OGH 13Os154/96 (13Os155/96)

OGH13Os154/96 (13Os155/96)2.10.1996

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Oktober 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Brustbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel, Dr. Mayrhofer, Dr. Ebner und Dr. Rouschal als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klotzberg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Erwin F***** wegen des Vergehens des (richtig: teils vollendeten, teils versuchten) Diebstahls nach §§ 127 und 15 StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen die Strafverfügung und die Unterlassung der unverzüglichen Verständigung gemäß § 494 a Abs 7 StPO des Bezirksgerichtes Purkersdorf vom 8. August 1995, GZ U 216/93-4, sowie den Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 18. Dezember 1995, GZ 8aE Vr 818/92-55, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Raunig, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Das Gesetz wurde verletzt

1. im Verfahren U 216/93 des Bezirksgerichtes Purkersdorf

a) durch den in der Strafverfügung vom 8.August 1995 (ON 4) enthaltenen Ausspruch über die getrennte rechtliche Beurteilung der Erwin F***** zur Last liegenden Taten als Vergehen des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB und als Vergehen des Diebstahls nach § 127 StGB im § 29 StGB;

b) durch die Unterlassung der unverzüglichen Verständigung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zu 8 aE Vr 818/92 von dem gemeinsam mit der vorbezeichneten Strafverfügung gefaßten Beschluß auf Absehen vom Widerruf der Erwin F***** gewährten bedingten Strafnachsicht und Verlängerung der Probezeit auf fünf Jahre im § 494 a Abs 7 StPO;

2. im Verfahren 8 aEVr 818/92 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien durch den Beschluß vom 18.Dezember 1995 (ON 55), mit welchem die in diesem Verfahren verhängte Strafe endgültig nachgesehen wurde, im § 48 Abs 3 StGB.

Diese Gesetzesverletzungen werden festgestellt.

Text

Gründe:

Erwin F***** wurde mit der im Spruch bezeichneten Strafverfügung rechtskräftig neben dem Vergehen des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB (I.) auch gesondert des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (II.) schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt. Zugleich wurde vom Widerruf der mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 19.März 1992, GZ 8 aEVr 818/92-45, gewährten bedingten Strafnachsicht abgesehen und die dort bestimmte Probezeit auf fünf Jahre verlängert (§ 494 a Abs 6 StPO). Das Bezirksgericht unterließ jedoch die unverzügliche Verständigung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien und verfügte diese erst am 11.März 1996 (S 36). Das Landesgericht sah deshalb in Unkenntnis der Verlängerung der Probezeit mit rechtskräftigem Beschluß vom 18.Dezember 1995, GZ 8 aE Vr 818/92-55, die bedingt nachgesehene Strafe endgültig nach.

Rechtliche Beurteilung

Wie der Generalprokator in seiner gemäß § 33 Abs 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zu Recht ausführt, verletzen die rechtliche Beurteilung der gemeinsam abgeurteilten Diebstahlsfakten und das Unterbleiben der unverzüglichen Verständigung durch das Bezirksgericht sowie die Beschlußfassung des Landesgerichtes auf endgültige Strafnachsicht das Gesetz.

Gemäß § 29 StGB bilden alle in einem Verfahren demselben Täter angelasteten Diebstähle, auch wenn sie weder örtlich noch zeitlich zusammenhängen und jeder Diebstahl für sich rechtlich von verschiedener Art ist, bei der rechtlichen Beurteilung eine Subsumtionseinheit. Die Annahme eines Vergehens des versuchten Diebstahls neben einem Vergehen des Diebstahls durch das Bezirksgericht war somit unzulässig (11 Os 118/93). Diese rechtsirrige Beurteilung des Tatgeschehens begründet zwar Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO (Mayerhofer/Rieder StGB4 § 29 Nr 5), die dem Verurteilten (der keinen Einspruch gegen die Strafverfügung erhoben hat) aber vorliegend ersichtlich nicht zum Nachteil gereichte (SSt 59/74, EvBl 1994/70, Mayerhofer/Rieder StGB4 § 33 E 5 a).

Die erst im März 1996 erfolgte Verständigung des Landesgerichtes durch das Bezirksgericht von seiner Entscheidung gemäß § 494 a Abs 6 StPO widerspricht dem Gesetzesbefehl nach Abs 7 leg cit, wonach eine derartige Verständigung unverzüglich zu erfolgen hat. Demnach mußte der (vorzeitige) Beschluß des Landesgerichtes für Strafsachen Wien auf endgültige Strafnachsicht § 48 Abs 3 StGB verletzen, weil eine bedingt nachgesehene Strafe nur dann endgültig nachgesehen werden kann, wenn sie nicht widerrufen wird. Vor Ablauf der (hier verlängerten) Probezeit kann aber vom (endgültigen) Unterbleiben des Widerrufs nicht ausgegangen werden. Auch diese Gesetzesverletzung wirkte zum Vorteil des Angeklagten, weshalb es insgesamt mit den diesbezüglichen Feststellungen sein Bewenden haben konnte.

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