OGH 6Ob2122/96v

OGH6Ob2122/96v10.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Mag.Engelmaier als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kellner, Dr.Schiemer, Dr.Prückner und Dr.Schenk als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Ing.Günter S*****, vertreten durch Dr.Heinz Kosesnik-Wehrle, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Andreas R*****, vertreten durch Dr.Dieter Böhmdorfer ua Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Widerrufs und Veröffentlichung, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 23.Jänner 1996, GZ 11 R 236/95-24, womit das Urteil des Landesgerichtes St.Pölten vom 29.September 1995, GZ 9 Cg 425/93z-19, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, daß das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig,

1. die von ihr in bezug auf den Kläger in der Sitzung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Y***** vom 4.6.1992 erhobenen Behauptungen, der Kläger habe bei der Ausschreibung der Leistungen "ein wunderschönes Angebot gemacht, 4,600.000 S pauschal und Festpreisgarantie und alles was es noch gibt", in Wahrheit aber bei den Ausschreibungen an die Professionisten weit überhöhte Maße und Mengen ausgeschrieben, so daß nach seinen, des Beklagten, Recherchen insgesamt eine Preisverzerrung um die 20 % herauskomme. Der Kläger habe "natürlich sein Angebot um 106.000 S gekürzt", aber die Einrichtung sei nochmals mit 818.000 S verrechnet worden, "stillschweigend ohne irgendwas und irgendwer in der Gemeinde habe dem Kläger auch 818.000 S für die Einrichtung ausbezahlt," zu unterlassen;

2. die unter Punkt 1. angeführten Behauptungen in der ersten und zweiten auf die Rechtskraft des Urteiles folgenden Sitzung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Y***** zu widerrufen;

3. den Widerruf der von ihm aufgestellten unwahren Behauptungen binnen drei Monaten nach Rechtskraft des Urteiles in einer Ausgabe der Wochenzeitschrift "Neue Niederösterreichische Nachrichten" im redaktionellen Teil mit Fettdrucküberschrift, Fettdruckumrandung und gesperrt geschriebenen Prozeßparteien auf ihre Kosten zu veröffentlichen,

wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen nachstehende Verfahrenskosten zu ersetzen:

an Kosten erster Instanz 77.042,20 S (darin 12.768,70 S Umsatzsteuer und 430 S Barauslagen)

an Kosten des Berufungsverfahrens 29.687,60 S (darin 3.174,60 S Umsatzsteuer und 10.640 S Barauslagen)

an Kosten des Revisionsverfahrens 24.680 S (darin 1.905 S Umsatzsteuer und 13.250 S Barauslagen)

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger stellte das aus dem Spruch ersichtliche Begehren und brachte vor, er sei Geschäftsführer der S***** GesmbH mit dem Sitz in Y*****, welche das Bauvorhaben "Ausbau des B*****hofes" der Gemeinde durchgeführt habe. Der Beklagte habe als Gemeinderat der Freiheitlichen Partei im Gemeinderat der Stadt Y***** die inkriminierten Äußerungen gemacht, welche unwahr und rufschädigend seien. Dieselben Vorwürfe habe der Beklagte auch gegenüber der Wochenzeitung "Neue Niederösterreichische Nachrichten" und in einer Postwurfsendung des Freiheitlichen Gemeindekuriers "Blauer Stachel" aufgestellt.

Der Beklagte wandte ein, Grundlage für die Erörterung des Bauvorhabens im Gemeinderat sei eine dringliche Anfrage des Beklagten gewesen. Die Äußerungen seien im Interesse der Aufklärung aller für die Beurteilung und Entscheidung bei öffentlichen Angelegenheiten gebotenen Umstände im Gemeinderat in Ausübung eines öffentlichen Mandates gefallen und richtig gewesen. Den Beklagten treffe überdies kein Verschulden, er habe die ihm zur Verfügung stehenden Bilanzen ausgewertet und im Gemeinderat die entsprechenden Fragen gestellt.

