OGH 5Ob2164/96p

OGH5Ob2164/96p8.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Petrag, Dr.Schwarz, Dr.Floßmann und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der Antragsteller

1.) Helene K*****, 2.) Christian W*****, 3.) Irmgard G*****, 4.) Elfriede O*****, 5.) Christa T*****, 6.) Renate E***** und 7.) Elisabeth J*****, alle wohnhaft in *****, alle vertreten durch Hannelore Istvan, Funktionärin des Mieterschutzverbandes Österreichs, 1070 Wien, Döblergasse 2, wider die Antragsgegner 1.) Peter V*****,

2.) Johann G*****, und 3.) Paula G*****, der Zweitantragsgegner und die Drittantragsgegnerin vertreten durch Dr.Manfred Hintersteininger, Rechtsanwalt in Wien, wegen § 37 Abs 1 Z 12 MRG iVm § 21 MRG, infolge Revisionsrekurses des Zweitantragsgegners sowie der Drittantragsgegnerin gegen den Beschluß des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 13. Februar 1996, GZ 39

R 143/96k-11, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 19. September 1995, GZ 10 Msch 56/94p-8 sowie 10 Msch 34/95d-8, bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Die Antragsgegner sind Miteigentümer des Hauses *****, und zwar der Erstantragsgegner zur Hälfte, der Zweitantragsgegner und die Drittantragsgegnerin zu je einem Viertel. Die Antragsteller, die Wohnungen in diesem Haus gemietet haben, erwirkten zu SL-528/84 und SL-8684/95 zwei Entscheidungen der Schlichtungsstelle beim Magistratischen Bezirksamt für den 15. Bezirk über die zulässigen Betriebskosten der Jahre 1991 bis 1993, in denen eine Rückzahlungsverpflichtung der Antragsgegner ausgesprochen wurde. Der Zweitantragsgegner und die Drittantragsgegnerin riefen daraufhin gemäß § 40 Abs 1 MRG das Gericht zur Entscheidung an. Im gerichtlichen Verfahren haben die Antragsteller in der mündlichen Verhandlung am 13.9.1995 (ua) die Aktivlegitimation der beiden zur Anrufung des Gerichtes bestritten, weil sie insgesamt nur über 50 % der Miteigentumsanteile am Haus verfügen. Der bei dieser Verhandlung anwesende Erstantragsgegner erklärte zwar, "sich, soweit zulässig, der Anrufung des Gerichtes durch den Zweitantragsgegner und die Drittantragsgegnerin anschließen zu wollen" (ON 7, AS 21), doch wies das Erstgericht letztlich die Anrufung des Gerichtes durch den Zweitantragsgegner und die Drittantragsgegnerin zurück. Es vertrat den Standpunkt, daß nur die Mehrheit der Miteigentümer zur Anrufung des Gerichtes berechtigt sei und diese Voraussetzung auch nicht durch die nachträgliche Zustimmung des Erstantragsgegners erfüllt werde, weil die diesbezügliche Erklärung erst nach Ablauf der in § 40 Abs 1 MRG festgelegten 14-Tage-Frist abgegeben worden sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung aus folgenden Erwägungen:

Der Minderheits- bzw Hälfteeigentümer sei zu einer vom Willen der Eigentümergemeinschaft nicht getragenen Anrufung des Gerichtes auch in einem von Mieterseite angestrengten Verfahren nach § 37 MRG nicht legitimiert. Wohl genieße der Minderheits- bzw Hälfteeigentümer in einem solchen Verfahren Parteistellung und bilde mit den übrigen Eigentümern eine einheitliche Streitpartei (vgl MietSlg 38.358 f), sei aber an der Wahrnehmung der dem notwendigen Streitgenossen nach § 14 ZPO mit Wirkung für alle Streitgenossen zustehenden Prozeßhandlung deswegen gehindert, weil ihn § 833 ABGB von einer nicht vom Willen der Mehrheit getragenen Disposition über die gemeinschaftliche Sache ebenso ausschließe wie von einer isoliert in Anspruch genommenen Vertretungskompetenz. Dies führe zwar dazu, daß der Minderheits- bzw Hälfteeigentümer in einem Verfahren, in dem auch für ihn bedeutsame Fragen entschieden werden, keine Möglichkeit habe, unrichtige Entscheidungen mit für ihn nachteiligen Folgen abzuwehren oder zu bekämpfen; dieses Ergebnis sei jedoch eine natürliche Folge seiner Minderheits- bzw Hälfteposition, wie sie das Gesetz durch die Einräumung der Verwaltungsbefugnis in Angelegenheiten der ordentlichen Verwaltung an die Mehrheitseigentümer ohne Eingriffsmöglichkeit der Minderheitseigentümer in Kauf genommen habe. Selbständig vom Minderheits- bzw Hälfteigentümer vorgenommene Anrufungen bzw erhobene Rechtsmittel seien daher zurückzuweisen (vgl MietSlg 41.392, 40.583, 37.515 [richtig wohl: 37.550], 28.425, 17.039; Gamerith in Rummel I2, Rz 12 zu § 833 ABGB).

