreführenden Verhaltens nicht gehaftet. Eine Schutzgesetzverletzung habe die Klägerin nicht behauptet; vorsätzliche Irreführung scheide nach dem festgestellten Sachverhalt aus.

Die vom Beklagten unterfertigte Erklärung sei ein konstitutives Anerkenntnis. Die falsche Bezeichnung schade nicht. Das Anerkenntnis sei aber wegen des von der Klägerin ausgeübten Zwanges unwirksam.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Die Klägerin stützt ihren Anspruch im Revisionsverfahren nur noch auf die Haftung des Beklagten aus culpa in contrahendo als Geschäftsführer der L***** Gesellschaft mbH, die sie aus dessen Beteiligung am Unternehmen ableitet. Der Beklagte sei Geschäftsführer und general manager geblieben und habe sich an der Kapitalerhöhung beteiligt. Hätte sich die Klägerin nicht beteiligt, wäre es zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gekommen. Der Beklagte hätte seine Existenzgrundlage verloren; sein Stammanteil wäre wertlos gewesen. Er habe sich mit dem Unternehmen, das auch seinen Namen trage, voll identifiziert. Nach dem Gesellschaftsvertrag habe er ein Aufgriffsrecht besessen. Auch bei geringerer Beteiligung sei unter solchen Umständen ein eigenwirtschaftliches Interesse gegeben.

Die Haftung des Geschäftsführers aus culpa in contrahendo setzt voraus, daß für die Gesellschaft eine Aufklärungspflicht bestand und daß die Verletzung dieser Aufklärungspflicht dem Vertreter zugerechnet werden darf. Die Verletzung vorvertraglicher Pflichten durch einen Vertreter oder Vertragsgehilfen ist im allgemeinen der Partei zuzurechnen, für die er tätig wird (SZ 52/22 mwN). Der Vertreter haftet nur unter besonderen Voraussetzungen.

Die Haftung des Vertreters wegen Verletzung der Aufklärungspflicht

setzt voraus, daß er ein erhebliches und unmittelbares

eigenwirtschaftliches Interesse am Zustandekommen des Vertrages hat

oder daß er bei Vertragsverhandlungen im besonderen Maß persönliches

Vertrauen in Anspruch genommen und die Vertragsverhandlungen dadurch

beeinflußt hat (Koziol/Welser10 I 207 mwN; SZ 57/37 = JBl 1986, 49 =

EvBl 1984/111 = RdW 1984, 275; SZ 62/160 = ecolex 1990, 289 = JBl

1990, 322 [P. Bydlinski] = ÖBA 1990, 554 [Apathy] = RdW 1990, 251

jeweils mwN; s auch SZ 56/135).

Zum eigenwirtschaftlichen Interesse wird hervorgehoben, daß es sich um ein ausgeprägtes wirtschaftliches Interesse des Vertreters handeln muß, das der Vertreter gerade im Verhältnis zum Gegenkontrahenten verfolgt und das daher mit einem bloßen Entgeltanspruch aus dem Innenverhältnis zum Vertretenen nicht gleichzusetzen ist (Welser, Vertretung ohne Vollmacht 102; s auch SZ 56/135; 5 Ob 506/96). Die Lehre und die (deutsche) Rechtsprechung haben ein eigenwirtschaftliches Interesse aufgrund einer Beteiligung dann angenommen, wenn der Vertreter allein oder zumindest überwiegend an der Gesellschaft mbH beteiligt war (s Günther Roth, Haftungsbeschränkung kontra Gläubigerschutz bei Überschuldung der GmbH, GesRZ 1985, 1 [3] mwN). Dellinger (Quo vadis Kridahaftung?, ecolex 1990, 341 [344]; s auch ders., Vorstands- und Geschäftsführerhaftung im Insolvenzfall 156 ff; ders, Noch einmal:

Quo vadis Kridahaftung?, WBl 1994, 44 [46]) verweist darauf, daß ein erhebliches unmittelbares wirtschaftliches Eigeninteresse nach nunmehr gefestigter deutscher Rechtsprechung und Lehre selbst durch die Stellung als Alleingesellschafter noch nicht begründet wird. Das Interesse des Einmanngesellschafters sei keinesfalls direkter als das eines Arbeitnehmers der Gesellschaft, der um seinen Arbeitsplatz fürchten müsse, oder das eines Handelsvertreters, der an einem Geschäft durch Provisionen mitverdiene.