Folgender Sachverhalt steht fest:

Der Kläger war Geschäftsführer des Vereines Österreichisches Institut ***** (idF Institut) und ist seit 1991 Geschäftsführer der S***** Gesellschaft mbH in Y*****. Das Institut wurde von der Stadtgemeinde Y***** mit Sanierungs- und Ausbauarbeiten im Erdgeschoß des B*****hofes bereits vor Beginn des hier gegenständlichen Bauvorhabens beauftragt. Grundlage war ein über Auftrag der Stadtgemeinde Anfang 1991 erstelltes Anbot des Institutes über den Ausbau des Obergeschosses, Dachgeschosses und die Einrichtung von 13 Fremdenzimmern samt Inneneinrichtung. Dafür holte dieses Institut Angebote der Professionisten ein und verfaßte mit Schreiben vom 14.2.1991 eine Kostenzusammenstellung für das Bauprojekt in Gesamthöhe von 5,397.898 S. Da sich die mangelnde Eignung des Dachgeschosses für einen weiteren Ausbau herausstellte, wurde von der Gemeinde darauf verzichtet. Mit Schreiben vom 21.3.1991 bot das Institut der Gemeinde zwei Varianten zur Realisierung an. Die Variante A stützte sich auf kalkulierte Bauleistungen von 4,235.371 S exlusive Umsatzsteuer, wobei dieser Betrag zu 73 % aufgrund eingeholter Angebote, der Rest geschätzt ermittelt wurde. Die Leistungen für Planung, Statik, Haustechnik und Bauverwaltung errechnete das Institut mit insgesamt 15 %, woraus sich eine Gesamtkostensumme von 4,870.677 exklusive Umsatzteuer ergab. Als Variante B unterbreitete das Institut ein Generalunternehmer-Pauschalangebot mit einer Gesamtkostensumme von 4,627.200 S ohne Umsatzsteuer mit Fixpreis- und Termingarantie. Die Auswahl der ausführenden Firmen behielt sich der Anbieter dabei vor. In diesem Schreiben verwies das Institut darauf, daß aufgrund des Wegfalles des Dachgeschoßausbaues Verschiebungen in den ausgeschriebenen Maßen eintreten werden, eine Neuausschreibung jedoch nicht mehr möglich gewesen sei und der Kalkulation der Variante A die Anbote der billigst bietenden Firmen unter Berücksichtigung der voraussichtlichen verringerten Leistungen zugrundegelegt worden seien. Die Gemeinde erteilte dann dem Institut den Zuschlag aufgrund des Generalunternehmer-Pauschalangebotes. In diesen Vertrag trat nach Auflösung des Institutes die S***** GesmbH mit Zustimmung der Gemeinde ein. Nach Durchführung des Umbaues und Einrichtung der Fremdenzimmer wurden von der Gemeinde an die S***** GesmbH insgesamt 4,627.000 S überwiesen.

Zur Gemeinderatssitzung vom 4.6.1992 stellte der Beklagte einen Dringlichkeitsantrag gemäß § 46 Abs 3 NÖ Gemeindeordnung zur Installierung einer begleitenden Kontrolle beim Bau des Seminarhotels W*****, das wie folgt begründet wurde:

a) Die Vergabe der Generalunternehmerleistungen an die planende und ausschreibende Firma S***** widerspricht allen kaufmännischen Prinzipien, Normen, Vergabeordnungen und ist sicher eine Gangart ohne Vergleichsbeispiele;

b) die Verpflichtung zur sparsamen Verwendung öffentlicher Mittel;

c) das gänzliche Fehlen von Ausschreibungen sämtlicher Gewerke mit Ausnahme der Baumeisterarbeiten als korrekte Grundlage für eine Pauschalvergabe;

d) die bekannte Tatsache der Nichtberücksichtigung einer Y***** Arbeitsgemeinschaft mit Ablehnung zur Erarbeitung einer Pauschalsumme;

e) die Fakten der GU-Vergabe "Fremdenzimmer Babenbergerhof";

f) das sicher nicht vorhandene Interesse eines Bauherrn NARE, Baukosten einzusparen".

