OGH 8ObA2125/96z

OGH8ObA2125/96z17.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Huber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag und Dr.Rohrer sowie die fachkundigen Laienrichter Dr.Peter Wolf und Gerhard Taucher als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Helmut H*****, vertreten durch Dr.Alexander Diemand, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte Partei D*****-GesmbH, ***** vertreten durch Dr.Hartmut Ramsauer, Dr.Peter Perner, Dr.Christian May, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 143.219,-- sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19.März 1996, GZ 11 Ra 118/95-38, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 20.Juni 1995, GZ 18 Cga 36/94-32, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, daß das erstgerichtliche Urteil wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 35.570,-- (darin S 3.721,-- USt und S 13.250-- Barauslagen) bestimmten Kosten der Verfahren zweiter und dritter Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war vom 13.4.1992 bis 6.12.1993 bei der Beklagten als Druckereihelfer beschäftigt. Am 6.12.1993 hatte der Kläger in der Druckerei Tagschicht von 14,30 Uhr bis 20,15 Uhr. Er war mit zwei weiteren Arbeitskollegen als Helfer dem verantwortlichen Drucker an einer bestimmten Druckmaschine zugeteilt. Der verantwortliche Drucker hatte als direkter Vorgesetzter des Klägers den Eindruck, daß dieser trotz des im Betrieb bestehenden strikten Alkoholverbotes alkoholisiert sei. Der Drucker wollte daher nicht, daß der Kläger an der Maschine arbeite und schickte ihn in den Keller zum sorgenannten Rollenstern, wo das Papier für den Druck der Zeitung bereitgestellt wird. Der Schichtführer erfuhr von anderen Mitarbeitern, daß der Drucker bestimmte Arbeiten der Helfer an der Maschine selbst verrichten müsse, während die Helfer in der Küche säßen. Er begab sich daraufhin in den Keller, wo er den Kläger und andere Druckhelfer beim Rollenstern, in der Nähe der Teeküche, antraf. Der Schichtführer gab den Helfern grob zu verstehen, daß sie "faule Schweine" seien, sie sollten sich zur Druckmaschine "schleichen" und ihre Arbeit machen. Der Kläger und ein weiterer Helfer beschwerten sich in der Folge beim Schichtführer über dessen Ausdrucksweise, worauf dieser dem Kläger sagte, "er solle sich heimschleichen und wiederkommen, wenn er nüchtern sei". Der Kläger erwiderte darauf, daß ihm der Schichtführer "zu wenig sei" und er ihn nicht heimschicken könne. In der Folge entschuldigte sich der Kläger beim Schichtführer. Danach arbeitete der Kläger an der Druckmaschine, um Farbe nachzufüllen. Plötzlich warf er den Farbdeckel lautstark zu, sprang in drohender Haltung von der Maschine aus ca. 1 m Höhe in den ungefähr 1,5 m breiten Gang zwischen den Druckmaschinen auf den ihm vorgesetzten Drucker zu, hielt dabei die Farbspachtel abgewinkelt in Richtung des Druckers und schrie sinngemäß, daß er nichts mehr zu verlieren habe, sollte der Drucker etwas sagen, könnte dies für ihn Folgen haben. Der Kläger stand dabei vor dem Drucker, welcher sich bedroht fühlte und Angst hatte, daß der Kläger mit der Spachtel auf ihn losgehe. Diesen Vorfall teilte der Drucker dem Schichtführer mit, welcher in der Folge nach Rücksprache mit dem Produktionsleiter den Kläger entließ. Dieser weigerte sich allerdings trotz Polizeiintervention, den Betrieb zu verlassen und blieb bis zum Schichtende.

Das Vorliegen einer Alkoholisierung des Klägers konnte das Erstgericht nicht feststellen.

Mit der Behauptung, zu Unrecht entlassen worden zu sein, begehrte der Kläger mit seiner am 4.2.1994 beim Erstgericht eingelangten Klage den der Höhe nach außer Streit stehenden Klagsbetrag aus dem Titel Kündigungsentschädigung, Abfertigung und Urlaubsentschädigung.

Die Beklagte wendete dagegen ein, daß der Kläger während der Tagschicht trotz des bestehenden Alkoholverbotes alkoholisiert gewesen sei, seine Arbeit nicht verrichtet und sich renitent verhalten habe. Den ihm vorgesetzten Drucker habe er mit einer Farbspachtel bedroht.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es traf die eingangs wiedergegebenen Feststellungen, welche es rechtlich dahin würdigte, daß das Verhalten des Klägers unter den Tatbestand der gefährlichen Drohung des § 107 StGB zu subsumieren sei. Er habe dadurch den Entlassungsgrund des § 82 lit g GewO 1859 verwirklicht.