Dem Zweitantragsgegner sowie der Drittantragsgegnerin, die je nur zu einem Viertel Miteigentümer des Hauses sind, fehle somit die Legitimation zur Anrufung des Gerichtes. Es könne auch nicht damit argumentiert werden, daß eine vom Willen der Mehrheit getragene Anrufung des Gerichtes vorliege. Der Zweitantragsgegner und die Drittantragsgegnerin hätten gegen die auch dem Erstantragsgegner zugestellten Entscheidungen der Schlichtungsstelle lediglich für sich isoliert und ohne jeglichen Hinweis, daß ihr Antrag vom Willen des Erstantragsgegners getragen wäre, das Gericht angerufen. Die Erklärung des Erstantragsgegners in der mündlichen Verhandlung vom 13.9.1995, sich dem Antrag des Zweitantragsgegners und der Drittantragsgegnerin anschließen zu wollen, könne nur so verstanden werden, daß der Erstantragsgegner seine Zustimmungserklärung erst nach Ablauf der Frist des § 40 Abs 1 MRG abgegeben habe. Eine Behauptung, der Anrufung des Gerichtes schon ursprünglich, bei Einbringung des diesbezüglichen Antrags zugestimmt zu haben, sei nie aufgestellt worden. Es versage daher das Argument, daß es - wie bei Beurteilung der Legitimation zur Aufkündigung - genüge, wenn die Zustimmung der Miteigentümermehrheit im Prozeß nachgewiesen werde, da auch in diesem Fall bereits ursprünglich die Zustimmung zur Klagsführung durch die Mehrheit der Miteigentümer gegeben sein müsse (vgl MietSlg 40.818; SZ 43/157). Zutreffend habe daher schon das Erstgericht angenommen, daß die Zustimmungserklärung des Erstantragsgegners zur Anrufung des Gerichtes schon vor Ablauf der 14-Tage-Frist des § 40 Abs 1 MRG hätte vorliegen müssen.

Es könne auch nicht die Meinung geteilt werden, daß die Frage der Betriebskostenabrechnung bzw der Abwehr von Mieteransprüchen der verfahrensgegenständlichen Art nicht als Tätigkeit im Rahmen der ordentlichen Verwaltung zu qualifizieren sei. Zweifellos gehörten Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Vorschreibung bzw Festsetzung des Mietzinses zur ordentlichen Verwaltung (vgl Gamerith in Rummel I2, Rz 5 zu § 833 ABGB; MietSlg 20.188). Daran vermöge auch die Überlegung, es würde zu unbilligen Ergebnissen führen, wenn für ein Haus kein Hausverwalter bestellt sei und Mieteransprüche welcher Art auch immer von jeder Bekämpfung durch einen Miteigentümer ausgeschlossen wäre, nichts zu ändern, weil es Sache von Miteigentümern sei, entweder für die Bildung eines von der Mehrheit getragenen Willens oder aber für die Bestellung eines gemeinsamen Verwalters zu sorgen.

Diese Entscheidung enthält den Ausspruch, daß der Wert des Entscheidungsgegenstandes S 50.000,-- übersteigt, der ordentliche Revisionsrekurs jedoch nicht zulässig sei. Letzteres wurde damit begründet, daß bei Lösung der entscheidungswesentlichen Rechtsfrage ohnehin der höchstgerichtlichen Judikatur gefolgt worden sei.