In der Sitzung des Gemeinderates vom 4.6.1992 ging der Bürgermeister auf den Dringlichkeitsantrag ein, verwies darauf, daß die Vorgangsweise der Gemeinde sehr wohl kaufmännischen Prinzipien, Normen und Vergabeordnungen entspreche und auch keine unübliche sei. Hinsichtlich des Bauvorhabens Fremdenzimmer B*****hof behaupte der Beklagte, daß bei den Professionisten überhöhte Maße und Mengen ausgeschrieben worden seien und eine Preisverzerrung von etwa 20 % herauskomme. Darüber hinaus sei dem Generalunternehmer Ing.S***** laut Wirtschaftsbericht des Steuerberaters 818.000 S für Einrichtung ausgezahlt worden. Da dies ohnehin Gegenstand einer Sachverhaltsdarstellung an den Staatsanwalt sei, stellte der Vorsitzende fest, diese Angelegenheit müsse nicht weiter erörtert werden, da ja von zuständiger Stelle eine Beurteilung erfolgen werde. In einer Protokollergänzung wird die Wortmeldung des Beklagten wie folgt festgehalten: "Da hat uns der Herr S***** ein wunderschönes Angebot gemacht, 4,6 Mio S pauschal und Festpreisgarantie und alles was es noch gibt, ich habe aber in der Zwischenzeit festgestellt, daß bei den Ausschreibungen an die Professionisten weit überhöhte Maße und Mengen ausgeschrieben wurden und in Wirklichkeit ist nach Bedarf abgerechnet worden - da gibt es Rechnungsunterschiede von 200.000 S und mehr. Im gesamten kommt da eine Preisverzerrung um die 20 % heraus nach meinen Recherchen. Es hat natürlich der Ing.S***** sein Anbot um den Betrag von 106.000 S gekürzt und irgendwer in der Gemeinde hat ihm 818.000 S für die Einrichtung ausbezahlt, denn das steht im Wirtschaftsbericht drinnen von dem Steuerberater W*****. Da möcht ich bitte jetzt auch einmal eine Stellungnahme. Das war eigentlich der Grund meines Dringlichkeitsantrages. Die begleitende Kontrolle: Ich glaube, wenn man das so weiter zieht, wenn man sich jetzt die Variante B*****hof ansieht, wo man ca 1,000.000 S nehmen kann, was da zu teuer zuviel bezahlt worden ist, wenn man das auf das Hotel umlegt, werden das etwa 7,000.000 bis 8,000.000 sein". Über Frage des Bürgermeisters stellte der Beklagte klar, daß er dem Kläger im Zusammenhang mit den 818.000 S keine Doppelverrechnung, sondern nur die Divergenz von Ausschreibung und Verrechnung vorwerfe.

In der Folge 206/92 des Freiheitlichen Gemeindekuriers "Blauer Stachel" schrieb der Beklagte dazu: "Riskiert man einen genaueren Blick hinter die Bröckelfassade einer aufgemascherlten Bilanz, dann kommt das wahre Gesicht hinter verschleierten Tatsachen als Fratze manipulierter Abrechnungen zum Vorschein. In der Beilage zur Bilanz wurde jedoch ein Betrag von 818.355,08 S für die Fremdenzimmereinrichtung zusätzlich zur Pauschalsumme ausgeworfen.

Erkundigungen beim zuständigen Steuerberater ergaben eindeutig: Mit der als Zugang ausgeworfenen Fremdenzimmereinrichtung erhöhen sich die Generalkosten für den B*****hof weit über die vom Gemeinderat abgesegnete Summe".