Nach Karollus (Anm zu ÖBA 1988, 165) spricht zumindest bei einer wesentlichen Gesellschaftsbeteiligung die Interessenlage für eine Haftung des geschäftsführenden Gesellschafters, weil der wirtschaftliche Erfolg nur formell bei der Gesellschaft, materiell aber beim Gesellschafter eintrete. In seiner Abhandlung "Neues zur Konkursverschleppungshaftung und zur Geschäftsführerhaftung aus culpa in contrahendo" (ÖBA 1995, 7 [16]) hält Karollus es trotz der restriktiven Linie des BGH weiterhin für diskutabel, das wirtschaftliche Eigeninteresse aus einer maßgeblichen Gesellschafterstellung abzuleiten.

Der BGH hat das wirtschaftliche Eigeninteresse zunächst weit verstanden und schon allein daraus abgeleitet, daß der Geschäftsführer auch maßgeblich an der Gesellschaft beteiligt war (ua BGHZ 87, 27 mwN). Mit der Entscheidung ZIP 1994, 1103 hat der BGH klargestellt, daß die Beteiligung des Geschäftsführers an der GmbH keine tragfähige Grundlage für seine persönliche Haftung ist. Ein haftungsbegründendes wirtschaftliches Eigeninteresse sei auch für den Fall zu verneinen, daß der Geschäftsführer aus eigenem Vermögen Gesellschaftsschulden besichert hat (s dazu Karollus aaO ÖBA 1995, 15).

Der Oberste Gerichtshof hat das haftungsbegründende wirtschaftliche

Eigeninteresse bei einer Beteiligung von 49 % verneint (SZ 62/160 =

ecolex 1990, 289 = JBl 1990, 322 [P. Bydlinski] = ÖBA 1990, 554

[Apathy] = RdW 1990, 251). Die Entscheidung läßt aber offen, ob das

wirtschaftliche Eigeninteresse unter besonderen Umständen auch bei minderen Beteiligungsverhältnissen gegeben sein kann.

Der Beklagte war im Zeitpunkt der Verhandlungen über die Beteiligung der Klägerin mit 25 % an der L***** Gesellschaft mbH beteiligt. Dieses Beteiligungsverhältnis ist maßgebend, auch wenn der Beklagte ein - nicht ausgenütztes - Aufgriffsrecht besaß und sich mit dem Unternehmen identifizierte. Weder nicht ausgenützte Rechtspositionen noch subjektive Einstellungen vermögen eine so enge Beziehung zwischen Gesellschaft und geschäftsführendem Gesellschafter schaffen, daß es gerechtfertigt wäre, den geschäftsführenden (Minderheits-)Gesellschafter mit der Gesellschaft gleichzusetzen und ihm aufgrund seines eigenwirtschaftlichen Interesses die Verletzung von Aufklärungspflichten anzulasten, für die die Gesellschaft einzustehen hat.

Dem festgestellten Sachverhalt ist auch nicht zu entnehmen, daß der Beklagte mit seinem Privatvermögen Verbindlichkeiten der Gesellschaft besichert hätte; die Eigentumswohnung seiner Ehegattin wurde erst im Zuge der Kapitalerhöhung hypothekarisch belastet, und zwar nicht für Gesellschaftsverbindlichkeiten, sondern für einen Bankkredit, mit dem der Beklagte die Aufstockung seines Geschäftsanteils finanziert hatte. Es steht auch nicht fest, daß die Gesellschaft mbH bereits konkursreif war, als über die Beteiligung der Klägerin verhandelt wurde. Das Erstgericht konnte nicht einmal feststellen, daß dem Beklagten bei den mündlichen Verhandlungen die vor allem wegen der Verzögerungen mit dem Hallenbau nicht den Erwartungen entsprechende Ertragslage der L***** Gesellschaft mbH bekannt gewesen wäre.

Daß der Beklagte als geschäftsführender (Minderheits-)Gesellschafter bei einer Insolvenz der Gesellschaft mbH auch seine Beschäftigung und damit seine (derzeitige) Existenzgrundlage verloren hätte, reicht nicht aus, um seine Haftung zu begründen. Jedem Geschäftsführer droht der Verlust seiner Beschäftigung, wenn das von ihm geführte Unternehmen insolvent wird. Der Geschäftsführer wird daher in jedem Fall ein gewisses eigenwirtschaftliches Interesse haben, daß das Unternehmen bestehen bleibt. Dieses Interesse ist aber kein unmittelbares eigenwirtschaftliches Interesse, weil es sich - anders als das Interesse am wirtschaftlichen Erfolg, der bei einer Mehrheitsbeteiligung nur formell bei der Gesellschaft, materiell aber beim Mehrheitsgesellschafter eintritt - mit dem Interesse der Gesellschaft nicht deckt, sondern daraus abgeleitet wird. Es kann weder für sich allein genommen noch in Verbindung mit einer Minderheitsbeteiligung die Haftung begründen.

Die Revision mußte erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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