Das Gericht zweiter Instanz änderte mit dem angefochtenen Urteil die erstgerichtliche Entscheidung im klagsstattgebenden Sinne ab. Das festgestellte Verhalten des Klägers gegenüber seinem unmittelbaren Vorgesetzten sei nicht als gefährliche Drohung zu qualifizieren, da er dem Bedrohten keine der im § 74 Z 5 StGB angeführten Übel in Aussicht gestellt habe. Die Drohung sei vielmehr gänzlich unbestimmt gehalten gewesen und es habe ihr nach den Umständen die Eignung gemangelt, den Bedrohten in Furcht und Unruhe zu versetzen. Eine Spachtel stelle "eher keinen zur Zufügung einer Verletzung geeigneten Gegenstand dar", zumal sie der Kläger nur gehalten und nicht in Richtung des Bedrohten gestoßen habe.

Rechtliche Beurteilung

Der Revision der Beklagten kommt Berechtigung zu.

Ob das Verhalten des Klägers als gefährliche Drohung tatbestandsmäßig im Sinne des § 107 StGB war, muß hier nicht abschließend untersucht werden. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes verwirklicht nämlich das Verhalten des Klägers den Entlassungsgrund des § 82 lit g GewO 1859 selbst dann, wenn man ihm die strafgerichtliche Relevanz absprechen wollte. Nach der genannten Gesetzesstelle kann auch der Arbeitnehmer entlassen werden, der sich unter anderem einer groben Ehrenbeleidigung gegenüber einem Vorgesetzten schuldig macht. Der Begriff der "groben Ehrenbeleidigung" stimmt mit jenem der "erheblichen Ehrverletzung" des § 27 Z 6 AngG überein (Kuderna, Entlassungsrecht2, 139). Unter das Tatbestandsmerkmal der Ehrverletzung fallen alle Handlungen und Äußerungen, die geeignet sind, das Ansehen und die soziale Wertschätzung des Betroffenen durch Geringschätzung, Vorwurf einer niedrigen Gesinnung, üble Nachrede, Verspottung oder Beschimpfung herabzusetzen und auf diese Weise das Ehrgefühl des Betroffenen, wenn er davon erfährt, zu verletzen. Zwar sind dies vor allem gegen die Ehre gerichtete strafbare Handlungen im Sinne der §§ 111 ff StGB, jedoch können auch nicht strafbare derartige Handlungen tatbestandsmäßig sein (aaO 123). Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung RdW 1986, 349 ausgesprochen, daß der Dienstnehmer, der mit einer Tasche gegen einen Vorgesetzten "aufrieb", sodaß dieser befürchtete, er werde die Tasche auf ihn werfen, und sie schließlich derart auf den Boden schleuderte, daß der gesamte Inhalt herausfiel, ein aggressives Verhalten setzt, das Elemente einer gefährlichen Drohung beinhaltend, jedenfalls eine grobe Ehrenbeleidigung eines Vorgesetzten darstelle. Dieses Verhalten sei geeignet, die Autorität des Vorgesetzten im Betrieb zu untergraben, da der Vorfall von anderen Arbeitnehmern beobachtet worden sei. Der hier zu beurteilende Sachverhalt ist dem eben beschriebenen sehr ähnlich. Der Kläger setzte, offenbar in der irrigen Annahme, der ihm vorgesetzte Drucker hätte den Schichtführer zur Nachschau in den Keller geschickt, ein in hohem Maße aggressives Verhalten, wie es auch in einem Betrieb, in welchem ein "lockerer" Umgangston herrscht, nicht toleriert werden kann, da anderenfalls Ruhe und Ordnung im Betrieb auf Dauer nicht aufrechterhalten werden könnten. Er brachte damit gegenüber seinem Vorgesetzten ein hohes Maß an Geringschätzung zum Ausdruck, was umso schwerer wiegt, als andere Arbeitskollegen den Vorgang beobachteten. Die Beklagte durfte dieses Verhalten schon deshalb mit dem sofortigen Abbruch der Beziehungen des Arbeitsvertrages beantworten, um den Vorgesetzten des Klägers nicht neuerlich solchen Attacken auszusetzen. Mag der Kläger auch über das grobe und möglicherweise ungerechtfertigte vorausgehende Verhalten des Schichtführers verärgert gewesen sein, gab ihm das keinesfalls das Recht, einige Zeit später gegenüber einer dritten Person derart unqualifiziert seinen Unmut kundzutun.

Es war daher in Stattgebung der Revision das erstgerichtliche Urteil wiederherzustellen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO.

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