In einem Interview gegenüber den "Neue Niederösterreichische Nachrichten" Ausgabe Nr 25/1992 nach der Gemeinderatssitzung wird die Äußerung des Beklagten wiedergegeben: "In der Abrechnung (4,5 Millionen) blieb Ing.S***** unter der Pauschalsumme, dafür wurde auf einen anderen Rechnungsposten die Einrichtung mit 870.000 verbucht". R***** ist überzeugt, "das geht nicht mit rechten Dingen zu", deshalb hat er auch bei der Staatsanwaltschaft Anzeige gegen diese Vorgangsweise erstattet. Unmittelbar daran anschließend wird die Äußerung des Klägers wiedergegeben: Ing.S*****, der Geschäftsführer der S***** GesmbH sieht dem gelassen entgegen: "Herr R***** kann keine Bilanz lesen. In der Bilanz müssen feste und mobile Güter getrennt ausgewiesen werden. Außerdem scheinen in der Bilanz auch Abrechnungen auf (zB Gartengestaltung), die mit dem Generalunternehmervertrag nichts zu tun haben, daher kann die Bilanz nicht mit den GVU-Zahlen übereinstimmen".

Diese Äußerungen machte der Beklagte aufgrund der Bilanz der Gemeinde für das Jahr 1991, ohne die erforderlichen Kenntnisse für das richtige Lesen und Interpretieren einer Bilanz zu besitzen und ohne mit dem verantwortlichen Steuerberater Rücksprache zu nehmen. Grundlage für die Behauptung, daß der Ausschreibung überhöhte Mengen und Maße zugrundegelegen seien, war, daß der Beklagte die ursprünglichen, noch den Dachgeschoßausbau berücksichtigenden Anbote verschiedener Firmen mit den tatsächlichen Endabrechnungen verglich.

Nicht festgestellt werden konnte, daß bei dem Bauvorhaben weit überhöhte Maße und Mengen ausgeschrieben wurden und daher eine Preisverzerrung von 20 % eingetreten sei; ebensowenig, daß der Kläger den Fixpreis um 106.000 S gekürzt und die Summe von 818.000 S für die Einrichtung der Fremdenzimmer, die vom Pauschalpreis mitumfaßt war, doppelt verrechnete.

Das gegen den Bürgermeister der Gemeinde und den Kläger eingeleitete Strafverfahren wurde nach Einholung eines Gutachtens eines Sachverständigen eingestellt. Dieser kam zu dem Ergebnis, der Gemeinde sei im Zusammenhang mit der Bauausführung des zweiten Abschnittes des B*****hofes kein Schaden erwachsen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren zur Gänze statt. Die inkriminierten Äußerungen seien sowohl ehrenbeleidigend als auch rufschädigend im Sinne des § 1330 ABGB. Dem Kläger werde der Vorwurf gemacht, nicht erbrachte Leistungen in Rechnung gestellt und erbrachte Leistungen doppelt verrechnet zu haben. Dem Beklagten sei der Beweis der Richtigkeit seiner Behauptungen nicht gelungen. Er habe seine Prüfungs- und Nachforschungspflicht verletzt. Im Hinblick auf die Schwere der erhobenen Anschuldigungen und des beträchtlichen Grades der Verbreitung aufgrund der Zeitungsartikel sei auch das Widerrufsbegehren berechtigt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung des Beklagten keine Folge. Ausgehend von der medialen Verbreitung und der Öffentlichkeit der Gemeinderatssitzung könne nicht nur auf den vorauszusetzenden Kenntnisstand der anwesenden Gemeinderäte abgestellt werden. Die Äußerungen hätten beim unbefangenen Beobachter den Eindruck erwecken müssen, daß dem maßgeblichen Anbot des Institutes konkrete Ausschreibungen mit weit überhöhten Maßen zugrundegelegen seien und eine manipulierte Abrechnung erfolgt sei, wie dies der Beklagte im "Blauen Stachel" auch formuliert habe. Dies habe sich als unrichtig herausgestellt und sei tatbestandsmäßig nach § 1330 Abs 2 ABGB. Der Vorwurf könne nicht durch das Recht auf freie Meinungsäußerung nach Art 10 MRK oder die Ausübung eines öffentlichen Mandates gerechtfertigt werden, dazu wäre es erforderlich gewesen, daß die Kritik sachbezogen gewesen wäre und den unbestrittenen oder bewiesenen Tatsachen entsprochen hätte. Auch in der politischen Diskussion müsse das Bemühen um eine korrekte Darstellung gefordert werden. Die Äußerungen enthielten aber gegenüber dem Kläger, unabhängig von der politischen Debatte, den Vorwurf unehrenhaften Verhaltens. Die in ihrem wesentlichen Inhalt auch medial verbreiteten Behauptungen seien daher zur Gänze auch medial zu widerrufen.

