Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Miethauses in Wien-Josefstadt. Der Geschäftsführer der Beklagten nahm vom Rechtsvorgänger der Klägerin Geschäftsräumlichkeiten in diesem Haus in Bestand, in welchen die Beklagte ihr Unternehmen betreibt. Die Beklagte, die selbst nicht Mieterin von Bestandobjekten im Haus ist, lagert im Hof des Hauses seit Abschluß des Bestandvertrags mit ihrem Geschäftsführer in unmittelbarer Nähe der Geschäftsräumlichkeiten Kabelrollen ab. Der Rechtsvorgänger der Klägerin erhob, nachdem ihm der Geschäftsführer der Beklagten davon Mitteilung gemacht hatte, gegen diese Nutzung keinen Einwand. Über das Ausmaß der für die Lagerung verwendeten Hoffläche wurde ebensowenig wie über die Dauer der Benützung gesprochen. Der Rechtsvorgänger der Klägerin, der zum Geschäftsführer der Beklagten gute persönliche Kontakte hatte, gestand ihm in der Folge die Benützung der Waschküche für Unternehmenszwecke zu, allerdings gegen Bezahlung eines Benützungsentgelts. Auch als der Geschäftsführer der Beklagten ein Steckschild an der Hausfassade anbringen wollte, wurde die Erteilung der Bewilligung von der Bezahlung eines Entgelts abhängig gemacht.
Mit ihrer am 20.7.1994 beim Erstgericht eingelangten Klage begehrte die Klägerin, die Beklagte schuldig zu erkennen, den Hof des Hauses von Kabelrollen zu räumen und der Klägerin geräumt von den Kabelrollen zu übergeben sowie jede weitere Lagerung von Kabelrollen im Hof zu unterlassen. Die Lagerung der Kabelrollen im Hof erfolge widerrechtlich und ohne Zustimmung der Klägerin. Die Beklagte bezahle für diese Nutzung der Hoffläche weder Zins noch ein sonstiges Entgelt, sodaß eine allfällige Zustimmung des Rechtsvorgängers der Klägerin, deren Vorliegen allerdings bestritten werde, nur prekaristisch habe erfolgt sein können. Vorsichtshalber und unpräjudiziell sei eine allenfalls erteilte Zustimmung zur Lagerung widerrufen worden.
Die Beklagte wendete dagegen ein, anläßlich der Begründung des Mietverhältnisses mit ihrem Geschäftsführer sei mit dem Rechtsvorgänger der Klägerin vereinbart worden, daß Kabelrollen im Hof gelagert werden dürften. Es habe sich um eine Erweiterung der Mietrechte gehandelt, für die kein gesondertes Entgelt bedungen worden sei. Diese Berechtigung komme nicht nur dem Geschäftsführer der Beklagten, sondern auch der Beklagten selbst zugute.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, eine Erweiterung von Mietrechten könne nur dann vermutet werden, wenn das Verhalten der Beteiligten bei Überlegung aller Umstände keinen vernünftigen Grund, daran zu zweifeln, überlasse. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Erweiterung vom Bestandgeber jahrelang widerspruchslos hingenommen worden sei und er nach dem Verhalten des Gebrauchsberechtigten habe annehmen müssen, daß dieser tatsächlich mit der erweiterten Benützung ein Recht in Anspruch nehme. Gerade hiefür habe das Beweisverfahren jedoch keinen Anhaltspunkt geboten. Aus der Aussage des Geschäftsführers der Beklagten ergebe sich nicht die klare Absicht, für die Dauer des Bestandverhältnisses durch Nutzung einer räumlich nicht klar definierten Zone im Hof das Mietrecht zu erweitern. Vielmehr sei der Schluß zu ziehen, daß der Rechtsvorgänger der Klägerin dem Geschäftsführer der Beklagten lediglich aus Gefälligkeit die Möglichkeit eingeräumt habe, Kabelrollen im Hof zu lagern, woraus jedoch klar abzuleiten sei, daß die Gebrauchsüberlassung nur als gegen jederzeitigen Widerruf des Überlassenden erfolgt angesehen werden müsse. Der mangelnde Bindungswille des Verleihers für die Zukunft sei für den Geschäftsführer der Beklagten erkennbar gewesen. Da die Klägerin unbestrittenermaßen die Einräumung der Möglichkeit der Lagerung von Kabelrollen im Hof widerrufen habe, sei die Beklagte zur Räumung und hinkünftigen Unterlassung der Lagerung zu verpflichten gewesen.
Das Berufungsgericht änderte dieses Urteil dahin ab, daß es das Klagebegehren abwies; die ordentliche Revision sei nicht zulässig. Der Hauseigentümer könne nicht unmittelbar gegen Personen mit Räumungs- und Unterlassungsklage vorgehen, die ihr (erweitertes) Benützungsrecht am Bestandobjekt aus dem Recht des Vertragspartners des Hauseigentümers abzuleiten in der Lage seien. Die Räumungsklage sei gegen denjenigen unzulässig, der sein Recht von einem ungekündigten Mieter oder dessen ungekündigter Verlassenschaft herleite. Stehe somit - wie im vorliegenden Fall - fest, daß die Beklagte keinen Bestandvertrag mit der Klägerin oder deren Rechtsvorgänger geschlossen habe, sondern ausschließlich ihr Geschäftsführer, könne ein unmittelbar gegen die Beklagte gerichtetes Räumungs- und Unterlassungsbegehren nicht Erfolg haben.