Im jetzt vorliegenden Revisionsrekurs machen die Antragsgegner im wesentlichen geltend, daß sich jene Judikatur, wonach die Zustimmung der Mehrheit der Miteigentümer zu einer vom Minderheitseigentümer eingebrachten Aufkündigung zwar nachträglich nachgewiesen, nicht aber (ex nunc) nachgebracht werden könne (SZ 43/157), auf den hier vorliegenden Fall der Zustimmung zur Anrufung des Gerichtes nicht übertragen lasse, weil die Wirksamkeit einer Kündigung nach dem Zeitpunkt ihrer Zustellung an den Mieter zu beurteilen sei und das Gericht im Kündigungsstreit auch nur darüber zu entscheiden habe. Unabhängig davon könne und müsse die Erklärung des Erstantragsgegners in der mündlichen Verhandlung am 13.9.1995 so interpretiert werden, daß er der Anrufung des Gerichtes von Anfang an zustimmte. Folge man nicht dieser Ansicht, sei dem Zweitantragsgegner und der Drittantragsgegnerin ein Recht zur selbständigen Anrufung des Gerichtes in Analogie zur Räumungsklage des Minderheitseigentümers gegen den titellosen Benützer zuzubilligen, weil die Schlichtungsstelle den Miteigentümern die Rückzahlung der angeblich zuviel eingehobenen Betriebskosten "im Verhältnis ihrer Anteile" aufgetragen habe. Dagegen müsse sich jeder einzelne Miteigentümer zur Wehr setzen können. Der Revisionsrekursantrag geht dahin, den angefochtenen Beschluß so abzuändern, daß dem Erstgericht die Verhandlung in der Sache unter Abstandnahme von seiner unrichtigen Rechtsansicht aufgetragen werde; in eventu solle der angefochtene Beschluß aufgehoben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung nach allfälliger Verfahrensergänzung aufgetragen werden.

Die Antragsteller haben von der ihnen eröffneten Möglichkeit einer Revisionsrekursbeantwortung keinen Gebrauch gemacht.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs erweist sich ungeachtet des Umstandes, daß zur Frage, ob die Zustimmung der Mehrheit der Miteigentümer zur Anrufung des Gerichtes in einem Verfahren zur Überprüfung der Betriebskosten nach § 37 Abs 1 Z 12 MRG auch nach Ablauf der 14-Tage-Frist des § 40 Abs 1 MRG nachgeholt werden kann, keine Judikatur des Obersten Gerichtshofes vorliegt (die Entscheidung MietSlg 17.039 betraf die Rechtsmittelbefugnis der Minderheit an sich und bezog sich auch nur auf das Verwaltungsverfahren), als unzulässig.

Analysiert man die Gründe, die die Rechtsmittelwerber für die ihrer Meinung nach wirksame Anrufung des Gerichtes gemäß § 40 Abs 1 MRG ins Treffen führen, dann zeigen sich zwei voneinander unabhängige und daher auch getrennt zu behandelnde Argumentationslinien: Einerseits machen sie geltend, allein - als bloße Hälfteeigentümer - zur Anrufung des Gerichtes befugt gewesen zu sein, andererseits behaupten sie, ohnehin im Einvernehmen mit dem Erstantragsgegner gehandelt zu haben.

Der zuerst angeführte Rechtsstandpunkt ist, wie bereits das Rekursgericht überzeugend ausführte, unhaltbar. Die Verwaltung einer gemeinschaftlichen Liegenschaft kommt nämlich gemäß § 833 ABGB allen Teilhabern insgesamt zu, wobei in strittigen Angelegenheiten grundsätzlich die nach dem Verhältnis der Anteile zu zählende Mehrheit der Stimmen bei wichtigen Veränderungen allenfalls der Außerstreitrichter entscheidet (§§ 834, 835 ABGB). Ist - wie offenbar hier - ein gemeinsamer Verwalter nicht bestellt, können daher Verwaltungshandlungen nur von der Mehrheit gesetzt werden. Von den bloßen Besitz- oder Gebrauchshandlungen der Teilhaber unterscheiden sich derartige Verwaltungshandlungen dadurch, daß sie Maßregeln einer Geschäftsführung im Interesse aller Gemeinschafter sind oder wenigstens sein sollen (Gamerith in Rummel2, Rz 3 zu § 833 ABGB mwN). Die Anrufung des Gerichts durch die Miteigentümer eines vermieteten Objekts in einem Verfahren zur Überprüfung der Betriebskosten (§ 37 Abs 1 Z 12 MRG) stellt eine solche Verwaltungshandlung dar, weil der vom Mieter zu leistende Mietzins (iwS) immer nur allen Vermietern gegenüber einheitlich festgestellt werden kann (vgl WoBl 1996, 154/55) und jede vom Vertreter der Eigentümergemeinschaft zu diesem Gegenstand abgegebene Prozeßerklärung die Interessen aller berührt. Folgerichtig gestehen Judikatur und Lehre dem Minderheits- oder bloßen Hälfteeigentümer in einem Verfahren, in dem es um Interessen der Gemeinschaft geht, keine Antrags- und Rechtsmittelbefugnis zu (vgl Gamerith aaO, Rz 12 mwN; Würth/Zingher, Miet- und Wohnrecht19, Rz 2 zu § 40 MRG).