Das Berufungsgericht sprach aus, daß die außerordentliche Revision nicht zulässig sei, weil im wesentlichen nur die Erklärungen des Beklagten auszulegen gewesen seien.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision des Beklagten ist zulässig und berechtigt.

Das verschuldensunabhängige Unterlassungs- begehren ist schon deshalb abzuweisen, weil der Beklagte in der Streitverhandlung vom 17.5.1995 den Abschluß eines Unterlassungsvergleiches angeboten hat. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senates beseitigt ein Anbot auf Abschluß eines vollstreckbaren Unterlassungsvergleiches, wenn nicht besondere Gründe dagegen sprechen, die Wiederholungsgefahr, auch wenn der Beklagte über das Unterlassungsbegehren hinausreichende weitere Ansprüche nicht anerkennt (6 Ob 8/96; 6 Ob 1004/96 ua).

Die Äußerungen des Beklagten sind grundsätzlich § 1330 Abs 2 ABGB zu unterstellen, weil er nicht nur Kritik an der Vergabepraxis der Gemeinde geübt, sondern darüber hinaus dem Kläger persönlich falsche Abrechnungen unterstellte. Dem Beklagten ist auch Fahrlässigkeit vorzuwerfen, weil ihm als Gemeinderatsmitglied nicht nur die Einsicht in alle Unterlagen möglich war (§ 22 NÖ Gemeindeordnung), sondern er auch alle Auskünfte über die Bilanz seitens des Wirtschaftsprüfers hätte verlangen können. Bloß fahrlässig gemachte, unwahre Äußerungen eines Mitgliedes des Gemeinderates in einer öffentlichen Gemeinderatssitzung sind gerechtfertigt, wenn sie zu keinem unverhältnismäßigen Eingriff in geschützte Interessen des Betroffenen führen (SZ 62/186). Der Oberste Gerichtshof hat schon in dieser Entscheidung ausgesprochen, im Interesse der Aufklärung aller Umstände, die für eine Beurteilung und Entscheidung in solchen öffentlichen Angelegenheiten geboten erscheinen, die nach der jeweiligen Gemeindeordnung der Beschlußfassung im Gemeinderat vorbehalten sind, müsse es grundsätzlich in Kauf genommen werden, daß in der Debatte über solche Angelegenheiten persönliche oder wirtschaftliche Verhältnisse von Einzelpersonen oder anderen Rechtsträgern erörtert werden, soweit sie mit dem Gegenstand der Debatte in einem sachlichen Zusammenhang stehen. Bewußte Unwahrheiten ausgenommen, soll dabei ein das öffentliche Mandat ausübender Antragsteller, Fragesteller oder Debattenredner wegen des öffentlichen Interesses an der Funktionsausübung, wiewohl sie in öffentlicher Sitzung erfolgen muß (§ 47 NÖ GemeindeO), für sachlich zum Thema der Intervention gehörende und maßvolle Behauptungen einem betroffenen Dritten gegenüber nicht schadenersatzpflichtig werden, wie beispielsweise auch eine derartige Tatsachenbehauptung in einer Anklage oder in einem Plädoyer eines Vertreters der Anklagebehörde in Strafverfahren, im Vorbringen eines Parteienvertreters im Zivilprozeß oder in der Begründung einer gerichtlichen Entscheidung wegen des öffentlichen Interesses an der Rechtspflege (ungeachtet der Öffentlichkeit der