Der dagegen erhobenen Revision der Klägerin kommt Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Nach ständiger Rechtsprechung setzt eine Klage wegen titelloser Benützung von Räumlichkeiten voraus, daß das Recht des Hauseigentümers, jeden Dritten von einer Benützung auszuschließen, weder durch einen Mietvertrag noch durch eine andere obligatorische Vereinbarung beschränkt ist, aus der der Beklagte seine Rechte mittelbar ableitet. Solange daher ein das freie Eigentumsrecht beschränkendes Rechtsverhältnis aufrecht ist, kann der Vermieter nicht unmittelbar gegen Personen mit Räumungsklage vorgehen, die ihr Benützungsrecht aus dem Recht seines Vertragspartners abzuleiten in der Lage sind und mit dessen Zustimmung das Objekt benützen. Er muß sich vielmehr vor Beendigung dieses Vertragsverhältnisses an seinen Vertragspartner halten (MietSlg 35.035; JBl 1989, 782; RdW 1992, 109). Dies gilt allerdings nur solange, als das die Benützung rechtfertigende Rechtsverhältnis noch besteht (ecolex 1994, 14).
Nach den bisherigen Feststellungen ist dem Erstgericht darin beizupflichten, daß das Recht zur Benützung des Hofes für das Abstellen von Kabelrollen dem Geschäftsführer der Beklagten vom Rechtsvorgänger der Klägerin lediglich prekaristisch eingeräumt wurde. Die freie Widerruflichkeit muß nicht ausdrücklich vereinbart werden, sie kann sich auch aus den Umständen ergeben, so etwa bei Überlassung von Kellerräumlichkeiten aus Gefälligkeit zum Abstellen von Fahrrädern (Schubert in Rummel ABGB2 § 874 Rz 1). Für die freie Widerruflichkeit einer unentgeltlichen Gebrauchsgewährung spricht, daß im allgemeinen niemand ohne entsprechendes Entgelt eine Verpflichtung eingeht, durch die er in der freien Ausübung seines Eigentumsrechts beschränkt wird (MietSlg 25.082). Neben diesem Merkmal der freien Widerruflichkeit ist wesentliches Unterscheidungsmerkmal des Prekariums von der Miete die Unentgeltlichkeit. Besteht keine rechtliche Verpflichtung zur Zahlung oder fällt ein sogenannter Anerkennungszins gegenüber dem Wert der Nutzung nicht ins Gewicht, liegt Prekarium vor (vgl. JBl 1987, 320; SZ 63/31).
Entgegen der Ansicht der Beklagten hat das bisherige Verfahren keinerlei Anhaltspunkt dafür ergeben, daß die Nutzung eines Teils der Hoffläche als Erweiterung der dem Geschäftsführer der Beklagten zustehenden Mietrechte eingeräumt worden wäre. Gerade das sonstige Verhalten des Hauseigentümers, der sowohl für die Nutzung der Waschküche als auch die Anbringung eines Steckschilds an der Fassade ein Entgelt begehrte, rechtfertigt den Schluß, daß er die Lagerung von Kabelrollen im Hof lediglich aus Gefälligkeit und keineswegs in der Absicht, dem Geschäftsführer der Beklagten ein dauerndes Recht einzuräumen, gestattete.
Auch das Prekarium stellt eine obligatorische Vereinbarung dar, aus der Dritte, denen der Prekarist die Nutzung gestattet hat, mittelbar Rechte ableiten können. Mit der Räumungsklage kann der Hauseigentümer daher gegen den Dritten solange nicht durchdringen, als das Prekarium im Verhältnis zu seinem Vertragspartner aufrecht besteht. Insoweit ist der Ansicht des Gerichts zweiter Instanz zwar beizupflichten, es hat jedoch übersehen, daß die Klägerin bereits in der Klage vorgebracht hat, sie habe ein allenfalls bestehendes Prekarium widerrufen. Damit wäre aber gemäß § 974 ABGB das Prekarium erloschen, sodaß die Beklagte, die ihre Rechte aus dieser Vereinbarung zwischen ihrem Geschäftsführer und dem Hauseigentümer abgeleitet hat, infolge der dann titellosen Benützung zur Räumung zu verhalten wäre.
Allerdings ist die Rechtssache in diesem Sinne noch nicht spruchreif, weil weder dem Vorbringen der Klägerin noch den Feststellungen des Erstgerichts entnommen werden kann, wem gegenüber der Widerruf ausgesprochen wurde. Dieser müßte nämlich, um wirksam zu sein, dem Geschäftsführer der Beklagten gegenüber erklärt worden sein. Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren diese Frage mit den Parteien zu erörtern, allenfalls angebotene Beweismittel aufzunehmen und sodann entsprechende Feststellungen zu treffen haben.
Es ist daher der Revision im Sinne einer Aufhebung der Vorentscheidungen Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs.1 ZPO.
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