Mit der Klarstellung, daß die hier zu beurteilende Rechtshandlung, nämlich die Anrufung des Gerichtes gemäß § 40 Abs 1 MRG durch einen Teil der Vermieter, eine Verwaltungshandlung für die Eigentümergemeinschaft darstellt, versagt auch das Argument der Rechtsmittelwerber, es liege ein der Durchsetzung von Individualininteressen (wie etwa bei der Abwehr von Eingriffen Dritter in das gemeinschaftliche Recht) vergleichbarer Fall vor, der eine Antrags- bzw Rechtsmittelbefugnis der Minderheitseigentümer rechtfertige. Auch aus dem Hinweis, daß eine einheitliche Streitpartei (als die sich mehrere Miteigentümer des Hauses in einem Verfahren zur Überprüfung des Mietzinses - wohl auch der Betriebskosten - darstellen; vgl WoBl 1996, 154/55) gemäß § 14 Satz 2 ZPO durch jeden der Streitgenossen Prozeßhandlungen setzen kann, die mangels einheitlicher Vorgangsweise zumindest nach dem Günstigkeitsprinzip wirksam sind (vgl Fasching, ZPR2, Rz 381; Rechberger/Simotta, Grundriß des österreichischen Zivilprozeßrechtes4, Rz 205), ist - wie schon das Rekursgericht bemerkte - für die Rechtsmittelwerber nichts zu gewinnen, weil vorrangig die materielle Wirksamkeit der Prozeßhandlung zu prüfen ist und eine solche Verwaltungshandlung für die Eigentümergemeinschaft gemäß § 833 ABGB nur von der Mehrheit der Teilhaber gesetzt werden kann. Damit fehlt es an überzeugenden neuen Argumenten der Rechtsmittelwerber, mit denen sich die vom Rekursgericht im Einklang mit Judikatur und Lehre vertretene Rechtsmeinung widerlegen ließe, daß nur die Mehrheit der vermietenden Miteigentümer zur Anrufung des Gerichtes in einem Verfahren zur Überprüfung der Betriebskosten befugt ist. Insoweit erweist sich der vorliegende Revisionsrekurs als unzulässig, weil er keine iSd § 528 Abs 1 ZPO (iVm § 37 Abs 3 Z 16 MRG) bedeutsame Rechtsfrage aufzeigt.

Was das weitere Argument der Rechtsmittelwerber betrifft, es liege ohnehin eine vom Willen aller Miteigentümer getragene Anrufung des Gerichtes vor, wäre durchaus erwägenswert, wie die Erklärung des Erstantragsgegners in der mündlichen Verhandlung am 13.9.1995 zu verstehen ist, ob - anders als im Fall einer Aufkündigung - die erforderliche Zustimmungserklärung eines Mitvermieters bloß nachträglich nachgewiesen oder auch nachgebracht werden kann, und ob nicht überhaupt nur ein verbesserungsfähiger (im gegenständlichen Fall auch verbesserter) Mangel der Vertretung einer Prozeßpartei vorliegt, wenn das Gericht gemäß § 40 Abs 1 MRG lediglich vom Hälftestatt vom Mehrheitseigentümer angerufen wird. Allen diesen Rechtsfragen könnte jedoch nur im Fall eines zulässigen Rechtsmittels nachgegangen werden. Ein solches hätte vorausgesetzt, daß es nicht nur von der zweit- und drittantragstellenden Partei, sondern auch vom Erstantragsgegner erhoben wird, weil die Rechtsmittelbefugnis in Angelegenheiten der Verwaltung einer gemeinschaftlichen Sache - wie ausgeführt - der Mehrheit der Miteigentümer zukommt. Obwohl sich die Rechtsmittelwerber ausdrücklich darauf berufen, im Einvernehmen mit dem Erstantragsgegner zu handeln und gerade sein fragliches Einverständnis der Grund für die Vorinstanzen war, der Anrufung des Gerichtes die Wirksamkeit abzusprechen, hat sich der Erstantragsgegner dem Rechtsmittel seiner Teilhaber nicht angeschlossen. In diesem Punkt erweist sich daher der vorliegende Revisionsrekurs mangels Rechtsmittelbefugnis der Rechtsmittelwerber als unzulässig.

Aus allen diesen Gründen war wie im Spruch zu entscheiden.

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