Tatsachenbehauptung) gerechtfertigt sei. In diesem Sinn könnte nur eine bewußt unrichtige Tatsachenbehauptung oder eine in fahrlässiger Unkenntnis der Unwahrheit verbreitete Tatsachenbehauptung, die nach dem Interventionsgegenstand einen unverhältnismäßigen Eingriff in die durch § 1330 Abs 2 ABGB geschützten Interessen eines durch die Tatsachenbehauptung Betroffenen bedeutete, für Äußerungen in einer Gemeinderatssitzung schadenersatzrechtlich verantwortlich machen. Eine im Bewußtsein ihrer Wahrheitswidrigkeit erfolgte Tatsachenverbreitung ist dem Beklagten nach dem festgestellten Sachverhalt nicht anzulasten. Daß der Gemeinde durch die vom Beklagten angeprangerte Vergabepraxis ohne Ausschreibung und begleitende Kontrolle kein Schaden entstanden ist, konnte erst durch ein umfangreiches Gutachten eines Sachverständigen geklärt werden. Die Verhältnismäßigkeit der die nach § 1330 Abs 2 ABGB geschützten Interessen des Klägers gefährdenden Behauptungen des Beklagten gegenüber der Bedeutung einer Aufklärung strittiger Bilanzposten (die im vorliegenden Fall für einen Laien jedenfalls ohne nähere Aufklärung durch einen Bilanzkundigen irreführend sein konnten) und der Vermeidung von Vergaben ohne Ausschreibung für die Zukunft im Interesse einer sparsamen Gebarung fällt nach Ansicht des erkennenden Senates zugunsten des Beklagten aus. Dieser ließ in seiner dringlichen Anfrage und der dazu ausgeführten Begründung keine anderen Absichten erkennen als die Wahrung der wirtschaftlichen Interessen der Gemeinde und der legitimen politischen Interessen seiner Gemeinderatsfraktion. Die den Kläger belastenden Behauptungen durften zur konkreten Intervention noch erforderlich scheinen. Die Äußerungen des Beklagten im Gemeinderat sind im Bericht der Niederösterreichischen Nachrichten über die Gemeinderatssitzung wesentlich verkürzt und ohne konkreten Vorwurf gegen den Kläger, sondern vielmehr nur gegen die Bilanzierung durch die Gemeinde gerichtet und enthalten unmittelbar im Anschluß daran auch die Gegendarstellung des Klägers. Ein Unterlassungs- und Widerrufsanspruch gegenüber dem Gemeinderat und ein Anspruch auf die Veröffentlichung des Widerrufes der im Gemeinderat gefallenen Äußerungen in den Niederösterreichischen Nachrichten sind daher zu verneinen. Unterlassung, Widerruf und Veröffentlichung der im "Blauen Stachel", dem Gemeindekurier der Fraktion des Beklagten erhobenen Vorwürfe "manipulierte Abrechnungen" ist nicht Gegenstand des Begehrens des Klägers, ein Widerruf und dessen Veröffentlichung wäre überdies nur im selben Medium berechtigt. Das Klagebegehren ist daher als zur Gänze unberechtigt abzuweisen.

Der Ausspruch über die Verfahrenskosten beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Kostenbemessungsgrundlage ist nach § 10 Z 6 lit a RATG (Mediengesetznovelle 1992 BGBl 1992/20) ein Streitwert von lediglich 240.000 S.

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